Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Mariott. Am letzten SamStag (2V.) wurde er nun am Fuße 
^ineS FelsenS todt aufgefunden. Der Finder ist ein armer Hirt, 
der, wie das „Büttdn. Tagbl." hofft, den ausgesetzten Finder- 
lohn von Fr. 2500 erhalten wird. Mariott ist ohne Zweifel 
todtgefallen; von Raubmord war keine Spur vorhanden, denn 
in seinen Taschen fand man noch Gold und Banknoten. DaS 
eine Bein war vom Leichnam getrennt. 
— Feldmärschall Graf v. Moltke befindet sich gegenwärtig 
in Ragaz, wo er eine Badekur gebraucht. 
Italien. Rom. Der Papst empfing zur Feier deS Iah- 
reStageS seiner Thronbesteigung (21. Zum) die Vertreter det 
Diözesen und der römisch-katholischen Jugend, welche eine Adresse 
deS katholischen Kongresses in Venedig überreichten. Der Papst 
sprach seine Anerkennung über die Arbeiten deS Kongresses 
aus, ermahnte die italienische Jugend, unablässig für daS Gute 
zu wirken und drückte die Hoffnung aus, die gegenwärtigen 
Prüfungen deS PontistkatS würden in Freuden verwandelt 
Werden. 
Am Abend fand ein Te Deum in der PeterSkirche statt; 
der Papst erschien am Vatikan feilster, die ehemaligen päpstlichen 
GenSdarmen riefen: der Papstkönig lebe! Die Volksmenge 
erwiederte diesen Zuruf mit Pfeifen, ein Detachement Bersag- 
tieri erschien zur Aufrechterhaltung der Ordnung und verhaftete 
die GenSdarmen. Die Volksmenge ging ruhig auseinander. 
Frankreich. Die Regierungsmisere in Frankreich zeigt 
in den letzten Tagen keine erheblichen Aenderungen. Ueber dem 
Lande die dumpfste Schwüle; die erste frische Brise müßte das 
Wrak der Nationalversammlung in Stücke gehen machen. 
Belgien. Der vollziehende Ausschuß deS internationalen 
Vereins zur Verbesserung deS Looses der Kriegsgefangenen hat 
eine Vorlage ausgearbeitet, welche die Grundlage der Berath- 
ungen des Brüsseler Kongresses bilden wird. 
Als Fundamentalgefetz stellt das Projekt die Forderung an 
die Spitze, daß außerhalb des Schlachtfeldes die Kriegsgefan 
genen unter den Schutz der Vertreter aller neutralen Staaten 
gestellt werden sollen, welche bei den kriegführenden Mächten 
beglaubigt sind. Dieser Grundgedanke ist in einem ganzen Co- 
dex von einzelnen Bestimmungen durchgeführt Der AuSsühr- 
barkeit der neuen Methode dürste nur ein Umstand, aber ein 
schwer wiegender entgegentreten. ES frägt sich nämlich, wie 
weit die kriegführenden Mächte gewillt sein werden, Angehöri- 
gen und Vertretern neutraler Staaten auf dem Operau'onSge- 
biete freie Hand zu lassen. Bis jetzt bestand so ziemlich allge- 
mein die Regel, Unberufene mit wenig Ausnahmen so entfernt 
als möglich vom Geschütze zu halten. Natürlich hat dieser 
Praxis in einem Momente, in dem das Blut der Eigenen 
ftromweise fließt, nicht die Rücksicht auf daS kostbare Leben 
Fremder gerufen, sondern daS Bedürfniß, sich möglichst unge- 
nirt, unbewacht und geheimnißvoll bewegen zu können. Und 
so lange der Krieg mit der ausgesprochenen und allseitig ge- 
billigten „humanen" Absicht geführt wird, dem Gegner auf 
jede Weise möglichst viele Leute kampfunfähig zu machen, 
wird dieses Bedürfniß bleiben und damit die Thätigkeit der 
„Neutralen" auf Null reduzirt sein. 
Was die Behandlung der in Sicherheit Gebrachten oder 
durch Ehrenwort Gebundenen anbetrifft, so kennt man die 
schöne Sitte Napoleons I, sie im Nothfalle unschädlich zu ma- 
chen, oder auch, wenn sie daS besondere Mißfallen des Macht- 
Habers sich zugezogen hatten, auf die Galeere zu schicken, längst 
nicht mehr. Zudem würden die „Neutralen" sich hüten, für 
schwerer gemaßregelte Kriegsgefangene aus purer Humanität 
selbst vom Leder zu ziehen. 
Auf dem Papier macht sich die Sache ganz schön; wie in 
der Wirklichkeit, ist eine andere Frage. 
