Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Liechtensteinische 
Zweiter Jahrgang. 
Vaduz, Freitag 
Nr. 50. 
den 11. Dezember 1874, 
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werden franco erbeten an die Redaction in Vaduz. 
Vaterländisches. 
(m) Bilder aus der vaterländischen Geschichte. 
34. Die Freiherren von Brandis als Herren zu 
Vaduz. 
(Fortsetzung.) 
Die v. Brandis, die nunmehrigen Herren v. Vaduz, hatten 
ihre Stammburg im berverischen Emmenthale, wo sie eine nicht 
unbedeutende Herrschaft besaßen. Der erste dieses Geschlechtes, 
den uns die Geschichte nennt, ist Thüring von Brandis, wel- 
cher 1139 das Benediktinerkloster Trub stiftete. Wie bereits 
erzählt waren die Ulrich Thüring und Wolfhard v. Brandis 
Stiefbrüder der Grafen Heinrich und Hartmann II. v Vaduz. 
Sie erhielten daher als mütterliches Erbe die Herrschaft Blu- 
menegg. Hartmann II perpfändete sodann später die Herr- 
schaft Vaduz an diese seine Stiefbrüder und verkaufte an sie 
den Eschnerberg. Die Grafen v. SarganS sollten zwar be- 
rechtigt sein, Vaduz wieder einzulösen, sie machten aber nie- 
malS von diesem Rechte Gebrauch. Der Glanz deS HauseS 
Montfort war übrigens in Bezug auf alle seine Linien ziem- 
lich gesunken. Die v. Feldkirch waren ausgestorben und von 
der Linie Heiligenberg lebte noch Graf Albrecht der Aeltere v. 
Pludenz, der aber seine Güter an Oesterreich verkauft und sich 
nur den lebenslänglichen Genuß derselben vorbehalten hatte. 
Die Brüder Rudolf von Werdenberg und Hugo v. Rheinegg 
hatten ihre väterlichen Güter theilS verkauft, theilS waren sie 
durch Gewalt in die Hände der Herzoge von Oesterreich ge- 
kommen. Den Söhnen des Grafen HanS von Werdenberg- 
SarganS blieben bloS ihre oberrätischen Besitzungen, selbst Sar- 
ganS mußte verpfändet werden. Da war eS begreiflich, daß 
an eine Einlösung von Vaduz nicht gedacht werden konnte 
Ulrich Thüring von Brandis war Rath und Diener der 
Herzoge von Oesterreich. Er tritt daher in unseren Gegenden 
nur selten auf. Desto wichtiger ist für unsere Geschichte dessen 
Bruder Wolfhard von Brandis. Da er nebst seiner Stamm- 
Herrschaft Brandis und 4 andern Herrschaften in der Schweiz 
Vaduz, Blumenegg u. später auch Schellenberg in einer Hand 
vereinigte, so gehörte er zu den mächtigsten Herren unserer Ge- 
gend. Aber schon mit den Enkeln Wolfhards erlosch das Ge- 
schlecht der Herren v. Brandis. Die Sage erzählt, es sei der 
Fluch, den ein Familienvater, welcher durch die Härte eines 
Herrn v. Brandis zur Verzweiflung gebracht wurde, über daS 
Geschlecht ausgesprochen habe, Schuld gewesen, daß die Frei- 
Herren v Brandis von ihrer Stammburg weggezogen und so 
bald darauf ausgestorben seien. Diese Sage lautet so: Als 
gerade Thauwetter einbrach und die Wasser anschwollen, fiel 
eS einem Herrn v. Brandis ein, durch eine Jagd sich zu be- 
lustigen, und er bot seine Leute dazu auf, darunter den Herr 
schaftSmüller, welchem feine Frau gerade ein Knäblein geboren 
hatte. Dem Hause deS MüllerS drohte vom Wasser große Ge- 
fahr. Der bekümmerte Vater bat daher dringend, ihn unter 
diesen Umständen vom Jagddienste zu befreien. Der Herr aber 
blieb unerbittlich. Als der Mann von der Jagd zurückkehrte 
und von der Anhöhe aus sah, wie sein HauS mit Weib und 
Kind fortgeschwemmt war, stürzte er sich unter schrecklichen Der- 
wünschungen ebenfalls inS Wasser. Von Stund an floh die 
Ruhe aus der Burg Brandis und die Herren zogen aus dem 
Emmenthal hinweg nach Cburrätien. 
Wolfhard war auch Bürger der Stadt Bern, allein das 
herrenfeindliche Wesen der Berner gefiel diesem Miede eineS 
adelsstolzen Geschlechtes nicht. Später ließ er sich auch in daS 
Landrecht von Schwpz und Glarus aufnehmen, trat aber zu* 
Heich Hem schwWschenLldMbunde bei Dadurch gerieth er in 
eine heikle Doppelstellung, die ihm manche Nachtheile einbrachte. 
Während seiner Regierung entwickelten sich nämlich Kämpfe 
zwischen Adel und Volk, die besonders auch unsere Gegenden 
berührten und mit großer Heftigkeit geführt wurden. 
Baduz, den 7. Dez. Herr LandeSverweser von Hausen 
ist heute nach Zwöchiger Abwesenheit von Wien hier wieder 
eingetroffen. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Im deutschen Reichstag hat sich anläßlich 
der Mrathung deS Etatstitels für den BundeSrath eine äußerfl 
hefttge Scene zwischen dem Reichskanzler und dem Abgeord- 
neten Jörg abgespielt. 
Der Abgeordnete Jörg kritisirte in heftiger Weise die Po- 
litik des Reichskanzlers, und fragt an: ob der Bundesraths- 
auSschuß für Auswärtige Angelegenheiten funktionire, worin 
Bayern den Vorsitz führen solle. Er vermisse dessen Mitwir- 
kung bei allen wichtigen Fragen, besonders in der spanischen 
JnterventionSfrage, wo die Mitwirkung deS Ausschusses dem 
Reichskanzler das Fiasko durch die Absage Rußlands vielleicht 
erspart hätte. Fürst Bismarck erklärt: Der BundeSrathSauS- 
schuß für auswärtige Angelegenheiten bestehe; derselbe erhalte 
alle wichtigen Depeschen mitgetheilt, und trete so oft zusammen 
als d?r bairische Vorsitzende denselben zusammenrufe. Bor 
keiner Bundesregierung werde etwas verheimlicht; die in JorZS 
Rede enthaltene Verdächtigung als ob die Rechte der Bundes- 
staaten von deren Vertretern im BundeSrathe nicht genügend 
gewahrt würden, müsse er entschieden zurückweisen. Von einer 
Intervention in Spanien sei keine Rede gewesen. Als er (der 
Reichskanzler) die Ermordung des Hauptmanns Schmidt er- 
fahren, habe er sich gesagt, daß solches einem englischen oder 
französischen oder amerikanischen Unterthanen nicht paffirt
	        

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