Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

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ich vor 10 Jahren meine Kießling, Burgunder und Traminer 
lang angeschnitten, sagten mir alle Arbeiter: „DaS verträgt 
der Stock nicht, er muß zu Grunde gehen!"; heute schneide 
ich sie noch immer „lang" und sie sind so kräftig wie damals. 
ES können 6 große Trauben an einem kurzen Schenkel hängen, 
zu 12 Stück kleinen, die zusammen nicht mehr Saft haben, 
muß ich schon die doppelte Anzahl Augen stehen lassen und 
dazu ist meistens ein langer Tragschenkel nöthig. 
Im Rheingau, wo die Flasche Johannisberger aus guten 
Jahrgängen im Keller mit 8 bis 20 fl. bezahlt wird, schmeckt 
der Wein auch nicht sauer. Dort wird der weiße Kießling 
gepflanzt unb die gebräuchliche Stockform ist die niedere 
Kopferziehung. !ver niedere kopffölmige Stock, welcher 
sich nur wenige Zoll über den Boden erhebt, erhält alle Jahre, 
nebst einem zweiäugige»! Zapfen, zwei kurze Streckreben mit 6 
bis 8 Augen angeschnitten. , Zwischen je zwei gewöhnlichen 
Rebstecken wird nun in der Richtung der Zeile regelmäßig ein 
kurzer alter Rebpflock gesteckt, an welchen zwei benachbarte Streck- 
reden an ihren Enden zusammen gebunden werden. Am Ge 
länder geht dieS leichter. 
Die Kopferziehung und der Kopfschnitt sind weniger 
schwierig. Durch das beständige Zurückschneiden deS Stockes 
auf 4 bis 12 Zoll (niedere oder höhere Kopf) über der Erde, 
bildet sich ein kopfartiger Wulst, aus welchem alljährlich einige 
Ruthen zum Vorschein kommen; die nöthige Anzahl derselben 
bleiben und werden als Zuchtruthen für'S kommende Jahr auf 
gebunden. Beim Schnitte haben wir nun auf dem Wulste 
zwei oder mehrere alte Reben, welche knapp an ihrem Ansätze 
auf dem Kopfe abgeschnitten werden, dann eine Auswahl von 
einigen jährigen Reben, welche nach Bedarf und nach den 
gleichen Grundsätzen, die wir beim Schnitt deS Schenkelstockes 
kennen lernten, geschnitten werden. Der Stock im geschnitte- 
nen Zustande zeigt das verjüngte Bild einer Kopfweide, wenn 
der Wulst nicht ganz auf dem Boden aufsitzt. Es können 
dann nach Bedarf kürzere Zapfen, nebst ein oder zwei längeren 
Tragschenkeln noch am Kopfe sitzen. — Solche länger ge- 
schnitten? Reben werden in Steiermark nicht in Bögen und 
auch nicht, wie im Rheingau, an niedere Seitenpflöcke gebun- 
den, sondern einfach abgebogen und das obere Ende in die 
Erde gesteckt. Darin liegt aber noch ein anderes Geheimniß, 
nämlich das Mittel gegen den Frost. Man macht mit einem 
dünnen Eisenstab ein Loch in die Erde und steckt die Trag- 
rebe etwas tiefer in den Boden, daß man noch ein paar gute 
Augen auS dem Boden heraus ziehen kann, wenn die oberen 
Antriebe im Mai erfroren sind. — Besser aber kann man den 
Schaden eines FrostjahreS decken, wenn man das darauf fol- 
gende Jahr und allfällig auch später ein paar Augen mehr 
an den Tragreben anschneidet, so daß man durch den langen 
Schnitt einen etwas höhern Weinertrag' bekommt. Folgen 
dann mehrere gute Jahre, so schneiden wir wieder kürzer, da- 
mit die Fässer nicht zu voll werden und die Reben ausruhen 
können. 
Verschiedenes. 
* Der Brand in Chicago. Vor kaum drei Iah- 
ren (7. und 8. Oktober 1871) wurde daS gewaltige Han- 
delS-Emporium von Illinois, welches die Welt durch ihr ra 
sches WachSth um und ihren riesigen Aufschwung staunen gee 
macht, von einer furchtbaren FeuerSbrunst heimgesucht, die 
nahezu die Hälfte der Stadt in Asche legte. Auf Hundert- 
Millionen Dollars wurde damals der durch das Feuer angee 
richtete Schaden geschätzt. Und wieder forderte Chicago die 
Bewunderung der Welt heraus, indem es mit unglaublicher 
Schnelligkeit und mit den riesigsten Kosten aus seiner Asche er- 
stand, weit großartiger und prächtiger, als es vordem gewesen. 
Nun hat daS Schicksql diese einmal bereits so schwer geprüft? 
Dtadt zum zweitenmal?, glücklicherweise in einem minder schwe- 
ren Grade heimgesucht. Wie der Telegraph gemeldet hat, ist 
vorgestern Nachmittags um 5 Uhr eine riesige Feuersbrunst in 
Chicago ausgebrochen, die eist um Mitternacht bewältigt wer 
den konnte. Zwanzig Häuserviertel wurden zerstört und auch 
Menschenleben sind verloren gegangen. Der Stadttheil, in 
dem der Brand zum Ausbruche kam, ist derselbe, welcher durch 
daS erste Feuer zerstört und seither, mit großer Pracht wieder 
aufgebaut worden ist. DaS Postgebaude, welches den Flam- 
men ebenfalls zum Opfer gefallen ist, hat allein eine Summe 
von zwei Millionen Dollars gekostet. Nicht minder kostspielig 
und großartig waren die niedergebrannten vier Hotels gebaut. 
Verantwortlicher Redakteur ».Herausgeber: vr. Rudolf Schädler. 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 17. Juli. 
Der halbe Metzen 
Korn 
Roggen 
Gerste 
Türken 
Hafer 
beste 
fl kr. 
4 
3 
3 
2 
1 
50 
50 
20 
80 
85 
mittlere 
fl. 
4 
3 
3 
1 
2 
kr. 
geringe 
fl. 
25 
25 
10' 
50 
75 
4 
3 
2 
2 
1 
kr. 
80 
20 
70 
Thermometerstand nach Reaumnr in Badnz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Zuli 
15 
+ 18% 
+25 
+21 
halb hell 
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16. 
+ 15 
+23 
+ 18 
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+ 15 3 / 4 
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+ 19 
fast hell 
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21. 
+ 17 
+2oy 4 
+17 
fast bedeckt. 
Telegrafischer Kursbericht von Wie». 
23. Juli Silber 104.10 
20-Frankenstücke 8.85 ^ 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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