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der Gefängnißdirektor March, ver Kammerdiener Barnau und
zwei ändere Wächter freigesprochen.
DaS „Siöele" erhält, wie eS sagt, auS zuverlässiger Quelle
Aufschlüsse über den Stand der HeereSauSrüstung in Frank
reich und nimmt von denselben mit Befriedigung Akt. „ES
ist Befehl gegeben," sagt eS, „sogleich zu der Fabrikation
neuer Gewehre nach dem Modell von 1874 (System GraS)
zu schreiten." Diese Waffen sollen nur in den StaatSfabriken
hergestellt werden, die Privatindustrie hat an dem Unterneh-
men keinen Theil. Man berechnet, daß binnen einem Jahr
ungefähr eine Million neuer Gewehre angefertigt sein wird.
Erst dann wird die neue Waffe den Soldaten der aktiven
Armee in die Hand gegeben und auch die Reserve und Land-
wehr darin geübt werden. Man wird dann die ChassepotS
aus dem Dienste zurückziehen und nach dem System GraS
umwandeln. Frankreich besitzt gegenwärtig 1,800 000 Chasse
potS. Die Umwandlung wird ebenfalls ein Jahr in An-
spruch nehmen, so daß der KriegSminister, wenn man noch
200,000 Gewehre mitrechnet, die inzwischen fahn'zirt sein wer
den, Ende 1876 drei Millionen Gras-Gewehre mit einem
Borrath von 250 Metallcartouchen zu seiner Verfügung ha-
den wird. Von da ab wird die Fabrikation in normalen
Gränzen nach Maßgabe der ordentlichen HülfSquellen deS
Kriegsbudgets fortgesetzt werden. Hinsichtlich der Artillerie
ist man ebenfalls nicht unthätig gewesen. Frankreich wird
Ende 1875 494 Batterien mit je 6 Geschützen nebst guß-
eisernen Laffetten besttzen, die Geschütze 5- und 7pfündige
Hinterlader von Bronze. DaS System ist dasjenige der so-
genannten Reffye Kanone. Dieselbe hat sich vortrefflich be-
währt, „und man kann mit ihr, sagt daS „Siecke", „den Er-
eignissen ohne große Besorgnisse entgegensehen." Nichts desto-
weniger wird man schon im Beginne deS neuen JahreS den
Guß von Bronze-Kanonen einstellen und dafür Stahl-Kano-
nen nach dem System Lahitolle fabriziren. Der Stahl dafür
wird im Creuzot gewonnen. Die Stahl-Kanone Lahitolle
wird erst dann in Gebrauch genommen werden, wenn man
davon eine genügende Anzahl besitzt, um die DivisionS-Ar-
tillerie der achtzehn ArmeekorgS zu versehen, wozu also 144
Batterien erforderlich find.
Der Telegraph meldet den Tod deS greisen Guizot. Der-
selbe war geboren den 2. Oktober 1787 zu NtmeS. Der alte
Staatsmann und Schriftsteller lag seit Wochen unter der Last
der Jahre und Leiden auf dem Sterbebett, auf seinem An-
Wesen Val-Richer, von dem auch seit den letzten zwanzig Iah-
ren seine Publikationen datirt sind. Val Richon war kein
eigentlicher Herrensitz, aber eö war der stille Wohnsitz des
Gelehrten. 30000 Bände waren da aufgestellt. In an-
deren Ländern sindet man eS selten, daß ein Staatsmann in
der Weise der alten französischen und englischen mitten in der
Literatur steht. In dem Nachlasse soll sich eine interessante
Briefsammlung befinden.
Spanien. In einer Depesche aus Bayonne ist von
einem anerkennenden Schreiben des Kaisers von Rußland an
Don Carlos die Rede. Diese Nachricht bedarf noch sehr der
Bestätigung, sollte sie sich aber als wahr erweisen, vann dürfte
man allerdings der Weigerung Rußlands, das Regiment Ser-
rano'S anzuerkennen, ein größeres Gewicht beilegen, als eS
bis jetzt von offiziöser deutscher Seite geschehen ist, und eS
ließe sich daraus vielleicht aus dieser moralischen Unterstützung
auch der erhöhte Trotz erklaren, mit welchem Don KarloS na-
mentlich Deutschland gegenüber aufgetreten ist.
