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kommen, dessen Rückkehr er auch erwarten zu dürfen bitte, da
sie ja, wie ihm die Dienerschaft mitgetheilt, bald erfolgen solle.
Emma und Julie waren mit dem gesellschaftlichen Um-
gangStone nun wohl vollkommen vertraut, aber augenblicklich
befanden sie sich in der äußersten Verlegenheit, denn sie hat-
ten noch keinen Begriff davon, für wen und waS fie den ver-
kappten Lieutenant ausgeben sollten; die Situation desselben
erschien ihnen jetzt nur noch verschlimmert.
Zuerst faßte sich wieder die kleine Louise, die, nebenbei ge-
sagt, auch ein besonderer Liebling des Generals v. Rosen-
stern war.
„Liebe Emma," sagte sie halblaut zu ihrer Schwester,
„willst Du den Herrn General nicht uyjerer guten alten Tante
Rosalie vorstellen?"
Sie deutete dabei auf daS Sopha und der Genera,l fuhr
zusammen, denn er bemerkte jetzt erst die vierte Dame im Zun*
mer; er glaubte sich beinahe einer UnHöflichkeit gegen sie schul-
dig gemacht zu haben; dabei stutzte er doch darüber, daß er
im Hause seines alten Freundes noch eine Verwandte traf,
von der noch niemals vie Rede gewesen war.
„Tante Rosalie," erläuterte der Backfisch, während der Ge
neral sich rasch dem Sopha näherte und da ihr die betroffenen
Schwestern nicht sogleich zu Hilfe zu kommen vermochten, „ist
nämlich Papa'S Schwester und gestern erst hier aus Besuch
eingetroffen. Sie ist ziemlich taub, Herr General, kennt Sie
aber schon ganz gut) da in unserem Hause so viel von Ihnen
gesprochen wird."
Der General machte sein verbindlichstes Kompliment vor
der Dame, die sich hinter dem Tische nur halb erhob und in
recht altmodischer Form knixte Warum sie im Fanuliensalon
den Schleierhut auf dem Kopfe behalten hatte, war nicht recht
begreiflich, aber vielleicht war sie soeben erst von einem AuS-
gange zurückgekehrt oder wollte einen solchen noch machen.
„Meine Gnädigste," begann der General mit einer zweiten
tiefen Verbeugung, „gestatten Sie mir, mich als einen alten
und, wie ich behaupten kann, aufrichtigen Freund Ihres Vru-
ders vorzustellen; ich darf deshalb wohl auch von Ihrer Seite
auf einen freundlichen Willkomm in Bomsfelde zählen."
Tante Rosalie verbeugte sich nur stumm und rückte dann
unruhig auf dem Sopha hin und her, als wollte sie verhindern,
daß der Alte sich neben sie niederlasse.
„Die gute alte Tante ist taub," zischelte der Backfisch dem
General noch einmal in die Ohren; „sie versteht Sie wohl
nicht recht."
„O, ein sehr bedaurungSwürdigeS Gebrechen!" meinte der
Alte, der sich in ziemlicher Verlegenheit befand; „die gnädige
Frau —"
Noch Fräulein Herr General, aber fie ist verlobt und will
sich nächstens verheirathen."
Diebeiden älteren Schwestern blieben fast starr bei LouifenS
Frechheit, aber der kleine Kobold hatte der Situation schon die
heitere Seite abgewonnen und belustigte sich ungemein daran,
wie e6 schien.
„Mein gnädiges Fräulein," schrie der General mit wahrer
Löwenstimme, „ich bin vielleicht der ältM Freund JhreSHerrn
Bruders!" >
„Sehr verbunden!" murmelte die Tante, machte abermals
eine Verbeugung.
„Ich freue mich unendlich, ein neues Mitglied der werthen
Familie kennen zu lernen!"
„O bitte, nicht Ursache!"
„Gott verd— mich! sie ist wohl stocktaub," flüsterte der
General Louisen zu.
„Zu Zeiten leider, ja."
„Ihr Herr Bruder war gewiß höchst erfreut über ihre An-
kunst, meine Gnädigste ? — ES ist mir sehr angenehm, daß
der Zufall auch mir daS Glück verschafft, Sie begrüßen zu
dürfen!" — Wer daS stocktaube alte Frauenzimmer jetzt noch
heirathen will, muß bei Gott horntoll fein, fetzte er bei
sich selbst hinzu.
Die Tante verbeugte sich wieder stumm.
„ES sollte mir unendlich leid thun, wenn ich Sie in Ihrer
Absicht gestört hätte, noch einen Ausgang zu machen; ich bitte,
sich durchaus nicht zu geniren, denn ich kam eigentlich nur
wegen geschäftlicher, dienstlicher Angelegenheiten zu Ihrem Herrn
Bruder."
Ja, die Tante wäre gern von der Schaubühne verschwun-
den, aber sie war an den Beinen nicht danach kostümirt, um
sich erheben zu können.
„Bitte, bitte!" lispelte sie nur.
Dem General begann schon der Schweiß auf die Stirne
zu treten; er ahnte nicht, daß derselbe über vie der guten alten
Tante schon in großen Tropfen niederrieselte. Unhöflich wollte
er um keinen Preis sein, sah aber doch die Unmöglichkeit ein,
mit ver Stocktauben eine Unterhaltung fortzuführen. Er
wandte sich deshalb an die jungen Mädchen und unterhielt
sich mit ihnen in sehr gespannter Weise so gut als möglich ;
wenn er von Zeit zu Zeit wieder einmal das Wort an die
Tante richten zu müssen glaubte, so erhielt er stets nur ein
unverständliches Murmeln oder ein „Bitte, bitte!" zur Ant-
wort.
Mittlerweile war eS im Salon so dunkel geworden, daß
man sich auch dadurch genirt fühlen mußte.
Der General, dem so wie so schon recht unheimlich ge-
worden war, äußerte dies endlich.
„Ach verzeihen Sie, Herr General," warf Louise sofort ein,
„die gute Tante ist nicht allein ziemlich taub, sondern auch
noch mehr lichtscheu."
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: Dr. Rudolf Schädler'.
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 20. Nov.
Der halbe Metzen
beste
1 mittlere
geringe
st
kr.
st
kr
st
kr
Korn
3
40
3
15
3
05
Roggen ....
2
80
2
60
2
50
Gerste
2
70
2
50
2
30
Türken ....
2
80
2
50
2
20
Hafer |
1
70
1
60
1
50
Thermometerstand nach Reaumur in Baduz.
Monat
Morgens! Mittags
7 Uhr j 12 Uhr
Abends
6 Uhr
W i t t e r u n g.
Nov. 18
+ 2 %
+ 2
+ %
trüb,Ndst.Schn.Rg.
„ 19.
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Telegrafischer Kursbericht von Wien.
25. Nov. Silber . . . . 105.25
20-Frankenstücke ....... 8.90
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
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