England. DaS Mißtrauen der Engländer gegen Deutsch- 
land wächst immer mehr und die einzige Ursache dazu sind die 
ungeheuren militärischen Rüstungen. „Aus guter Quelle hören 
wir," so schreibt der „Speetator", „daß die militärischen Bor- 
bereitungen, die in Deutschland im Gange find, anfangen, mit 
großem Mißtrauen angesehen zu werden. Sie mögen nur 
dazu bestimmt sein, das militärische System zu vervollständigen, 
aber kühle Beobachter halten dafür, daß sie über diesen PunK 
hinausgehen und entweder einen Krieg mit einer Großmacht 
oder einen Krieg, in welchem eine Großmacht zu beobachten 
sein würde, bedeuten. Der Kaiser von Oesterreich hat seinen 
Kriegsminister plötzlich genug gewechselt, um Bestürzung unter 
den Anhängern deS KonstitutionaliSmuS zu erzeugen, und ihn 
durch einen General ersetzt, der bekanntlich, liberalen Ideen 
nicht huldigt. EtwaS ist auch an der untern Donau loS, trotz- 
dem die deutschen amtlichen Journale eifrig leugnen, daß Deutsch- 
land an Serbien interessirt oder durch irgend eine Uebereinkunst 
Mit Rumänien engagirt ist. Man hat noch keinen hinreichen- 
den Aufschluß über die beabsichtigte Bewegung, die, wenn Fürst 
Bismarck an derselben betheiligt iß, sicherlich eine große ist, 
aber eS mag als gewiß angenommen werden, daß Deutschland, 
wie einst Marschall Leboeuf von Frankreich sagte, bis zu den 
Soldatenknöpfen in Bereitschaft ist. Es mag Alles Borsicht 
sein, aber eS ist sehr kostspielige Vorsicht, und Vergeudung ist 
keine charakteristische Untugend Berlins." 
Äm 20. Juni wurde in London der Jahrestag der Thron- 
besteigung der Königin Viktoria (1837) gefeiert. Bon den 
Mindern , welche vor 37 Jahren der Königin den Eid der 
Treue ablegten, sind noch am Leben Graf Grey und Lord Ruf- 
sel, der bald sein 82. Lebensjahr erfüllt. 
Spanien. „Das Wetter ist fortwährend schlecht," so 
lauten die neuesten Schlacht- und SiegeSberichte ConchaS, Un» 
fere Bauern mögen sich trösten, sie haben fern im Süden, im 
sonnigen Spanien, einen Leidensgefährten, der durch die wech- 
felnde Laune der Juniwitterung nicht etwa am Einheimsen 
seines HeueS, sondern seiner Lorbeeren verhindert ist. 
Inzwischen hat der Marschall Serrano in Madrid besseres 
Wetter. Die Spanier scheinen die Franzosen nicht nur in 
ihren' großen und guten Eigenschaften, sondern in ihren ZÜMM- 
sten Streichen mit unwiderstehlichem NachahmungstriehMMen 
zu wollen. So wollen sie denn auch etwas wie ein Stpten- 
nat, wenigstens ein Quinquennium. Serrano soll nämlich 
eine 5jährige Diktatur unter dem Namen „Konsulat" übertra- 
gen werden nach dem Zuschnitt seines großen Kollegen Mae 
Mahon. Der Marschall soll sich nicht abgeneigt zeigen/ 
Volkswirthschastljches. 
Der Weinstock und der Wem. (Vii.) 
Dw Schnitt des Weinstocks und seine Erziehung. 
(Frei bearbeitet mit Verwerthung von Studien aus Mohr'S 
und BaboS Schriften.) 
Jene Rebstöcke, deren Stämme von Jahr zu Jahr um 
einen oder mehrere Knoten höher steigen, unten am Stamme 
also keine kopfgefährliche Verdickung erkennen lassen, und fchen- 
kelartige Fruchtzapfen zeigen, heißt man Schenkelstöcke. Ihre 
Erziehung ist entweder eine niedere oder mittelhohe, letz- 
tere 12—30 Zoll vom Boden. 
Die niedere Stockerziehung ist überall empfehlenSwerth, 
wo FrühjahrSfröste nicht zu befürchten sind, weil die Rückstrah- 
lung der Bodenwärme welche den Trauben mehr zukömmlich 
ist, wesentlich zur Frühreife der Trauben beiträgt 
Die mittlere 12— höchstens 24 Zoll hohe Schenkel 
stockerziehung dürfte unseren Verhältnissen — besonders in war- 
men windfreien Lagen — besser passen. Wir haben gesehen, 
daß die Frühjahrsfröste den hohen Stöcken weniger schadeten, 
herentgegen sind diese bei kaltem Winter mehr dem Verfrieren 
ausgesetzt. 
Der Schnitt kann schon von Mitte November an, nach- 
dem alle Blatter abgefallen sind, beginnen und kann bei gün-
	        

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