Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

fern halten sollen Daß er dem Grundsatze treu geblieben wäre, 
den er aussprach, alS der Versucher zum ersten Male mit dem 
Köder einer VerwaltungSrathSstelle an ihn herankam: eS sei 
auch eineS Militärs außer Diensten unwürdig, sich mit finan- 
ziepen Unternehmungen zu befassen! Allein durch seine Heirath 
mit einer Tochter des Börsianers Baron ESkeleS war er mit 
Spielerkreisen zu enge verschwägert, als daß er auf die Dauer 
den Cato hätte spielen können. Er ward in eine ganze Reibe 
finanzieller Schwindeleien hineingerissen und hazaoute aus eigene 
Faust mit dem Kredite, den ihm drei Bänken gewährten. Leute, 
die. eS wissen können, versichern. eS seien dieser Tage 600,000 st 
Differenzen fällig gewesen, die schon mehrmals prolongirt waren. 
Er suchte Hilfe bei der Baronin ESkeleS, seiner Schwieger- 
mutter, von deren Tochter, seiner Frau, er übrigens getrennt 
lebte, und erhielt das Verbot, je wieder ihre Schwelle zu über- 
schreiten. Er wandte sich vergeblich an seinen letzten RettungS- 
anker, den Bruder in der Schweiz, dan'n erfolgte dje Katastrophe. 
Schweiz. Die Volksabstimmung über die revidirte Bun 
desverfassung soll am 19. April stattfinden. 
Die neu«: Strafgesetzgebung des KantonS St. Gallen, 
welche Geistliche wegen Mißbrauchs der Kanzel mit einer Geld- 
strafe bis zu 1060 Fr. und mit Gefängniß bis zu 4 Jahren 
belegt, ist vom St. Gallener Volk mit 19,800 gegen 16,500 
Stimmen angenommen worden. 
Frankreich. Mac Mahon, der sich bis jetzt ebensp wort' 
karg benommen hat, als Thiers redselig war, hat endlich sein 
langes Schweigen gebrochen, um den Handelsstand von Paris 
über die politische Lage Frankreichs zu beruhigen und zu ver> 
sichern, oaß er in den ihm zuerkannten 7 Jahren die Ruhe 
und gesetzmäßige Ordnung aufrecht erhalten und nachher Frank 
reich sich selbst zurückgeben werde. — Ueber den guten Willen 
deS Marschalls in dieser Beziehung hat noch Niemand gezweifelt, 
eher sind Befürchtungen laut geworden, die sieben Jahre Möchten 
ihn absetzen. 
Ueber die ArbeitSnoth in Paris schreibt der bonapartiftische 
„Ordre" : 
„Die Noth macht in Paris rasche Fortschritte. Die besten 
Arbeiter in dem Pariser Artikel sind nach England oder Amerika 
ausgewandert Das Baugewerbe ist auf ein Minimum be- 
schränkt, und die Maurer terEreuse und Correze sind gezwungen, 
nach Metz, zu gehen und für Rechnung deS deutschen Kaisers 
an den dortigen Festungswerken zu arbeiten. Die großen Werk« 
stätttn entlassen ihre Arbeiter zu Hunderten, oder setzen die 
Arbeitsstunden auf die Hälfte herab. Man braucht nur einen 
Blick in die ehedem besuchtesten Handelsviertel von Paris zu 
werfen: in der Gallerie Vivienne stehen fünf, in der Chaussee 
d'Antin dreißig Gewölbe leer. Man frage die Schneider: sie 
haben mehr auszubessern, als neue Kleidungsstücke anzufertigen. 
Man frage die Bäcker: diejenigen, welche ordinäres Brod backen, 
Verbrauchen nur halb fo viel Mehl; diejenigen, welche Luxus- 
brod buken, stellen vorwiegend ordinäres Brod her. Man frage 
die Krämer: sie verkaufen fast nur ynentbehrllche Gewürze 
und sehr wenig feinere Kolonialwaaren, an denen der Handel 
am meisten verdient. Man frage die anderen Kleinhändler: 
sie haben nachgerade alle ihre Ersparnisse aufgezehrt. Dret- 
tausend FalissementS sind in der Schwebe und nur deshalb 
nicht erklärt worden, weil die Gläubiger lieber.Wechsel prolon- 
hiren, deren sie selbst bedürfen. Bezeichnender noch als alles 
Andere ist der Aufschwung, welchen die Fabrikation von Talg- 
lichtem genommen hat. Unter dem Kaiserreich sah inan solche 
höchstens noch unter der Erde in den Händen von Böttchern; 
jetzt verdrängt daS Talglicht wieder in vielen Haushaltungen 
die Stearinkerze, die für Leute zu theuer geworden ist, welche 
statt Wein gemischt-' Getränke, statt Zucker Syrup und manchmal 
statt Brod Erdäpfel zu sich nehme«»"; 
Italien Die Aufregung, welche sich in vielen italienischen 
und deutschen Mättern über den bekannten Prozeß „Bismarck 
und Lamarmora" kundgegeben hat, scheint sich aufeineErklä- 
rung hin, welche der Minister des Aeußern in der italienischen 
Kammer abgegeben hat, wieder legen zu wollen, i In dieser 
Erklärung wird beklagt, daß Lamarmora die betreffenden Akten- 
stücke veröffentlicht habe, die Regierung werde übrigens die 
fehlenden Strafbestimmungen bezüglich solcher Veröffentlichung 
gen im Wege der Gesetzgebung ergänzen. 
