Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Diese Brücke ist die kostspieligste in den Vereinigten Staaten 
und ihr Bau nahm 5 Jahre in Anspruch. 
Volkswirthschastliches. 
Der Weinstock und der Wem. (X.) 
Der Schnitt des Weinstocks und seine Erziehung. 
(Frei bearbeitet mit Verwerthung von Studien aus Mohr'S 
und BaboS Schriften.) 
Wie lehrreich für jeden - denkenden Weinbergarbeeter sind 
die eben angeführten Grundzüge über die Funktionen des Laub 
werkes und die gegenseitige Unterstützung von Blatt und Wur- 
zel. Wir haben nun gelernt wie wichtig eS ist, um kräftige 
und tragfähige Stöcke zu erziehen, daß man an denselben die 
richtige Menge Laub stehen lasse, weil das WachSthum des 
Hölzes und der Wurzel wesentlich davon abhängt. So wie die 
Güte der Trauben vom Laube abhängig ist, so ist dies auch 
von dem Umfange und der Thätigkeit der Wurzel der Fall 
Ein noch schwach bewurzelter junger Stock kann nur wenige 
Früchte mit Saft versehen, wenn sein Blätterwerk noch so reich- 
lich wäre. Aber mit Zunahme der Wurzeln können von Jahr 
zu Jahr mehr Früchte zur Reife gedeihen. ES können sogar 
an einem großen alten Weinstocke mehr alS tausend Trauben, 
eben so reif und süß werden, wenn die drei Faktoren Wur- 
zel, Laub und Früchte im richtigen Verhältnisse stehen, 
alS im mittleren Durchschnitte in unseren Weinberganlagen 
daS Wurzelwerk und der Raum für den Stock und fein Blatt- 
werk so beschränkt find, daß wir uns gerne mit 8—20 Trau 
ben begnügen. Damit aber dennoch bei einem solchen mittleren 
Stocke die kleine Zahl Früchte an der Sonne und am Lichte 
gut ausreifen können, soll ihnen der nöthige Raum in regel- 
maßigem gleich ausgeheiltem Abstände angewiesen werden — 
dadurch entsteht der Reihen sah. Im engen Reihensatze kann 
man nicht so kräftige und große Stöcke ziehen, wie im weiten, 
Hbschon eS möglich ist im weiten Reihensatze mit einer kleinen 
Anzahl Stöcke ein eben so großes Quantum Trauben zu er, 
zeugen. Viele wollen unklugerweise dem Stocke den Zutritt 
von Luft und Licht dadurch verschaffen, daß sie das Blattwerk 
möglichst stark beseitigen und bedenken dabei nicht, daß sie zu. 
gleich auch dem nöthigen WachSthum der Wurzel zu enge 
Schranken setzen. 
Die Nährstoffe werden von der Wurzel aufgenommen und 
der Pflanze zugeführt; sie werden im Blatte verarbeitet, wo 
der Sauerstoff ausgeschieden wird und wo die unorganische 
Kohlensäure in die organische Verbindung übergeführt wir.d; ste 
werden dann in die Beere niedergelegt und gesammelt. Daö 
eigentliche WachSthum deS WeineS ist also auf die im Son- 
nenlichte prangende Blattfläche angewiesen, während die Traube 
an dem natürlich wachsenden Stocke gegen das Sonnenlicht 
geschützt ist. 
Mohr sagt am Schlüsse seiner Abhandlung über den Schnitt 
der Reben: 
„ES genügt, wenn die Sonne das Blatt bescheint, so daß 
die Traube zum Theile beschattet wird; ja, dieS Verhältniß ist 
allein das natürliche und richtige. ES ist sehr fehlerhaft, wenn 
man daö an einer Traube fitzende Blatt wegbricht um dem 
Sonnenstrahle den Weg zur Traube zu bahnen. 
Der Zucker entsteht nicht in der Beere der Traube, weil 
daraus kein Sauerstoff ausgeschieden werden kann; die Beere 
sammelt nur den Zucker oder sie bereitet ihn aus einer schon 
von dem Blatte gebildeten organischen Substanz. Dagegen 
wird an heißen Sommertagen die Beere von dem unmittelba- 
ren Sonnenstrahle geradezu verletzt." (Sonnenstich.) 
