Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

fallen. Wie jetzt die Controverse steht und also wohl stehen 
bleiben soll, muß der Eindruck verbleiben, daß nur die Tage 
von Weißenburg und Wörth-Spickeren Deutschland vor den 
Folgen der von Beust angebahnten Politik bewahrt haben. 
Jedenfalls aber wird Beust hinfort darauf verzichten müssen, 
daß ihm irgend Jemand auch nur noch eilten Bodensatz von 
dem deutschen Patriotismus zuerkenne, den der sächsische Frei-- 
Herr selbst als österreichischer Reichskanzler noch manchmal zur 
Schau trug. Freilich muß derjenige wenige politische Ersah- 
rungen gemacht haben, der aus dem Verhalten Oesterreichs 
beim Ausbruche des deutsch-französischen Krieges noch Schluß- 
folgerungen auf die jetzigen Beziehungen der österreichischen 
Regierung zum deutschen Reiche nach irgend einer Seite hin 
ziehen will. Oesterreich-Ungarn wird eben die Politik verfol- 
gen welche ihm die veränderten Zeitverhältnisse als die vor- 
theilhasteste anzeigen. 
Das Präsidium des österreichischen Abgeordnetenhauses hat 
der Geschäftsordnung gemäß die strickenden Krainer, Tiroler 
und Vorarlberger Deputaten aufgefordert im Relchsrath zu 
erscheinen mit dem Bemerken, daß sie sonst nach Ablauf einer 
44tägigen Frist ihre Mandate verlieren und das Nothwahlge- 
setz angewendet werden würde. 
Am 16. Jänner hielt in Wien der Ausschuß de^ Abge 
ordnetenhauses welches schon vergangenen Sommer zur Be- 
rathung der von der Regierung eingebrachten Arlbergbahn- 
vorläge eingesetzt wurde, unter dem Vorsitze seines Obmannes 
Dr. Kaiser eine Sitzung. Aus den gemachten Erhebungen 
wiesen Handelsminister Dr. BanhanS und Regierungsrath 
Pischof nach, daß der Arlberg-Tunnel nicht umgangen werden 
könne. Ebenso wurde dargethan, daß durch die neueren For- 
schungen deö Geologen Hauer eine vollkommene Kenntniß der 
inneren Beschaffenheit deS ArlbergS erlangt wurde, so daß 
euch diese Lücke der frühern Vorlage nun vollkommen ausge- 
füllt sei. 
Deutschland. Der unerquickliche Streit zwischen ver- 
schiedenen deutschen Blättern, der durch Bismarks Rücktritt 
von der Minister-Präsidentschaft sich entwickelte, wird nun wohl 
bald zur Ruhe kommen. Daß indessen noch Divergenzen be- 
stehen, beweist Bismarks Abwesenheit vom Ordens feste. Er 
traf von Lauen bürg am Schlüsse des Festes wieder ein, wo 
sein Nichterscheinen sehr bemerkt wurde. 
Nach den neuesten deutschen Berichten sollen die Verhand- 
Jungen zwischen Rußland und England über die mittelasiatische 
Frage auf dem Wege der Verständigung sein. 
Die Hoftrauer um den Exkaiser Napoleon in Berlin scheint 
verschiedenen Kreisen Anstoß erregt zu haben. Man weiß 
stellen, als das Ihrige. Stoße ich Sie nieder, so tödte ich eine 
ganze Welt der schönsten Hoffnungen ,- bleibe ich, so haben Sie 
ein kümmerliches, von den bittersten, qualvollsten Erinnerungen 
verstörtes Dasein geendet! doch die Hauptsache bleibt, daß ich 
mich durchaus nicht für beleidigt halte. Sie hießen mich gehen 
und ich gieng!" — 
Die letzten Worte sprach der Fremde mit einem Ton, der 
die innere Kränkung verrieth. Grund genug für den Baron, 
Nochmals sich vorzüglich damit zu entschuldigen, daß, selbst wisse 
er nicht warum, ihm der Blick des Fremden bis in's Innerste 
gedrungen sei, daß er ihn zuletzt gar nicht habe ertragen können. 
„Möchte", sprach der Fremde, '„möchte doch mein Blick in Ih- 
rem -Innersten, drang er wirklich hinein, den Gedanken an die 
bedrohliche Gefahr aufgeregt haben, in der Sie schweben. Mit 
frohem Muthe, mit jugendlicher Unbefangenheit stehen Sie am 
Rande des Abgrundes; ein einziger Stoß, und Sie stürzen ret- 
tungslos hinab. — Mit einem Wort — Sie sind im Begriff, 
em leidenschaftlicher Spieler zu werden, und sich zu verderben." 
