Liechtensteinische
Zweiter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 44.
den 30. Oktober 1874.
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Vaterländisches.
(m) Bilder aus der vaterländischen Geschichte.
29. Kulturzustände.
(Fortsetzung.)
Auch in Churrätien gab eS ritterliche Sänger Eberhard
und Heinrich von Sax dichteten manch schönes Lied, Rudöls
von Ems ein Dienstmann des Grafen von Montfort verfaßte
ein größeres Gedicht, wie der Mönch von Barlaam den Kö-
nigSsohn Josaphat zum chiristlichen Glauben bekehrte und viel
Anderes. Er war für einen Ritter gelehrt, konnte lesen und
schreiben und verstand französisch und lateinisch. Heinrich von
Veldkirch, auS einem angesehenen Geschlechte, daS dem Stifte
zu Chur mehrere Domherrn lieferte, sang gar liebliche Lieder.
Auch daS Geschlecht unserer jetzigen Landesfürsten hatte da-
malS ein Glied, welches sich in der Dichtkunst auszeichnete. ES
ist dies Ulrich von Liechtenstein. Zn seinem Hauptwerk, daS
er 1255 vollendete besingt er sein eigenes bewegtes Leben.
In diese Zeit fällt auch die Entstehung und Ausbildung
des sogenannten gothischen Baustiles, der von da an bis zum
16. Jahrhundert in ganz Europa, Italien theilweise auSge-
nommen, der herrschende blieb und in neuerer.Zeit mit Recht
wieder geschätzt und bewundert wird. ES ist daS jener Styl,
dem die herrlichen Dome und Münster von Köln, Straßburg,
Freiburg, Ulm ze. angehören, welche ein jeder der Leser zwei-
felSohne wenigstens in Abbildung gesehen und angestaunt hat.
Wir können hier nicht auf die Bedeutung u. den Sinn dieser Bau-
art näher eingehen, nur seine Entstehung sei kurz erwähnt. Der
Styl verdankt seinen Ursprung dem Aufschwung, welchen die gothi
sche kirchliche Baukunst seit dem 11. Jahrhundert nahm und er
wurde daher auch zuerst an Kirchenbauten angewendet
und an diesen ausgebildet. Bisher hatte man sich in Bezug
auf Kirchen meist noch dem Buustyle der alten Römer ange-
schloffen. Man kannte nur den Rundbogen und nur auf zwei
Wandflächen ruhende, gleichmäßig fortlaufende sogenannte
Tannengewölbe. Von einem auf Mathematik und Physik ge-
gründeten Bauplan wußte man noch nichts. Bei dem Auf-
schwung welchen nun die Wissenschaften, insbesondere die Ma-
thematik nahmen, wurde dies anders. Letzte Wissenschaft wurde
besonders durch den gelehrten Gerbert gefördert, der Erzieher
des Kaisers Otto III. war und unter dem Namen Silvester II.
(999) Papst wurde. Er brachte eS dazu, daß das Bauhand-
werk nun Baukunst wurde. Auf der von ihm gelegten Grund-
läge baute man fort und so entstand der gothifche Baustyl. Man
wendete nämlich später statt deS Rundbogens den Spitzbogen
an und kam sodann auf den glücklichen Gedanken die Gewölbe
durch Rippen abzutheilen und so den Druck nicht aus die
ganze Wandfläche, sondern nur aitf einzelne Pfeiler und Säulen
zu lenken. So bekam daS Gewölbe eine schöne Gliederung,
große reichverzierte Fenster konnten angelegt werden, die Spitz-
bogen und die schlanken mit Thürmen verzierten Pfeiler gaben
dem Baue den Charakter deS AufstrebenS und die wachsende
Fertigkeit der Steinmetzen bildete die Ornamentik zu immer
schöneren Formen aus. Anlage und Eintheilung, sowie alle
Theile deS BaueS, selbst daS Laubwerk und die Thiergestalten
hatten ihre symbolische Bedeutung. So wurde ein solcher
Bau ein vollendetes Kunstwerk. Wo die Verhältnisse es er-
heischten, wie auf dem Lande, baute man einfach aber immer
mit Geschmack und solid. Surrogate, Scheingewölbe zc., wie
sie unsere Zeit liebt, waren den damaligen Baumeistern fremd.
So waren auch die Landkirchen einfache aber schmucke Bauten,
die da uvd dort noch jetzt erhalten find und einen wohlthuen-
den Gegensatz zu späteren geschmacklosen Werken bilden. In
unserm Lande hat sich in dieser Beziehung nie gerade besonders
Großartiges befunden, auch ist nur weniges erhalten geblieben.
Zu den noch vorhandenen Resten- der Gothik gehören besonders
die zwei Altäre und mehrere Bilder in der Schloßkapelle zu
Vaduz, ein kleiner Altar in St. Peter in MelS und der Chor
der Kirche zu Bendern. Hn neuester Zeit hat die Großherzig»
keit Sr. Durchlaucht uADMnde- d-urch die neu erbaute Kirche
in Vaduz ein schönes M^^Mgothischer Baukunst gegeben.
>e Rundschau.
Deutschland^^^Drovinzialkorrespondettz" meldet die
erfolgte Einberufüng^W Reichstages zum 29. Oktober, wel-
chen der Kaiser in Person feierlich eröffnen werde. Als Auf-
gaben des Reichstags werden die Feststellung deS ReichSetatS
sowie die Berathung der großen Justizgesetze und eineS B'aM
gesetzes namentlich bezeichnet. " "
Oesterreich Beide Häufer des Reichsraths haben mt*
20. Oktober ihre Sitzungen wieder ausgenommen. In Her
ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses hat die Regierung das
Budget für 1875 vorgelegt, welches Fmanzminister PretiS
mit einer längeren Auseinandersetzung begleitete.
Minister Dr. Stremayer hat in der kleinen steirifchen
Stadt VoitSberg eine bemerkenSwerthe Ansprache an seine
Wähler gehalten. „In der Thätigkeit der gegenwärtigen Re-
gierung — sagte er u, a. — kann man drei Hauptabschnitts
unterscheiden, den Verfassungsabschnitt, den konfessionellen und
den wirtschaftlichen. Der erste war gekennzeichnet durch ble
Einführung der direkten ReichSrathSwählen; ihr verdanken
wir erst die EchajsunA/eines eitlheitlichen BertretungSkörpers
gegenüber der ReptäWanz von 17 Landtagen, welche bei
alleur 'guftifr'M'Ken' taum ErsprichlicheS für die Gesamcktheit
zu lei|i;!^ daS konfessionelle Gebiet "anW
längt/M MWchM' sich die Bewegung auf demselben W