Wir sind von dem Schnitte deS besseren Verständnisses 
wegen zur weiteren Entwicklung des Stockes gekommen und 
Haben die Bedeutung der durch den Schnitt reduzirten Zweig- 
una Blattentfaltung kennen gelernt. Ferner haben wir gesehen, 
daß die Entwicklung deS WeinstockeS überhaupt zwischen sehr 
großen Grenzen liegt. Der Rebstock auf einem beschränkten 
Raum, mit wenig Wurzeln und wenig Laub, kann auch nur 
eine bescheidene Anzahl guter Trauben bringen. In steilen 
Gebirgslagen, wo eS oft an Dammerde fehlt und dieselbe auf 
dem Rücken hingetragen werden muß, kann der Stock keine 
große Entwicklung erhalten.. Die Reben sind dünn, wie ein 
Bleistift, der Stamm von der Dicke eines Fingers, die Zahl 
der Trauben klein, aber um so vortrefflicher ist ihr Saft, wenn 
das richtige Verhältniß zwischen Laub und Früchten stattfindet. 
Diese Reben erhalten einen kurzen Schnitt, denn die benach- 
barten Stöcke und die Seichtheit der Erdschichte hindert die 
Ausdehnung der Wurzel und die Pflanze ist für ihre ganze 
Lebenszeit zu einer kümmerlichen Existenz verurtheilt, wie eS 
die Umstände bestimmten 
Welchen Kontrast sehen wir an einer hoch und breit ge 
zogenen Spalierrebe im fetten Gartenboden, gegenüber einem 
gewöhnlichen Stocke, welcher (bei stark treibenden Sorten) in 
einem Sommer Ruthen von 20' Länge mit 60—80 Knoten 
treiben und mit 5 Jahren schon über 1000 Trauben tragen 
kann. Man hat Stöcke mit besonderer Sorgfalt groß gezogen, 
an denen man 2000 und sogar 3000 Stück Trauben zählte. 
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Am Schlüsse unseres Kapitels wollen wir noch einige 
praktischeVerWerthungen deS eben behandelten Stoffes 
machen und den anderorts vielgebräuchlichen Kopf schnitt 
kurz beschreiben. 
Der Zweck der Weinkultur ist, möglichst viele und möglichst 
gute Trauben zu produziren. Beide Ziele auf einmal lassen 
sich nicht überall und nur unter günstigen Verhältnissen errei- 
chen. Deßwegen soll jedoch der Weinzüchter diese Zeilen nie 
auS dem Auge verlieren; er soll vielmehr mit richtigem Ver- 
ständniß aus Quantität und aus Qualität halten. Auf Kosten 
der Qualität kann man schon ein größeres Weinquantum ge- 
winnen : oft kann dieS aber auch geschehen ohne der Güte deS 
WeineS Eintrag zu thun, denn die Verhältnisse sind nicht alle 
und in allen Weinlagen die gleichen 
Wir haben früher schon Erwähnung gethan, daß stark- 
treibende Sorten, d. h Sorten mit starken Wurzeln länger 
geschnitten werden. In vielen Gegendeu aber, wo man stch 
mehr den schwachtreibenden Sorten zugewendet hat, 
welche nur kleine Trauben, dagegen aber einen feinen aroma- 
tischen Wein geben, wäre eS gerathener, wenn man nicht alle 
Jahre so kurz schneiden würde. AuS dem bereits schon Gefag« 
ten soll der Rebmann beurtheilen können, wann, wo und bei 
welchen Stöcken er einen etwas längeren Schnitt sich mit Vor- 
theil erlauben darf. Wir wollen dessen ungeachtet die Frage 
nochmals beantworten, unter welchen Verhältnissen man auch 
die feineren Rebsorten lang schneiden kann. DieS 
kann mit Nutzen geschehen: 
i Wenn der Weinberg m gutem Stande ist nnd ihm die 
nöthige Düngung nicht fehlt. 
2. Wenn der Rebensatz nicht zu eng ist und die Stöcke 
' kräftig, also auch stark bewurzelt sind. 
3. Wenn ein unergiebiges Jahr vorausgegangen ist, in 
welchem sich die Stöcke in der Regel gut gekräftigt haben. 
4. Bei Geländen, wo eS an Raum für die Ausbreitung 
der Wurzeln und des Laubwerkes nicht fehlt. 
Kleine Trauben geben nicht aus. Wo man diele Sorten 
immerfort kurz schneidet, ohne Rücksicht auf zeitweilige Um- 
stände „da ist eS schade um die Arbeit" sagt Babo (Direktor 
der Weinbauschule in Klosterneuburg) und fährt fort: AlS
	        

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