Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

weil nunmehr eine reiche Kartoffelernte in Aussicht ist und 
außerdem auch daS späte Grünfutter sich noch etwaS erholen 
wird. BiS jetzt scheint man kranke Kartoffeln noch nirgends 
beobachtet zu haben. Die heiße, trockene Witterung ist für die 
Entwicklung deS Pilzes/ welcher daS Wesen der Kartoffetkrank- 
heit ausmacht, nicht günstig, und eS steht zu hoffen, daß wir 
davon verschont bleiben. 
Württemberg. Württemberg weicht in der Produktion 
von Brodsrüchten von den übrigen Landern Europas ab, denn 
während in denselben der Weizen und Roggen als Hauptfrucht 
gebaut wird, spielen diese beiden Produkte in unserem Lande 
eine untergeordnete Nolle und werden durch Dinkel (Spelz) 
ersetzt. Angebaut waren i Mit Dinkel etwa 641,000 Morgen 
~ Feld, welche 6,057,800 Centner oder 15 % über eine Mittel 
ernte ; mit Weizen etwa 47,000 Morgen, welche 517,000 Ctr. 
oder 20 % über eine Mittelernte; mit Roggen etwa 130,000 
Morgen, welche 1,235,000 Centner; mit Gerste etwa 309.000 
Morgen, welche 3,625,000 Centner lieferten; hiervon ab für 
Brauzwecke 1,500,000 Centner, bleiben als Brodfrucht 1,125,300 
Centner oder 10 % über eine Mittelernte ; mit gemischterFmcht 
etwa 103,000 Morgen mit 1,133,000 Centner Ertrag oder 
Mittelernte, also Gesammtertrag in glatter Brodfrücht 10,06^,100 
Centner, also 10 % über eine Mtttelernte Der Verbrauch 
unseres Landes kann in Rücksicht auf die bevorstehende gute 
Kartoffelernte und den ziemlich reichen Obstertrag angenommen 
werden zu höchstens 9,000,000 Centner. ES würden somit 
als Ueberschuß verbleiben 1,068,100 Centner, während wir 
im vorigen Jahre eine Unzulänglichkeit von 2^ Millionen 
Centner hatten. Waö schließlich die noch nicht eingeheimsten 
Produkte, wie Hafer, Hülsenfrüchte zc. betrifft, so haben wir 
auch hierin eine gute Mittelernte in Aussicht und ebenso schei 
nen sämmtliche Knollengewächse einen schönen Ertrag liefern 
zu wollen. 
Schleswig-Holstein: Weizen giebt qualitativ und 
quantitativ eine sehr reiche Ernte, ebenso Roggen, der auf fet 
tem Boden besonders schön ausfällt. Auch Gerste und selbst 
Hafer verspreche» befriedigenden Ertrag. Oelsaaten haben vor- 
züglich schönes und reiches Ernte-Ergebniß geliefert. Auch 
Futterkräuter haben sich durch den jüngsten Regen merklich 
trholt. 
Sachsen: Weizen und Roggen liefern eine gute Ernte, 
so daß man, die außerordentlich schöne Qualität dazugerechnet, 
sagen kann 100 %. In Gerstenanbau wird das Ergebniß 
wyhl eine Mittelernte streifen Von Hafer wird der Stroh- 
ertrag mangelhaft sein, jedoch verspricht die Schüttung noch 3 
Viertel einer Mittelernte. Kartoffel lassen zu wünschen übrig. 
Sachsen wird in diesem Jahre den Import eineS normalen 
Jahres nicht überschreiten. 
Schweiz. WaS die heurige Ernte anbelangt, so ist die-- 
selbe nach übereinstimmenden Urtheilen auS den verschiedenen 
Cantonen als eine gute Mittelernte zu bezeichnen, sowohl in 
Hinsicht auf die Quantität als auf die Qualität. Die Kar- 
toffelernte verspricht ebenfalls ein befriedigendes Ergebniß. Der 
Ertrag einer Mittelerpte in der Schweiz Dürfte auf 1,5—2 
Millionen Doppelcentner Getreide aller Arten veranschlagt 
werden: danach würde dem Import die Beschaffung von wei- 
teren 2,5—3 Millionen Doppelcentner zufallen. Das öfter- 
reichifch-ungarische Produkt erfreut sich noch immer einer beson- 
deren Beliebtheit, namentlich in der Ostschweiz; aber eS ist 
nicht zu verkennen, daß' daS frühere Prestige deS UngarweizenS 
gebrochen und der Schweizer Müller mit einer Menge ihm 
früber fremder Sorten aus allen Welttheilen bekannt undver- 
traut geworden ist. 