Spanien. Die Nachrichten vom Kriegsschauplatz lauteten 
in letzter Zeit so verworren urid widersprechend, daß wir un 
tere Leser lieber damit verschonten. Nach einer Depesche aitS 
Madrid vom 4. Febr. sollen die Karlistim bei Pobla mit 
deutendem Verluste geschlagen worden sein. Der Hauptplan 
deS Generals MorioneS scheint auf Entsetzung Bilbao'S auS- 
zugehen, in dessen Nähe auch der Hauptentscheid fallen wird. 
DaS Gros der Karlisten befindet sich in Villareal, um dm 
Truppen den Weg nach Durango zu versperren. 
Rußland. Der. Kaiser von Rußland hat daS frohe Fa- 
milienereigniß der Vermählung seiner Tochter mit dem engli- 
schen Prinzen durch einen Akt verherrlicht, der wohl allgemeine 
Anerkennung finden wird. Der „ReickSanzeiger" veröffentlicht 
nämlich eine kaiserliche Verordnung, wonach diejenigen Perso 
nen, welche wegen vor dem Jahre 1871 begangener politischer 
Verbrechen angeklagt sind, begnadigt werden. Da wird Man- 
cher auS Sibirien heimkehren dürfen. 
* Aus Zain vom 27. Jän., wird der „Brdmberger-Zeitung" 
über einen schrecklichen Unglücksfall berichtet: „Gestern Nach^ 
mittag, nach dem Schlüsse der Schule in Kodlomb (bei Janowiec, 
Kreis Wongrowiec) Zassirten 23 Schulkinder, um den Hwjt* 
weg abzukürzen, den dortigen sehr tiefen See, dessen alte Eis, 
decke in der Nacht zum Montage leicht überfroren war. Schon 
hatten die Kinder eine ziemliche Strecke auf dem See zurück- 
gelegt, als plötzlich der Bortrab, aus fünf bis sechs Schülern 
bestehend, einbrach und alle ihnen folgenden Kinder von einem 
besonders heftigen Stoße deS wüthenven SturmeS in die offene 
Stelle getrieben wurden. Sämmtliche 28 Kinder, Knaben und/ 
Mädchen verschwanden unter dem Eise und fanden in dem 
See ein schreckliches Ende." 
* Zürich. Der „Ldb." schreibt: Sehr verbreitet ist bei 
unS die Sitte, ras für'S Einheizen bestimmte Holz den Tag 
über zum Trocknen im Ofen aufzuschichten. So geschah eS 
auch, wie gewohnt, am 30. Januar im Wohnzimmer deS 
Schuhmachers Gruber in Wald. Der Mann begab sich mit 
einer Arbeit ins Dorf und schloß daS Zimmer. Seine Frau 
war in der Fabrik. Als jener von seinem Ausgange zurückkehrte, 
schlug ihm beim Oeffnen der Zimmerthür dicker Rauch entge- 
gen: das im Ofen liegende Holz war verkohlt und der im 
Zimmer zurückgelassene 2 Jahre alte Knabe im Rauch erstickt, 
In der Zwischeu-Etage. 
Ein Drama unter „kleinen Leuten." Bon R. B. . 
(Fortsetzung.) 
Jungfer Huldebrand war Mer die Wendung der Dinge wie 
niedergedonnert,' dann aber kochte es in ihr vor Wuth über die- 
sen Schicksalsstreich, nur wußte sie noch nicht, an wem sie ihre» 
Zorn auslassen sollte. Um das Maaß ihres Unglücks voll zu 
machen, schien es auch jetzt, als ob der Jäger sich Lisetten offen 
jähere, und ich bin sicher, wenn es möglich gewesen wäre, würde» 
m diesen Tagen aus Jungfer Huldebrands Nüstern statt heißem 
Acheut glühend rothe Feuerflammen gefahren sein. Auch das
	        

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