159
tüchtig zu machen. Die Deutschen machen in unserer Men na-
tionalen Beschäftigung einen neuen Anfang, der viele Vortheile
bietet. Weder vom wissenschaftlichen noch vom wirtschaftlichen
Standpunkt auS betrachtet ist England in der Lage, mit Ge
ringschätzung auf die Erfahrung zu blicken, welche sie auszu-
weisen haben, und eS ist zu hoffen, daß die Mittheilung dieser
Erfahrung eine bereits wohlbegründete Gemeinschaft nationaler
Ziele und Interessen noch weiter fördern wird."
Die österreichische Nordpolexpedition.
Bei der Begrüßungsfeier in der geographischen Gesellschaft
in Hamburg haben die beiden Nordpolfahrer Weyprecht und
Payer sehr interessante Vorträge gehalten, die wir einer Mit«
theilung der Wiener „Presse" wie folgt entnehmen:
Weyprecht, stürmisch begrüßt, dankte zuerst für den Em-
pfang der ihm und seinen Genossen in Hamburg geworden,
und fuhr dann fort: Wie bekannt war das Jahr 1872 be-
züglich der Eisverhältnisse ein äußerst ungünstiges. Gegenden
in welchen früher kein Stück Eis zu finden war und die voll-
kommen offenes Wasser hatten, waren vor zwei Jahren mit
Eis bedeckt. Schon 100 Meilen westlich von den Admirali-
tätöinseln, wo die See sonst eisfrei war, stießen wir auf die
EiSkättte. Dieselbe war zwar dünn aber fest, so daß wir
unser Fahrzeug nur mit großer Mühe durch daS Landwasser
durchzwängen und bis unter Nowaja Semlja gelangen konnten,
wo wir anfangs einige Tage im Eis lagen. Aber mit einem
Nordwestwind segelten wir dann im Landwasser nordwestlich.
Am 12. Aug. 1872 wurden wir vom Grafen Wilczek und
und Baron Stemegg auf dem „JSbjörn" begrüßt. Wir segelten
hierauf am 13. August in guwettheiltem Eis, bis am nach-
sien Morgen unser Schiff im Eis festlag. Wir hielten uns
8 Tage unter dem Schutz eines kleinen Kaps bei der Baren-
Insel. Ein frischer Südwestwind trieb das Eis so, daß das
Wasser um unS bald besetzt, bald offen War. Am 21. Aug.
traten wieder Veränderungen ein. Wir nahmen vom „JSbjörn"
Abschied, der in östlicher Richtung abfuhr. Nachmittags ge-
riethen wir in eine große Wacke, in der wir bis Mitternacht
steuerten. Dann schloß ein Ostwind das Eis. Der Wind
fiel, und das Schiff wurde mit Eis besetzt. Wir waren mit
Wissen und Willen im Eis geblieben, da wir die trotz ungün«
stiger klimatischer Verhältnisse gewonnenen zwanzig Seemeiten
nicht verlieren wollten, und hofften östliche Winde würden daS
Eis wieder öffnen. Statt des erwarteten Ostwindes traten
aber Windstille und bedeutende Schneefälle ein: die Temperatur
sank, auö dem losen Eise wurden EiSmassen, in denen wir
drei Wochen festgehalten word.en sind. Am 9. Sept. brachen
die Eismassen auf; ein frischer Nordwind trieb die Eisfelder
und in? einem derselben den festgefrorenen „Tegetthoff" bald
o^wärts, bald westwärts. Bei dem fortwährenden Sinken der
Temperätur. war alle Arbeit das Schiff zu befreien, unnütz.
Anfatt^S Oktober begannen die Eispressungen. Die Eisfelder
trieben und stießen unter dem Einfluß deS Windes an einan
der; in südlicher Richtung .vorübertreibend, rieben sie die Kan
ten ab, und schoben sich über einander, wodurch Brüche ent-
standen und gebirgige Formationen sich bildeten. DaS Eis
feld, in welchem der ^Tegetthoff" eingepackt war, war dadurch
immer kleiner geworden und am 13. Oktober geborsten DaS
Schiff gerieth.dadurch in die größte Gefahr zerquetscht zu
werden. ES wurde durch unter den Kiel geschobene EiSmas
sen in die Höhe gehoben. Der Frost nahm mdeß immer mehr zu.
Die Zustände dauerten fünf Monate; wir kamen nicht
zur Ruhe. Bald fror daS Eis zusammen, bald öffneten sich
Sprünge und verursachten neue Pressungen. Da die Gefahr
wuchs, wurdAt Maßregeln zum zBerlassen deö Schiffes getrof-
fen. Aller Proviant wurde auf Deck und einiges auf daS
Eis gebracht, damit im Nothfall für kurze Zeit Nahrung vor-
Händen fei. Das Schiff wurde abwechselnd gehoben oder seit
lich geneigt. Die Unruhe und das Bewußtsein niemals in
Sicherheit zu sein, waren geradezu aufreibend. Inzwischen
wurden wir durch die Windströmungen stetS nördlich getrieben.
