Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Rücksichtlich der Silberentwerthung und daß es damit seine 
volle Richtigkeit hat, ließe sich auch noch auf die VerHand- 
lunqen der lateinischen Münzkonferenz hinweifen, bei deren 
Berfammlung die erste Frage war, und deren Beantwortung 
glMdlegend für das ganze Ergebnis der Berathung fein mußte, 
nämlich: „Welches sind die Ursachen der Entwerthung des 
SilberS und welche Dauer wird dieselbe muthmaßlich haben?" Hier 
nun theilte sich die Konferenz in zwei fast gleich starke Lager Die 
einen erblickten jene Ursachen nur in zufälligen Ereignissen, 
wie in der durch die Zahlung der Kriegsschuld verursachten 
Störung des Geldumlaufes, oder in der jüngsten amerikanischen 
£nsis, welche eine sehr starke GoldauSfuhr von London nach 
Amerika zur Folge hatte, oder in dem ZwangSkurS des Pa 
piergeldes in Frankreich und Italien, oder endlich — wie auch 
der Schreiber des Artikels in Nr. 9 dieses Blattes glaubte — 
in dem durch daS Angebot etwa einer Milliarde deutschen 
Silbers auf den Preis geübten Drucke, und maßen in Folge 
dessen der jetzigen Entwertung des Silbers nur 
eine vorübergehende Dauer bei 
Die Gegner — zu deren Ansichten auch wir uns hinneigen — 
haben mit großer Bestimmtheit nachgewiesen, daß die Ursachen 
der Entwertung deS Silbers innere seien und daß diese 
stetig fortschreite, darum auch eine fortdauernde sein 
werde. Unterstützt wurden diese noch durch die allgemeine Zeitströ 
mung, welche der Goldwährung sich zugewendet bat, namentlich seit 
die skandinavischen Staaten und Japan dem Beispiele Deutsch- 
tandS gefolgt sind und die Goldwährung eingeführt haben 
Eine Menge weitere Gründe, welche wir theilweife schon in 
unserem früheren Artikel berührten, wurden von den Anhängern 
der Goldwährung entwickelt, nämlich unter andern: der Orient 
und insbesondere Indien, die lange Zeit kaum zu befriedigende 
Abnehmer deS europäischen Silberüberflußes waren, hätten ih- 
ren Bedarf für lange befriedigt; Deutschland, das früher große 
Mengen verbrauchte, sei jetzt Anbieter anstatt Nehmer; dazu 
komme, daß, während früher nur die reichey Silberminen von 
Graß Walley mit denen von Australien den Wettkampf auf- 
nehmen konnten, durch die Vollendung der Pacifie-Bahn die 
unendlich reichen Silberbergwerke zwischen dem Salzsee und 
Sierra Nevada erschlossen worden seien und sich dadurch die 
Eilberproduktion für lange Zeit unendlich gesteigert 
habe zc. 
Die Vertreter dieser Ansicht wollten auch keine Halbheiten, 
sondern hielten darauf daS Uebel an der Wurzel anzufassen: der 
ZwangSkurS, welcher Silber u. Gold gleich stelle, fei kein Heil- 
mittel, eS seien eigentlich zwei Werthmesser im Verkehre, deren 
Äominalwerth ihrem wirklichen Werth nicht ent- 
spreche, welches Schicksal zu unserm Bedauern eben auch der 
österreichische Silbergulden hatte. 
Die Beschlüsse der Konferenz sind bekannt Es blieb wegen 
verschiedenen Hindernissen, welche bereits in jedem einzelnen 
Htaate andere waren, nur eine Maßregel übrig: die Befchrän- 
kung der Prägung silberner Fünffranken stücke auf 100 Mill 
pro 1874, eine Anbahnung zum leichteren Uebergange auf die 
Goldwährung. R. 
Vaterländisches. 
Vaduz, 3. März Wie wir vernehmen, wird Herr Lan- 
deSverwefer von Hausen dieser Tage nach Wien verreisen. 
