Zweiter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Hr. 43.
den 23. Oktober 1874.
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Vaterländisches.
(m) Bilder aus der vaterländischen Geschichte.
(Fortsetzung.)
28. Kulturzustünde.
Bevor wir die Geschichte unseres Landes und seiner Herren
fortsetzen, wollen wir noch einen Blick auf die allgemeinen
Verhältnisse werfen, wie sie daS 12. und !3 Jahrhundert mit
fich brachten. Diese Zeit war die eigentliche Glanzperiode deS
Ritterthums. Da treten denn auch die guten und bösen Seiten deS-
selben entschieden hervor und wie in Europa überhaupt bewegt
sich in dieser Zeit auch in unserer Gegend die Geschichte vorzüg
lich um das Leben und Treiben des AdelS. Die Chroniken
erzählen uns da zumeist von ritterlichen Spielen und Aben
teuern und von den blutigen Fehden, aber auch von den from
men und wohlthätigen Stiftungen der Burgherren. Hochher-
zigkeit, Thatkrast und Kampfeslust in ihren edelsten Erfchei-
nungen, aber öfter auch zur wildesten Rohheit und Grausam-
keit entartet zeigten sich beim Adel Die Religion konnte zwar,
wie dieS in den menschlichen Verhältnissen liegt, nicht alle
Uebelstände beseitigen und verhüten, machte aber einen wohl-
thätigen Eindruck auf allen Gebieten geltend. Insbesondere
gab sie dem Verhältnisse deS Unterthanen zum Herrn eine
Weihe, wodurch die Verletzung der Unterthanenpflichten auch
als religiöses Verbrechen erschien. Erst als manche Herren
despotisch auftraten, empörte sich dort das Volk und ließ sich
zu frevelhaften Angriffen auf die Rechte feiner Beherrscher ver-
leiten. In Folge solcher einzelner Erscheinungen stellt man
sich gerne die Herren dieser Zeit im allgemeinen als Tyrannen
vor. Dabet irrt man sich sehr, denn gar viele Herren sorgten
väterlich für daS Wohl deS Volkes. Die Geschichte spricht
eben meist nur von Kriegen und Streitigkeiten, nicht aber von
dem stillen Wohlthun und den Thaten des Friedens.
Neben dem Adel bildete sich nun in den Städten das
Bürgerthum auS. Die Städte waren oft ganz frei von je-
dem Herrn und nur dem Kaiser untergeben, oder sie genossen
manigfache Privilegien. Die Lebensweise war zu dieser Zeit
noch sehr einfach. Nur die Burgen und Kirchen waren mit
Mauerwerk aufgeführt, die Häuser der Landbewohner und sogar
meist auch der Stadtbürger waren von Holz und vielfach nur
tfneh Stock hoch. Darum gab eS auch viele FeuerSbrünsie.
Die Hauseinrichtung enthielt nut das Nothwendigste, als
Lagerstätte diente oft nur der nackte Boden.
Der Ländbau wurde besonders durch die Klöster gepflegt
und gefördert jund viele Strecken Landes die bisher noch un-
kultivirt geblieben waren, wurden jetzt urbar gemacht.
Die Wissenschaften nahmen jetzt einen bedeutenden Auf-
schwung, besonders durch die neuen Orden der Franziskaner
unw Dominikaner. Die um diese Zeit ins Leben gerufenen
Un^ersitäten zählten oftMele Taufende von Sch ülern. Selbst
die Äatürwissenschaften.WMN'.von' einzelnen, wie von Alber-
WS Magnus aber war dies die Blüthe
deA Theologie. 1
Wie Poesie nahm zu .Zeit eine ganz eigent hümliche
Gestalt an. Kaiser schreibt Wer sie besonders in Bezug auf
unsere Gegend: „Die seltsamen Abenteuer, welche die Ritter
bestanden, bildeten den Inhalt der Gesänge und Erzählungen
oder Romane, welche von fahrenden Sängern vorgetragen
und in größern und kleineren Kreisen mit Liebe und Theilnah-
me vernommen würden. Sie förderten die Ausbildung der
Muttersprache und besonders war das Schwabenland (wozu
auch uns«!* Gegend gerechnet wurde), reich an solchen Sän-
gern und die schwäbische Mundart wurde vor allen auSge-
bildet. Solche ritterliche Abenteuer erzählt Thomas Lyrer von
Rankweil von dem Grafen Albrecht von Werdenberg und
einem Grafen von Montfort. Graf Albrecht kam nach Por-
tugal. besuchte den Berg Sinai und Jerusalem und nach vie?
len Abenteuern vermahlte er sich mit Elisa, der Tochter deS
Königs von Portugal, die er entführte. Als er auf der
Heimkehr nach Salzburg kam, ließ er dem Jaköb von Alt-
statten, der während seiner Abwesenheit seine Güter verwaltete
wissen: Er solle in Werdenberg alleS wohl herrichten, ihm
60() Pferde, 32 Frauenwägen und 80 bis 1W Speisewagen
entgegensenden. So kam Albrecht nach Werdenberg. Elifä
gebar ihm einen Sohn, den er dem Großvater nach Portügoil
sandte; er suchte ihn zu so versöhnen. Ein Vetter AlbrechtS,^
ein Graf von Montfort, zog ebenfalls auf Ritterschaft, küm
weit nach Asien hinein bis Kathay. Die Frau des Beherri
scherS von diesem Lande war der Untreue angeklagt; die Sache
sollte durch einen Zweikampf entschieden werden. Der Graf vön
Montfort focht für die Unschuld der Königin, siegte im Zwei!-
kämpf und erhielt zum Lohne daS Tuch darin Christi Leiche
nam war gelegt worden. Der Graf brachte die Reliquie an
den Hof deS Herzogs von Savoyen. Da blieb das Auch;
An solchen Geschichten und Sagen von alten Helden ergötzten
sich die Edeln " (Fortsetzung folgt.)
Baduz, 19. Oktober. Am 14. dS. ereignete sich in un-
ferem Gebirge ein äußerst bedäuernSwettheS Unglück. ! ^
Zwei „Wilderer" von Triesenberg (Ferdinand Seele von
Rothenboden und ein Sohn deS Jofe| Beck im Winkel)
wollten mit ihrer Jagdbeute Abends gegen 7 Uhr eben dey
Grath oberhalb der Alp Cafflei passieren, a?S sie dort plötzlich
von dem fürstl. 'Forstadjunkten Johann Hartmann angehalten
wurden. Im Momente, als sie auf den Ruf „Halt" vieFlüH
ergiffen, fiel von rückwärts ein Schuß auf sie, der den 24jäh-