Türkei. Die Türkei rüstet gewaltig und der Großvezier
hat dem Sultan versprochen, ihm ein schlagfertiges Heer hon
800,000 Mann bereitzustellen. Die Festungen werden armirt,
Gewehre und Kanonen beschafft, die Flotte wird verstärkt,
kurz, eS wird Alles gethan, damit der Augenblick der Gefahr
die Türkei nicht unvorbereitet finde.
Volkswirthschastliches.
Vom Most und vom Moste«.
Zur Mostbereitung für den Hausgebrauch nimmt man in
der Regel verschiedene Sorten ObsteS wie man sie auf einem
Gute findet, da eS viele Sorten gibt, die nur in. Verbindung
mit andern mit Vortheil gemostet werden können. Nach dem
Zerkleinern auf der Obstmühle und nach dem erstmaligen AuS-
pressen deS TrasteS wird dieses zum zweitenmal? aufgeschüttet,
noch feiner gemahlen, in eine Gährstande, einen Zuber :c. ge-
than und daS nöthige Wasser angestellt, d. h. so viel, daß
keine Partie deS TrasteS trocken bleibt, noch sich erwärmen
kann. Durch ein 20* bis 24stündigeS Stehenlassen (bei war-
mem Wetter weniger lang als bei kälterem) des TrasteS am
Wasser, wird daS Stärkemehl in dem Traft in Zucker umge-
bildet, oder besser gesagt, diese Umbildung wird befördert, daS
Traft aufgelaunt und so eine Vermehrung des Quantums er-
zielt. Dieser Wasserzusatz — Ansteller — wirv durch ein
abermaliges Pressen vom Trester getrennt und zum Saft in
das Faß geschüttet. Daß durch einen mäßigen Wasseraufguß
auf die Trester und daS nachherige Zuschütten zum Safte
dieser selbst nicht schwächer, schlechter, sondern sogar gehalt-
voller wird, beweisen viele genau angestellte Versuche. So
zeigte in einem Falle der Sajt der Bergbirne vor dem Was-
serzusatz an der Oechstischen Mostwage 67 Grad und nach
der Zusetzung des „Anstellers" 72 Grad. Daraus geht klar
hervor, daß in den Trestern noch eine beträchtliche Menge lös
licher, zuckerbildender Stoffe zurückbleiben, die erst durch den
Wasseraufguß für den Most gewonnen werden.
DaS zum Mosten zu verwendende Obst muß zur Zeit der
Reife frisch vom Baume weg, oder nur nach kurzem Liegen-
lassen'gekommen werden. Bei den Trauben ist eS bekannt
lich umgekehrt, was die Qualität betrifft. Die Güte und
Haltbarkeit des Mosteö hängt namentlich von der Mischung
der Obstsorten ab, was jeder Thurgauer Bauer weiß. Soge-
nannteS Sommerobst, wie auch süße Aepfel, die in der Re-
gel fad schmecken, mischt man mit säuerlichen Aepfeln. Bir-
nen und Aepfel zusammen geben einen besseren Most wie
Aepfel allein.
Most ohne Wasserzusatz behandelt man wie Traubenmost.
Udl geistigen, dauerhaften Saft und Most zu bereiten, scheide
man süßeS Obst sorgfältig aus.
Einen großen Fehler begehen manche Mostbereiter damit,
daß fie vas Wasser, welches sie zusetzen wollen, ins Faß tra-
gen. Ich habe oben gezeigt, was der Wasserzusatz bewirkt,
wenn er an daS Trast kommt. Durch daS nochmalige Zerrei-
ben deS TresterS in der Mostmühle werden viele noch nicht
zerkleinerte Theile zerrissen und bloS gelegt. DaS Wasser
laugt fie auS, und Alles was drinnen ist, kommt zur Ber?
Wendung. DaS Stärkemehl wird in Zucker verwandelt, was
jeder daran merken kann, wenn er den Anstelle? nach etwg
24 Stunden kostet. Er schmeckt süß, und wo Rauch ist, da
ist Feuer.
Daß ich nicht von denen rede, die zur Zeit deS Mostend
alle Brunnen ausschöpfen und die armen Müller zur Ver
zweiflung bringen, indem jene den Mühlebach in die Mostfäs-
ser leiten, ist selbstverständlich. AuS nichts wird nichts und
Wasser allein thut'S nicht. (Schaffh. Jntellgbl.)
Verschiedenes.
* Gegen die Maul- und Klauenseuche wird fyl-
genyeS Mittel als vom besten Erfolge in Anwendung ge-
ibracht: Man nimmt nämlich Kirschwasser, Hyjüg und Zucker
und wäscht den Thieren damit Maul uyd Klauen sorgfältig