König nahen dürfen, wobei sie noch die Hände wie in An
dacht gefaltet halten müssen. Ebenso muß jeder Edelmann
vor einem im Range Höherstehenden sich geberden, und wäh
rend der ganzen, wenn auch noch so langen Unterredung in
der keineswegs bequemen Position verharren. In der Pro-
clamation erklärte nun der König: er fei durchaus überzeugt,
daß kein Land gedeihen könne, wo solche Kriechereien und
Menschenanbetung existiren, und er wünsche die Menschen mehr
auf gleichem Fuße zu sehen, so daß der ärmste Unterthan im
Reiche die Sicherheit haben sollte, gleiches Recht wie der Reiche
zu genießen. Während der Verlesung dieses EdictS blieben
alle anwesenden 400 Simnesen auf dem Boden, wie üblich,
liegen, sprangen indessen, als der König geendet hatte, auf
und versuchten ihr möglichstes, um eine' europäische Verbeugung
zuwege zu bringen. Es schien ihnen nicht sehr wohl dabei zu
Muthe zu sein, und man konnte vielen ansehen, daß sie ordent-
lich erschreckt waren, sich in einer solchen verrätherischen Stel-
lung dem König gegenüber zu sehen. Hierauf hielt der Re-
gent eine Ansprache, in welcher er den jungen König lobte,
ihm aber keineswegs schmeichelte, sodann für die oben erwähnte
Abschaffung der knechtischen Huldigungsweise dankte, und mit
den Glückwünschen endigte, denen der brittische Consul und die
Vertreter der meisten andern europäischen Nationen sich an-
schlössen. Der König zog sich hierauf unter gräßlicher Musik
zurück. Am Abend hielt der König in einem prächtigen, im
europäischen Styl erbauten Saal einen Empfang ab, und un-
terhielt sich sodann mit den Fremden. Viele ausländische Of-
ficiere waren überaus erstaunt, einen so gebildeten Monarchen
und Hof in einem von den meisten für halbbarbarisch gehalte-
nen Land anzutreffen. Wie man sagt, ist es mehr als wahr-
scheinlich, daß der König, wenn erst die Regierung gründlich
befestigt ist, eine Reise nach Europa unternehmen wird, von
der man sich, wie man den König kennt, sehr viel gutes ver-
spricht."
Verschiedenes.
* Seit Kurzem macht in Belgien die Erfindung eines
Herrn LouiS RaymarkerS großes Aufsehen, welche darin besteht
gewöhnliche Erde vermöge eines überaus einfachen und bil-
ligen Verfahrens in ein treffliches Brennmaterial zu verwan-
deln. Die Komposition ist: „5 Körbe Erde, 1 Korb Stein,
kohlen, für 70 EenttmeS Sodaasche, aufgelöst in warmem
(Nicht gekochtem) Wasser. Der neue Brennstoff brennt nicht
nur dann gut, wenn man ihn auf Helles Feuer legt, sondern
wir haben auch mit eigenen Augen gesehen, wie der Erfinder
den Ofen in unserem Bureau mit etwas Stroh und Holz und
seiner Kohle heizte."
Aus Tournai wird gemeldet: „Seit 3 Tagen ist ein gan-
zer Berg * Erde verbrannt und enorme Quantitäten Salz
sind von den Kaufleuten verkauft worden. Die Armen gehen
vor die Stadt und füllen ihre Schubkarren voll." In Tour-
tun ist bereits das Verfahren RaymarkerS durch ein neues er-
setzt, welches nach einem Herrn Laronde benannt wird. Statt
der Sodaasche wird rohes Kochsalz angewendet, und nicht nur
kommt dies billiger zu stehen, sondern die Flamme ist auch
lebhafter und heller und der schlechte Geruch, den das Soda-
salz beim Verbrennen im offenen Feuer verursacht, wird ver-
mieden. Mit diesen wunderbaren Wirkungen der Sodaasche,
refp. deS Kochsalzes, hat es aber noch nicht sein Bewettd.
„Mehrere unserer Abonnenten," schreibt die „Union liberale"
von Verviers, „haben daS neue von unserem Korrespondenten
verkündete Beleuchtungsverfahren versucht und sehr befriedigende
Resultate erzielt. Sie verfuhren dabei folgendermaßen: 30
Gramm pulv. Sodaasche lösten sie in einem halben Liter Re
genwasser , welches mit 7 Tropfen Naphtha versetzt war,
auf und füllten damit ihre Lampe; diese brannte 7% Stunden
mit ebenso Hellem und weißem Lichte, wie daS von Petroleum."