§ Der Baron versicherte, daß der Fremde sich ganz und gar 
^ c er ^^ te umständlich, wie er an den Spieltisch gerathen, 
und behauptete, daß ihm der eigentliche Spielsinn ganz abgehe, 
indessen, daß Debatten darüber, und zwar nicht nur in der 
Presse, vorangegangen waren. Die Hofkreise wollten zum 
Theil keine Trauer, die entschieden unpopulär ist. Das Volk 
hat nickt vergessen, wie viele Opfer der letzte Krieg die Blüthe 
der Nation gekostet hat. 
Schweiz. Ueber die Fortschritte des Gotthardtunnel-BaueS 
vernimmt man. daß der Tunnelstollen auf der Seite von Gs- 
schenen bei täglicher Verwendung von 100 Mann bis zum 18. 
d. M. ungefähr 80 Fuß vorgedrungen ist; auf der Seite von 
Airola dagegen rückt die Arbeit viel schneller vorwärts. Dort 
war der Tunnelstollen am 31. Dezember bis auf 310 Fuß ein- 
gedrungen, und dort sind auch schon Ausmauerungen und Er- 
Weiterungen vorgenommen worden. Bei Airola arbeiten frei- 
lich fast täglich bis über 200 Mann, und man stieß hier bis 
jetzt nur auf Glimmerschiefer mit Quarzgängen und Trümmer- 
schichten, während sich bei Göschenen die Arbeit nur in Granit 
bewegte. Von den im Gotthardtunnel sich vorfindenden Stein- 
arten werden übrigens 10 Sammlungen angelegt werden, die 
an die Regierungen von Deutschland und Italien und an die 
schweizerischen Hochschulen vertheilt werden sollen. 
In Italien hat ein großer Theil der Bevölkerung beim 
Eintreffen der Todesnachricht Napoleons ihre Verehrung für 
den verstorbenen Kaiser nicht nur durch Beileidsdepeschen an 
die hohe Wittwe und feierliche Trauergottesdienste, sondern auch 
durch Errichtung von Denkmälern bezeugen wollen. Sub 
skriptionen wurden zu diesem Zwecke eröffnet, welche in der 
Stadt Mailand bis jetzt schon sich beinahe auf 100,000 Fr. 
belaufen. Ein solcher Napoleonkultus ist eben nur bei südlichen 
Charakteren möglich. 
Verschiedenes. 
Interessante Aufzeichnung. Im Winter von den Iah- 
ren 1186, 1289, 139-1, 1400 und 1429 gab es gleich je- 
nem von 1833/1834 Erdbeeren im Januar, Aepfel und Ha- 
felnüsse im Februar, im April Traubenblüthen, Anfangs Au- 
gust die Weinlese. Der Scheffel Korn kostete damals 12 Pfen- 
nig, der Eimer Wein 10 Kreuzer und 4 Heller. 
Zu Au bei Rheineck wurden unlängst an die 30 Zentner 
Hecht gefangen. Der größte wiegt 1% Zentner und wurde 
als Rarität mit einer eisernen Kette an einen Brückenpfeiler 
gebunden, damit die Vorübergehenden ihn sehen können. In- 
dessen fürchtet man vom Zudrang der Neugierigen Gefahr für 
die Brücke, weShalb der Fisch dem Tode verfallen ist. 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: Dr. Rudolf Schädler. 
daß er garade den Verlust von ein Paar hundert Louisdor 
wünsche, und wenn er dieß erreicht, aufhören werde zu pointiren. 
Bis jetzt habe er aber das entschiedenste Glück gehabt. 
„Ach," rief der Fremde, „ach eben dieses Glück ist die ent 
setzlichste, hämische Verlockung der feindlichen Macht! — eben 
dieses Glück, womit Sie spielen, Baron! die ganze Art, wie Sie 
zum Spiel gekommen sind, ja selbst ihr ganzes Wesen beim 
Spiel, welches nur zu deutlich verräth, wie immer mehr und 
mehr Ihr Interesse daran steigt — Alles — Alles erinnert mich 
nur zu lebhaft an das entsetzliche Schicksal eines Unglücklichen, 
welcher, Ihnen in vieler Hinsicht ähnlich, eben so begann als 
Sie. Deßhalb geschah es, daß ich mein Auge nicht verwenden 
konnte von Ihnen, daß ich mich kaum zurück zu halten ver- 
mochte, mit Worten das zu sagen, was mein Blick Sie erratheu 
lassen sollte! — O sieh doch nur die Dämonen ihre Krallen» 
fäuste ausstrecken, dich hinabzureißen in den Orkus! — So hätte 
ich rufen mögen. — Ich wünschte Ihre Bekanntschaft zu machen, 
das ist mir wenigstens gelungen. — Erfahren Sie die Geschichte 
jenes Unglücklichen, dessen ich erwähnte; vielleicht überzeugen Sie 
sich dann, daß es kein leeres Hirngespinnst ist, wenn ich Sie m 
der dringendsten Gefahr erblicke und Sie warne." (Forts, folgt.)
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.