Liechtensteinische
Zweiter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 35.
den 28. August 1874.
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Alpwirthschaftliche Betrachtungen. (Iii )
(Fortsetzung)
Unter denjenigen Vorsichtsmaßregeln, welche zur Erhaltung
der Alpen angeführt wurden, sind die Verbauung entstehender
Gruben und Runsen und die Aufforstung nicht beweidbarer
Bezirke als sehr wichtige zu bezeichnen und verdienen deshalb
auch eiuer eingehenden Würdigung.
Die vielen mit den GebirgSbächen verbundenen Uebelstände
sind so innig mit der Natur des Gebirges verbunden und
stehen in so engem Zusammenhange mit der nie ruhenden
Umgestaltung der Erdoberfläche, daß sich eine Gebirgsgegend
ohne verrutschte Hänge und ohne Runsen, die ihre Sohlen
vertiefen und durch Ablagerung von neuem Geschiebe die Schutt-
kegel vergrößern, gar nicht denken laßt und eine gänzliche Be
seitigung dieser Uebelstände als nicht ausführbar bezeichnet
werden muß. Dagegen gehört eS zu der großen Aufgabe
der Gegenwart und der nächsten Zukunft, dem sich in Besorg-
niß erregender Weise zeigenden Umsichgreifen und Anwachsen
des Uebels nach Kräften vorzubeugen und die alten Schäden
soweit möglich zu heilen.
Wie die Beseitigung jedes Uebels vorzugsweise davon ab>
hängig ist, daß die Ursachen desselben richtig erkannt und so
weit immer möglich gehoben oder doch unschädlich gemacht
werden, so verhält es sich auch hier. Jeder auf Verminderung
der Schädigung durch die Wildbäche hinzielenden Arbeit muß
eine genaue Untersuchung vorangehen; gestützt auf die Ergeb
nisse derselben ist sodann ein sorgfältiges Bau« und Aufforstungs-
Projekt zu entwerfen und endlich sind die Arbeiten in der durch
letzteres festgesetzten Reiheufolge und nach den auf Erfahrung
und Lokalkenntniß gestüßten Vorschriften auszuführen.
Die Mehrzahl der Wildbäche führt iu gewöhnlichen trockenen
Zeiten nur wenig Wasser, in Folge dessen sammelt sich im
Bett derselben auch während dieser Zeit, ganz besonders im
Frühling beim Auf- und Zufrieren der Bäche Schutt, weil sich
von den die Runsen begränzenden kahlen Abhängen ununter-
brochen kleinere und größere Theilc ablösen und in die Tiefe
rollen. Zur Fortschaffung dieses Materials genügt die bewegende
Kraft der gewöhnlichen geringen Waffermasse nicht, sie sammelt
sich daher in um so größerer Masse, je länger eS geht, bis in
Folge eines Gewitters, anhaltenden Landregens oder raschen
SchneeabgangS ein größerer Wasserstand eintritt und je mehr
kahle Schutthalden in den Runseneinschnitten vorhanden sind.
Stellt sich nun in Folge der angeführten Ursachen mehr
Wasser ein, so wühlt dasselbe das im Bachbette liegende lose
Geschiebe auf und trägt eS auf den Schuttkegel hinunter, auf
dem eS um so weiter vorgeschoben wird, je größer die Wasser-
masse im Verhältniß zur Menge deS Geschiebes ist und je
weniger sich Wasser und Schutt auf dem Ablagerungsgebiet
ausbreitete. So groß die GeschiebSmasse ist, welche auf diesem
gewöhnlichen Wege aus den Runsen auf die Schuttkegel ge-
tragen wird und soviel dieselbe zur Erhöhung der letzteren
beitrügt, so werben diese Borgänge doch wenig beachtet. Zhre
schädlichen Folgen machen sich nur ganz allmählig geltend und
erst nach langen Zeiträumen findet auch der weniger sorgfältige
Beobachter, der Zustand der Schuttkegel und Runsen habe sich
verschlimmert und die unproduktiven Flächen seien größer ge-
worden. Kaum aber würde sich, wenn nicht von Zeit zu Zeit
größere, vaS Leben und Eigenthum in ernstester Weise gefähr-
dendf Verheerungen eintreten würden, daö Bedürfniß nach
Beseitigung des Uebels geltend machen. Diese außergewöhn-
lichen, sich aber leider häufig wiederholenden Ereignisse haben
die ,-ämlichen Ursachen und im Ganzen den nämlichen Verlauf.
Das Regen- und Schneewasser entführt den Bachbetten nicht
nur den Schutt, der sich von einem Hochwasser zum andern
in denselben sammelt' fondern eS wühlt auch die Sohle auf
und vertieft die Runfe; dadurch verlieren die steilen Hänge
ihre Stütze, es erfolgen spätere Abrutschungen, durch die das
Bachbett gefüllt oder auch ganz gesperrt wird. Kommt nun
ein Regen, so sammelt sich daS Wasser hinter den Schuttabla
gerungen bis eS dieselben fortzuschieben vermag, Wasser und
Schutt mengen sich miteinander und gelangeu, daS Bachbett
aufwühlend und neue Abrutschungen veranlassend, auf deu
Schuttkegel und über denselben gar bäusig auf nutzbares
Gebiet.
Die unmittelbare und unbestrittene Ursache aller dieser
Uebel lirgt im raschen Zusammen- und Abfließen deS Regen-
und SchneewasserS; jedes Mittel, das den Lauf deS Wassers
verzögert oder einen Theil desselben ganz zurückhält, ist somit
zugleich ein Mittel, die Schädigungen durch die Wildbäche zu
vermindern. Als hauptsächlichste Quelle deS Uebels haben wir
die Runsen mit ihren kahlen Gehängen und ihren sich fort-
während vertiefenden Sohlen kennen gelernt; jedes Hinderniß,
das wir den Abrutschungen und dem Vertiefen der Bachbette
entgegenstellen, vermindert somit zugleich die Gefahren, die von
Seiten der Wildbäche drohen.
Das wirksamste Mittel dem allzu raschen Abfließen deS
Wassers entgegen zu wirken, liegt in der Erhaltung, beziehungS-
weise Erziehung von Wäldern, die den Boden vollständig decken
und überschirmen. Den Abrutschungen und dem Vertiefen der
Runsen wirkt man entgegen wenn man den Fuß der zum Ab-
rutschen geneigten Hänge stützt und die Sohlen der Bäche so
versichert, daß ein tieferes Ausfressen derselben unmöglich oder
doch sehr schwer ist. Sorgfälttge Pflege der noch
vorhandenen Wälder, Aufforstung der steilen Hänge, so
weit sie in der Baum- und Gesträuchregion liegen und Ver-
bauung der Bäche sind demnach diejenigen Mittel, welche zur