Liechtensteinische
Aweiter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 10#
den 6. März 1874.
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Die Silberentwerthung und Mnnzkrisis.
Der erste Artikel unter obiger Ausschrift in Nr. 7 dieses
Blattes wurde hauptsächlich geschrieben, um auf ein Faktum
— die Silberentwerthung — und damit ferner auf die
unserem Landchen notbwendig daraus erwachsenden sehr erheb-
lichen Verluste aufmerksam zu machen.
Schreiber dieses hat nun seither auch Gelegenheit gehabt
vielfältig bedeutendere und einsichtsvolle Männer unseres Land-
chenS über diese Angelegenheit reden zu hören; aber auch nicht
eine Stimme war zu vernehmen, welche nicht dte Thatsache
anerkannte, daß durch den einzig mehr bei unS zirkulirenden
österr Silbergulden bereits jedem Privat- und GeschäftSmanne,
welcher nicht speziell und vorzüglich mit den österr. Staaten in
geschäftlichem Verkehre steht, täglich Verluste erwachsen. Ebenso
herrscht nur eine Stimme und ein Wunsch näch Erlösung von
diesem unsererseits unverschuldeten Uebel, im Falle nicht bin
dende staatliche Vertrage dies für die nächste Zeit unmöglich
machen sollten.
Um so unerwarteter mußte uns der Artikel in Nr. 9 der
Wochenzeitung erscheinen, welcher das Faktum einer schon vor
zwei Jahren begonnenen und mit Schwankungen fortdauern-
den Silberentwerthung umstoßt und schließlich Liechtenstein eine
zuwartende Haltung wegen günstiger AuSilchten auf
Besserung der österr. Silbervaluta empfiehlt. Wir konnten
aber trotz den in dem bezüglichen Artikel vorgefundenen AuS-
einanversetzungen der Werthverhältnisse von gemünztem Golde
und Silber :c. leider nicht zu der Ueberzeugung gelangen, daß
gegründete Hoffnung auf die dort ausgesprochene Besserung
vorhanden sei. Ferner glauben wir ebenfalls die Behauptung
in Abrede stellen zu müssen, daß nur eine scheinbare Silber-
und daher auch nur eine momentane Silbergeldentwerthuug ein-
getreten sei, wie wir am Schlüsse weiter ausführen werden.
Thatsache ist «S, daß dem Ländchen bei seinem ganzen Verkehre,
mit Ausnahme desjenigen, welcher mit dem Innern der österr
Staaten stattfindet, durch die MünzkrifiS stetSfort Schaden er-
wachst GS ist deshalb auf die Lötung der Frage ein Haupt«
gewicht zu legen: „können Maßregeln getroffen werden, welche
uns vor diesem Schaden bewahren — und wenn ja - ist es
zeitgemäß dieselben sofort anzuwenden?"
Zur näheren Erörterung dieser Frage hat eS einen Werth
zu wissen, welche der beiden Ansichten über die Silberentwer-
thung die richtige ist. Wäre wirklich keine Silberentwerthung.
eingetreten und der Grund der gegenwärtigen KristS nur in
dem Zu- und Abströmen deS GoldeS und Silbers zu suchen,
dann wäre eine zuwartende Haltung mit den momentanen Ver-
lüften eher zu entschuldigen; im anderen Falle aber halten wir
eS doch nicht wohlgeratden daS Land länger diesen finanziell
ungünstigen Einflüssen auszusetzen, als eS gerade feine Münz-
und Zollverträge nötbig machen. Nur diese könnten unter Um-
ständen allfällig einem sochen Vorhaben hinderlich sein. Gewiß
können wir unS auch nicht leichthin mit Halbheiten befreunden
und werden stetS einen guten Rath, der dem allgemeinen Be-
dütfniß zweckdienlich erscheint, mit Freuden begrüßen.
Unsere gegenwärtige Lage verdient aber ebenso gut jene
Bezeichnung. Wenn wir einfach von der Silberwährunß
(45 Guldenfuß) zur Goldwährung übergehen, so erscheint 56
in jder Praxis gleichgültig ob wir in Gulden, Marken oder
Franken rechnen. ^Unsere Wertheinheit ---- *00 Kreuzet
(ob diese an einem oder mehreren Stücken gebothen wird) föK
vollkommen Fr. 2 50 oder 2 Mark ausmachen und darf keinen
erheblichen Schwankungen folgen, sonst ist sie kein richtiger
Werthmesser mehr.
DaS Dezimalsystem erleidet durch diese neue RechnungS-
weise keinen Schaden, wenn der Silbergulden auch nur als ein
Merkzeichen von 9 %oo ,n Kurs gesetzt wird, wie eS in deit
Wirklichkeit auch in allen anderen Staaten, mit denen wir mehr
als mit Oesterreich verkehren, schon ist. Muß nicht heute jeder
Liechtensteiner, der mit seinem Silber nach Feldkirch kommt, zu-
erst zum Geldwechsler gehen? Dort macht sein Silbergulden
auch nicht mehr runde 100 Kreuzer aus, sondern je nach dem
Kurse 105 ^4 oder vielleicht ein paar Stunden später 109%.
Wo ist da die leichte cento Rechnung zu suchen und dazu noch
die Wechselverluste? Kommt er mit seiner theuren Werthei?»-
heit in die Schweiz, so gibt man ihm dafür — aus Freundschaft
Fr. 2.38; aber Wehe ihm, wenn er gar seine Reise über den
Bovensee hinaus ausdehnen muß, dann hilft ihm weder das
Dezimal- noch daS Duodezsystem mehr auS seiner Verlegenheit,
er ist ein verlorner Mann.
Die Holländer können unS nicht als Beispiel in dem Falle
dienen, als bei ihnen ihr eigenes selbstgeprägtes Silbergetd
kursirt, welches nun wie unser österr. Gulden als internatio
nale Münze denselben Verlusten ausgesetzt ist. Liechtenstein hajt
glücklicherweise bei all dem vielen Unheile, daS sonst an diesem
Erdflecke klebt, keine eigenen — also weder gute noch schlechte
— Münzen; ein paar tausend Thaler abgerechnet, die eS in
Folge ver Münzkonvention vom Zahre 1857 mit den deutschen
ZollvereinSstaaten prägen mußte. Diese können hier nicht in
Betracht gezogen werden Da eS auch nicht leicht mehr in die
Lage kommen kann eigenes Geld in Zirkulation zu fetzen, so
ist auch nicht wohl zu ersehen, daß eS Uebelstände zu beb
dauren haben sollte, wie Holland und andere ^ilbetgeld pro-
vuzlrende Staaten, deren eigene Waare, welche früher auf dem
Weltmarkt willige Abnehmer fand, nun bedeutend im Werthe
gesunken ist. Wir behelfen unS auf diesem Markte nur mit
fremden Werth zeichen. Sehen wir dabei zu, daß wtz
dabei nicht mehr als nöthig verkürzt werden. *