Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Zweiter Jahrgang. 

Nr. 6, 
den 6. Februar 1874. 

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Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — Einrückungsgebühr für die zgespaltept Zeile s kr. — Briefe und Gelder 
werden franco erbeten an die Redaction in Vaduz. 
Vaterländisches. 
Statut}, den 31. Jänner. Wir erhalten heute folgende 
Einsendung von einem Landsmann? in Amerika, die wir wört- 
lich wiedergeben: 
Nach Amerika! — hat schon Mancher bei Euch und im 
übrigen Deutschland gesagt. Nach Amerika! — Wenn ihn 
die Sorgen zu überwältigen schienen. Weg aus dem Regen, 
unter die Dachtropfen! ist gleichbedeutend. Was ihm dort 
mangelt und er hier zu erreichen hofft, ist leerer Wahn. — 
Amerika hat Freiheit — aber nur für Millionen-Dube — für 
Senatoren, die Hunderttaufende beschwindelt haben, für ehr- 
bare Bürger hat eS keine Gesetze, um ihr Eigenthum, ihr Le- 
ben und ihre Rechte zu schützen. Namentlich wir Deutsche 
haben uns zu beklagen. Das Knownothing-Jahr 1856 scheint 
wieder zu kommen. Der NativismuS nimmt wieder überhand. 
In allen puritanischen Airchen wird gegen den unglaubischen, 
barbarischen Deutschen, der sein Weib wie ein Indianer hält, 
der Bier, diese stinkende Jauche, verschlingt und daS Heilige 
deS Sonntags nicht kennt, gepredigt. Seit der letzten Legis- 
latur-Sitzung (Febr. d. I.) haben wir in diesem Staate das 
Temperenzgesetz (MäßigkeitSgesetz), daS in seiner Art unüber- 
troffen dasteht; eS straft, wen eS will und wie eS will. Jeder 
Wirth kann für alles Unheil, das in seiner Nachbarschaft an- 
gerichtet wird, verantwortlich gemacht werden. Hier ein Bei- 
spiel: In EvanSville verklagte die Frau eines Mörders, der 
durchgebrannt war, einen Wirth, bei dem er angeblich ein 
GlaS Bier vor seiner That getrunken haben soll, auf Grund 
hin, daß ihr Mann durch den Genuß dieses BiereS zur That 
verleitet und ste dadurch ihres Ernährers beraubt wurtze, um 
5000 D. Schadenersatz. — Die dortige Circuit Court ent- 
schied zu Gunsten der armen Frau. 
Hier in JndianopoliS, in der Hauptstadt, ist eS um kein 
Haar besser. Deutsche Wirthe werden täglich verhaftet und zu 
unerhörten Summen verurtheilt. Nur ein Beispiel: Ein Flei- 
scher ging auf seinem Heimweg mit feinem Jungen in eine 
Wirtschaft und bestellte für sich und seinen Gefährten ein 
GlaS Bier und verzehrten eS. Der Wirth und Fleischer wur- 
den klagbar; erster« wegen Verkaufs an Minderjährige, letz- 
terer wegen „gekauft" für Minderjährige und Beide um die 
Summe von 25 D. bestraft. (Selbstverständlich waren Beide 
Deutsche.) 
Punkt 9 Uhr (AbendS) müssen alle Trinklokale geschlossen 
sein und daS bis 6 Uhr Morgens. Sonntags den ganzen 
Tag zu. Auf Bällen wird nach 9 Uhr nur noch Wasser ser- 
virt. Deutsche werden immer mehr auS den öffentlichen Aem- 
tern verdrängt. 
Dazu kommt nun noch die arbeit- u. geldlose Zeit. Ueber 
eine Hälfte der Arbeiter find verdiMloS und die andere Hälfte 
arbeitet für den halben Preis. Unsere Stadt gewährt einen 
wirklich traurigen Anblick, nebst all der Noch nach 9 Uhr 
AbendS eine egyptische Finsterniß (d. h. wenn der Mond nicht 
scheint). Vive Ig Republique! 
Indianapolis, 18. Dez. Marok 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Jener Zwischenfall im preußischen Landtage, 
der stch, wie wir bereits in der letzten Nummer gemeldet ha- 
ben, zwischen Bismarck und Mallinckrodt bezüglich der Enthül 
lungen LamarmoraS abgespielt hat, ist mit großem Geräusche 
in' die italienischePresse übergegangen. Sie glaubt, die Akten 
deS Prozesses Lamarmora gegen Bismarck und umgekehrt seien 
noch nicht abgeschlossen. Der in Florenz in stolzer Zurückgezo 
genheit lebende italienische Exgeneral will in Folge der Scene 
im deutschen Reichstag nochmals aus feiner Zurückgezogenheit 
hervortreten, um den ihm vom Reichskanzler hingeworfenen 
Handschuh wieder aufzunehmen. Er gedenkt nämlich einen öf* 
sentlichen Brief an Bismarck zu richten, worin er diesen in 
kategorischer Weise auffordern wird: 1) die im deutschen Reichs- 
tag gegen ihn geschleuderten Beschuldigungen zu erklären, nä- 
mentlich den AuSdruck: „Ich könnte über die Politik Lamar- 
mora'S zahlreichere und unangenehmere Bücher schreiben, alS 
er gegen mich geschrieben hat"; 2) im Falle Bismarck ihm 
keine Genugthuung gibt, will Lamarmora in neuen Enthüllun- 
gen noch etwas mehr Licht verbreiten oder in einer Rede im 
Parlament, dessen Mitglied er noch ist, seinen Standpunkt aus- 
einandersetzen, waS jedoch der italienischen Regierung keines- 
wegS angenehm wäre. Die Rede würde dieselbe indeß kaum 
hindern können, jedoch soll eine Interpellation in der Kammer 
gestellt werden, um mit Bezug auf diesen vorliegenden Fall ge- 
setzliche Bestimmungen über den Mißbrauch von StaatSdoku- 
menten durch die Presse zu provoziren. Die ganze Geschichte 
ist auch den Freunden Lamarmora'S sehr peinlich und ste ap- 
pelliren an seine Vaterlandsliebe, um übereilte Schritte von 
seiner Seite zu verhindern. 
Oesterreich. Freiherr von Gablenz, österr. General der 
Kavallerie, der am 27. Jänner AbendS zum Besuche seines 
Bruders nach Zürich gekommen war, hat dort in einem Anfalle 
von Melancholie durch einen Revolverschuß in'S Herz seinem 
Leben ein Ende gemacht. Die Neue Zürcher Zeitung berichtet 
über den traurigen Fall Folgendes: 
„Vor der That hatte Gablenz zwei seiner Freunde in Zü- 
rich ersucht, ihn Punkt 11 Uhr Morgens zu besuchen. AlS 
sie ankamen, war die Thür seines Zimmers geschlossen. Der 
Wirth sprengte die Thür. DaS Schlafzimmer war leer; aber
	        

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