England. Es ist selbst jetzt noch schwer ein bestimm- 
teS Urtheil zu fassen, aber in den meisten.Gegenden wird so- 
wohl die Quantität als die Qualität eine sehr gute sein, und 
wenn nicht noch etwa in diesem Monat wesentlicher Schaden 
durch Regenwetter verursacht werden sollte, so darf daS Er 
gebniß der Ernte wohl als merklich über eine Durchschnitts- 
ernte geschätzt werden. Gerste verspricht in vielen Gegenden 
ein sehr ergiebiges Resultat, aber wenn man die Berichte auS 
dem ganzen Land in Betracht zieht, so ist in mehr als einer 
Hälfte dieser Berichte der Ertrag von allem Sommergetreide, 
namentlich von Gerste, Hafer, Bohnen und Erbsen, unter dem- 
jenigen eines DurchschnittSjabreS angegeben. Hafer giebt daS 
schlechteste Resultat von allen diesen Artikeln. Bohnen und 
Erbsen kommen zunächst und Gerste ist am wenigsten knapp. 
Holland. Weisen stellt sich durchaus gut dar und ver- 
spricht ein guteS Erträgniß, obwohl das Stroh klein geblieben 
ist. Korn hat durch den Reif gelitten und das Erträgniß 
wird unter dem Durchschnitt bleiben. Auch Gerste zeugt 
von dem Einflüsse deS FrühjahrSfrosteS und wird nur ein 
Mittelerträgniß gebeu. Hafer steht vorzüglich und läßt nichts 
zu wünschen übrig. In RepS ist die Ernte, ausgenommen in 
den Provinzen Grönningen und FrieSland, vollendet DaS 
Erträgniß ist befriedigend. Leinsamen leidet an den Folgen der 
ununterbrochenen Trockenheit und befriedigt nur in den starken 
Feldern. 
Rußland. Einen nur annähernd genauen Bericht der 
Ernte von Rußland zu geben ist bei der kolossalen Ausdeh 
nung dieses Reiches nicht möglich, und muß man sich daher 
nur darauf beschränken eine Ueberstcht der Ernte von denjeni- 
gen Gouvernements zu geben die im letzten Jahre von den deut 
schen und österreichischen Kaufleuten besucht wurden. Im all- 
gemeinen ist die Ansicht vorherrschend, daß die diesjährige 
russische Ernte, sowohl in qualitiver als auch in quantitativer 
Beziehung eine gute, ja durchschnittlich eine bessere sei als die 
vorjährige. Wenn auch aus manchen Gouvernements Süd- 
rußlandS Klagen über Mißernte eintreffen, so findet dieser 
Umstand seinen Ausgleich in den äußerst günstigen Resul- 
taten in Mittelrußland, in der Gegend deS Azow'schen Gou 
vernements, in. der Szamara (wo bekanntlich' im verflösse- 
nen Jahre gar keine Ertne war). In Mittelrußländ ist Roggen 
der Hauptartikel; man kann annehmen daß man in diesen 
Landstrichen mit einem großen Theile der vorjährigen Ernte in 
die neue Saison übergeht. Zu beklagen ist die totale Mißernte 
von Buchweizeu, welcher einer der bedeutendsten Faktoren der 
Approvisionirung Rußlands ist und der im heurigen Jahre 
durch andere Surrogate erfetzt werden muß. 
Frankreich. Die Kornernte war sehr gut w 45, gut 
in 36, ziemlich gut in 4 Departements und mittelmäßig in 
einem einzigen Departement; gut ist sie auch in Algier zu 
nennen. Der Hafer läßt zu wünschen und die Ernte scheint 
sich nicht über ein mittleres Erträgniß erheben zu wollen. Sie 
ist sehr gut in 3, gut in 13, ziemlich gut in 15, erträglich, 
in 17, mittelmäßig in 31 und schlecht in 3 Departements. 
Mit' dem Roggen steht es ungefähr wie mit dem Hafer, mit 
Gerste etwas besser und die Maisernte kündigt sich im allge- 
meinen als eine gute an. 
Ueber die Ergebnisse abgehaltener Rindvieh- und Schweine- 
Märkte entnehmen wir der „H. B. D A. A Ztg" folgende 
aus Schweinfurt vom 19. August datirte Notiz: 
Auf allen Märkten heute starke Zufuhr und weichende 
Preise. Rindviehmarkt war mit 3200 Stück bestellt. Für 
Norddeutschland wurden auch heute wieder sehr erhebliche Auf- 
käufe gemacht, Markt war aber überführt und Preise daher 
auch für bessere Waare gedrückt. Schwere Zugochsen kosteten 
48—54, zweiter Qualität 42s- 46, mittleres Gangvieh 36— 
40, geringere Waare 30—34, 2—3jährige Stiere 24—32 
Napoleon d'orS das Paar. Geringe Waare blieb ganz ver- 
nachläßigt, für Mastvieh waren viele Käufer am Platz, aber 
selbst gute Waare- war besser zu kaufen. Mastochsenfleisch 19 
kr., Rind- und Kuhfleisch 15—16 kr., Kalbfleisch 13 kr. per 
Pfund. Nächster Markt am S. September. — Schweine-
	        

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