* Der Finanzkrach in New-Bork und in den indu
striellen Städten Amerikas hatte anfänglich auf die Stickerei-
und andern Industriezweige einen drückenden Einfluß ausgeübt.
Die Sachlage scheint sich aber wieder günstiger zu gestalten,
denn in den letzten Wochen besuchte ein Hr. Oppenheim von
New-Iork die Stickereietablissemente der Stadt St. Gallen,
und hat von fertigen Stickereien bedeutende Ankäufe gemacht, .
baai? bezahlt und nach New-Iork geliefert. Es ist dieß ein
Zeichen, daß der Bedarf an diesen Artikeln in Nordamerika
sich wieder einstellt. Die Befürchtung einer Überproduktion
an Stickerei-Artikeln, und Lagerüberfluß ohne Absatz scheint da-
her nicht begründet.
* Ueber die Verbesserung des BrodeS, wodurch eS einen
feineren Geschmack erhält , schreibt der „Cultivator": Zu die-
fem Zwecke wird die Kleie (Krüfch), die man vom Müller mit
dem Mehl ^zurück erhält, etwa eine Viertelstunde im Wasser
gekocht, unter beständigem Umrühren. Hierauf wird daS Ganze
durch ein Tuch geseihet und die Kleie in demselben auSgewun-
den. Man bedient sich nun dieses Wassers zum Anmachen
deS TeigeS, wodurch das Gewicht deS BrodeS um einen
Sechstel vermehrt und dasselbe viel schmackhafter und nahr-
haster wird.
* Den größten und theuersten Ankenweggen, der wohl je
in Zürich gebacken wurde, erhielt nach der „Freit.-Ztg." Rüm-
lang zur Neujahrshelseten. Der dortige Müller bestellte bei
feinem Mehlkunden Hrn. Bäck Manz (Nachfolger der Gebr.
Hauck) an der Marktgasse einen Neujahrsweggen, „so groß er
einen backen könne." Da nahm der Bäck seinen Müller beim
Wort und brachte unter Anwendung von aller Sorgfalt und
eigens angefertigter Gerathe einen 45 Pfund schweren, durch und
durch gut gebackenen und nicht verbrannten Ankenweggen, zu
dem etwa 12 Pfd. Butter verwendet waren, unzerbrochen auS
seinem Ofen. DaS wohlschmeckende, etwa 7 Fußlange Monstrum
wurde auf Extragefährt nach Rümlang kutschirt und dem Mül-
ler sammt einer — äußerst billig gestellten — Rechnung von
36 Fr. überreicht.
Feuilleton.
I» bet Zwischeu-Etage.
Ein Drama unter „kleinen Leuten." Von R. B.
(Fortsetzung.)
Ob und was Friedrich für Lisetten fühlte, toc~ für die Köchm
ein Buch mit sieben Siegeln. Die Verschlossenheit ihres Amo-
roso, seine Unnahbarkeit und sein immer gleichbleibender Ernst
durchbohrten fast das Herz der ältlichen Feuerdame, und sie war
nicht im Stande, mit aller Aufmerksamkeit, aller Verschlagenheit
und List, die ihr zu Gebote standen, den Jäger zu durchschaue«.
Nebenbei bewachte Jungfer Huldebrand Lisetten mit Argusaugen.
Schon oftmals hatte sie versucht, die gefährliche Nebenbuhlerin aus
dem Hause sortzudiplomatifiren, allein alle ihre Künste scheiterten
an einer ihr unerklärlichen Vorliebe der Gräfin gerade „für diese
Heuchlerin, für diese weiße Schlange." Jungfer Huldebrand be-
lauerte auch jeden Blick ihres Auserkorenen mit unendlicher Zähig-
keit und Ausdauer; ihr Sorgen blieb indeß vergeblich, der Jäger
zuckte nicht mit einer Wimper nach Lisetten hin, und verrieth nicht,
was in seinem Herzen vorging: die aufrichtigste innigste Liebe
zu dem bleichen Kammermädchen. Ob nun der Jäger aus Furcht
vor der Rache der Köchin dies Lisetten so verborgen hielt, ob
er in seiner nachdenklichen Art und Weise auf einen günstigen
Zeitpunkt rechnete, um sich Lisetten zu erklären, ob er erst sichtbare
Zeichen der Neigung von seiner Auserwählten erwartete, bis er
mit seinem Geständniß hervorzutreten sich getraute — ich weiß
es nicht. Etwas aber ist mir bekannt, was sehr wohl diesen höchst