Vaduz, 3. März. Unsere Nachbarn in Vorarlberg und 
her. Schweiz entwickeln für die Brandbeschädigten in Schaan 
einen MildthätigkeitSsinn, der die allseitigste Anerkennung finden 
muß. So hat der Bürgermeister von Feldkirch Namens des 
Magistrates eine Sammlung veranstaltet, die nach Berichten 
ein überaus günstiges Resultat ergeben hat Auch wurde in 
Feldkirch durch mehrere Damen und Herren eine musikalische 
Unterhaltung arrangirt, deren Ertrag für die Brandbeschädigten 
in Schaan bestimmt ist. In den benachbarten Schweizerort- * 
schaften haben die Gemeindebehörden ebenfalls Sammlungen 
veranstaltet und sind in Buchs und GamS musikallsch-thea« 
»rausche Unterhaltungen zum Zweck der Hülfeleistung für die 
Schaaner gegeben worden Diese freundnachbarlichen Ge- 
sinnungen, die sich gerade im Unglücke in so schöner Weise 
manifestiren, legen uns doppelten Dank auf. - 
Mag man die jetzigen Verhältnisse in der groß geschicht- 
lichen Entwicklung der Menschheit auch noch so verschieden 
beurtheilen, so muß doch jeder zugeben, daß gerade die schönste 
Frucht des Christenthums, die christliche Nächstenliebe vielleicht 
zu keiner Zeit sich in lo werkthattger Weile gezeigt hat, als in 
unfern Tagen. Mag ein großes Unglück, auch itt entfernten 
Ländern Europa's, oder selbst über dem Ozean (wir erinnern 
hier nur an den Brand von Chicago) die Menschen heimsuchen, 
so kommt bald die helfende Hand deS Nächsten, die sich für 
die Mitmenschen zur Linderung sür's Unglück aufthut. Wo 
der Baum deS Christenthums in der Menschheit noch solche 
Früchte trägt, kann von der sog. „heutigen gottlosen Welt" 
noch nicht so arg die Rede sein. „An den Früchten werdet 
Zhr sie erkennen." 
Politische Rundschau, 
Deutschland. Eine interessante Episode aus dem deutschen 
Reichstage, die wir leider aus Mangel an Raum in der letzten 
Nummer unsereSBl nicht bringen konnten, beschäftigt noch jetzt die 
Presse Es ist nämlich der von dem Elfäßer Abgeordneten 
Teutsch und Genossen eingebrachte Antrag: „den elsaß-lothrin/ 
gischen Abgeordneten, die der deutschen Sprache nicht mächtig 
sind, ist in dieser Sitzung der Gebrauch der französischen Sprache 
erlaubt" Der Präsident weist die Unzulässigst deS Antrages 
nach der Geschäftsordnung nach. Teutsch verliest zur Moti- 
virung des Antrags eine Rede, worin die Stesle vorkommt: 
„Deutschland verletze bei der Annektirung die rechtlichen Grenzen 
einer gebildeten Nation." (Lärm, Pfui!) Der Präsident ruft 
Teutsch zur Ordnung. Teutsch fahrt fort: „Ich verlese die 
Übersetzung, ich will niemanden beleidigen, am wenigsten Sie." 
Teutsch versucht sodann nachzuweisen, die Annektirung sei eine 
widerrechtliche, und führt Napoleon den III an, der nie ohne 
Volksabstimmung annektiren gewollt und wenigstens den Schein 
zu retten gesucht habe (anhaltendes Gelächter). Redner sagt 
weiter: „Wir sind hieher geschickt um die Anhänglichkeit an 
das französische Vaterland zu bekunden, wir können Sie nach 
der an unS begangenen Gewaktthat als Brüder nicht anerken- 
nen. Deutschland beging mit der Annektirung den größten 
politischen Fehler. WaS bringt Ihnen die nächste Zukunft? 
Neue Kriege, neue Opfer Lassen Sie uns unsere Zukunft 
selbst bestimmen, nehmen Sie unsern Antrag an!" Bischof 
Räß erklärt: „Bezüglich der Frage ob der Frankfurter Vertrag 
mich und meine Glaubensgenossen berühren konnte, habe ich 
einfach zu^. erklären: die Elsaß-Lothringer meiner Konfession 
sind keineswegs gemeint den Frankfurter zwischen zwei großen 
Nationen abgeschlossenen Vertrag in Frage zu stellen". (Leb- 
hafter Beifall.) Hierauf wird Schluß beantragt und ange 
nommen. Teutsch erklärt: Sie haben die Debatte geschlossen, 
wir verlassen unS auf Gott und auf die Entscheidung Europas. 
Bei der Abstimmung wird der Antrag verworfen. Dafür 
stimmten nur die Polen und Sozialdemokraten; ferner Krüger, 
Sonnemann und Ewald. Die Elsaß-Lothringer blieben bei 
der Abstimmung sitzen. 
In der nämlichen Sitzung kam auch das neue deutsche 
Militärgesetz zur ersten Berathung. Diese Sitzung zählt zu den
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.