Ende Januar hatten wir den 73. Langegrad und 79 Breite-
grad erreicht. Hierauf ging die Bewegung wieder rückwärts,
und begann ein westliches Treiben. Im Sommer 1373 wurden 5
Monate auf vergebliche Bemühungen das Schiff aus dem Eise
zu befreien verwendet. Alles Arbeiten, Sägen, Sprengen und
Bohren war umsonst, ba um daS Schiff mächtige EiSmassen
waren Wir sabrizirten eigene Bohrer, da die mitgenomme»
nen Werkzeuge sich alS untauglich erwiesen. Endlich war der
Vordertheil deS Schiffes doch in offenes Wasser gebracht, aber
den rückwärtigen Theil zu befreien war unmöglich, da 30 Fuß
unter dem Kiel noch festes Eis lag. Im September waren
wir gezwungen die Arbeiten wieder einzustellen. Ende August
1873 wurde zum erstenmal neues Land gesehen. Die Freude
hierüber war eine außerordentliche denn bis dahin war die
Expedition erfolglos gewesen. Diese Landentdeckung war daS
erste greifbare Resultat deS monatelangen Herumtreibens. Wir
wurden, nach Norden gedrängt, an die Südküste einer Insel
angetrieben wo wir am Landeise festfroren. Mitte Oktober
war der 80. Grad erreicht. Dann wurden wir aber wieder
südlich getrieben, bis endlich das Schiff zu Ansang Novembers
vollkommen bewegungslos bei 79^ 51' nördlicher Breite und
58^ 56' westlicher Länge liegen blieb. Dort liegt das Sichff.
noch heute. Im Sommer schmolzen von der Oberfläche der
EiSmassen 4 Schuh. Dadurch gelangte des Schiff um 4
Schuh tiefer, ^so daß es Ende deS Jahrs 1873 nur noch aus
4 Schuh im Eise stack. ES lag aber auf der Backbordseite,
und mußten alle Masten gestützt werden damit eS nicht ken-
tere. ES wurde für die festen Instrumente eine Schneehütte
gebaut, und begann eine Serie höchst interessanter, metereolo-
gifcher, astromischer und magnetischer Beobachtungen. Die
Nordlichter waren zahllos und unbeschreiblich prächtig die
Herrlichkeit ihrer Farbenpracht und.ihres Farbenwechsels. Ihr
Feuer erglänzte weiß, grün und roth; Strahlenkranz, Bänder
und Kronen waren von ungeahnter Größe und Schönheit.
Die Magnetnadel war so gestört, daß sie gar nicht konstant
blieb, sondern Unruhe für sie Regel war. Die Beobachtun-
gen boten hinreichende Beschäftigung für den Winter. Im
übrigen verlief derselbe ruhig. Im nächsten Frühjühr 1874
begannen die Schlittenexpedittonen. Ende Februar wurde im
Offiziersrath nach Untersuchung deS Schiffes und Aufnahme
eines Protokolls die Verlassung des Schiffes beschlossen, so
lange die Mannschaft Kraft genug besaß die Gefahren und
Mühseligkeiten eines Rückzugs zu bestehen. Dieselben drohten
sehr groß werden. Die Vorbereitungen wurden mit aller Um-
sicht 'getroffen; drei Boote mit Zelten überdeckt, derart auSge-
rüstet, daß eventuell jedes allein bestehen könne. Sie wurden
auf Schleifen gesetzt, und jedes Boot mit 18 Zentner Provi
ant beladen. Am 20. Mai waren die Vorbereitungen been-
digt, und um 8 Uhr Abends wurde der Marsch angetreten.
Der Weg war fürchterlich. Wir mußten uns durch HamochS
durchwinden, im Schnee kriechen, Thäler zwischen Eisbergen
durchwandern, wobei oft einzelne eingebrochen sind. Die
Schlitten mußte man im weichen Schnee tragen und dabei auf
den. Händen und Füßen sich fortbewegen. Oft .sind die
Schlitten derart eingesunken, daß die Befreiung nur unter
dem größten Kraftauswande möglich war. Hiebet haben wir
furchtbar vom Frost gelitten. Jeden Weg mußten wir fünf
Mal machen, drei Mal Gepäck tragend, zwei Mal leer gehend.
Bei der größten Anstrengung wurde täglich nur eiste halbe
Seemeile zurückgelegt. Nach 14 Tagen, am 3. Juni, waren
wir nur 7 Seemeilen vom ^Tegetthoff" entfernt, hatten die
Grenze des FestlandeiseS erreicht, und Treibeis angetroffen, so
daß weder Boote noch Schlitten benutzbar waren. ES mußte
ein viertes Boot vom Schiffe geholt werden, so daß wir. erK