Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

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eS Sammelplätze von Männern, welche durch freien Austausch 
von Meinungen die Volköwohlsahrt zu heben suchen. Wir 
wollen keine Ausnahme machen , der Leseverein in Vaduz soll 
ein solcher Sammelplatz sein. Besonders richten wir diese Worte 
an den einsichtigeren Theil der Vaduzer Bürgerschaft, denn die 
örtliche Entfernung verhindert eine Betheiligung anderer Ge- 
meinden. 
Wenn, wie Anfangs bemerkt wurde, diese Andeutungen 
nur Gedankenspähne sind und als solche das Recht besitzen, 
nicht zusammenhängend zu sein, so kann doch Zeder daS Wahre 
und Ernste herauslesen und beherzigen. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Die vom Ministerpräsidenten verlesene Thron- 
rede betont die werthvollen Resultate der letzten Session. Leb- 
hafte Kämpfe fanden wegen der Gesetze betreffs der Beziehungen 
deS Staates zur Kirche statt, aber die Regierung habe festes 
Vertrauen, daß dieselben den wahren Frieden der verschiedenen 
Konfessionsangehörigen fördern und die Kirche dahinführen 
werde, dem lautern Dienste deS Wortes GotteS allein ibre 
Kräfte zu weihen Die Thronrede erwähnt ferner der glücklichen 
Finanzlage deS Staates und der Steuerreform und hebt dm 
erfreulichen Aufschwung im Verkehrsleben und die Vertheidi- 
gungsfädigkdt hervor, welche die zur Erweiterung deS Eisen- 
bahnnetzeS ertheilte Ermächtigung herbeiführen Werve. 
Die Thronrede schreibt die segensreichen Resultate vorzugS- 
weise dem vertrauensvollen Zusammenwirken zwischen StaatS- 
regierung und Landeövertretung zu und hofft, daß daS preußische 
Volk bei den bevorstehenden Wahlen von demselben patriotischen 
Geiste und vom Sinne fester und vertrauensvoller Gemeinschaft 
mit der Regierung geleitet werde zur Förderung des wahren 
Wohls und Gedeihens des Vaterlandes. 
Frankreich. In Frankreich rumort eS wieder sehr be- 
dentlich. In Versailles ist die Bombe wirklich zum Platzen 
gekommen und dte junge Republik geht unruhigen Tagen ent- 
gegen. ThierS hat nämlich mittelst Botschaft seine Entlassung 
als Präsident der Republik eingereicht. Auf einen Antrag der 
Rechten wurde darauf Mac Mahon mit 390 Stimmen zum 
Präsidenten der Republik proklamirt. Mae Mahon nahm die 
kjahl an. Die monarchistische Rechte hat also ihren längst ge- 
Planten parlamentarischen Staatsstreich endlich durchgeführt und 
ist zur Gewalt gelangt. 
Tie Entwicklung dieser politischen KrisiS ist folgende: Am 
24. Mai hielt Thiers in der Nationalversammlung die von 
ihm angekündete sehr konservative Rede, worin er die ganze 
Verantwortlichkeit für die Politik der Regierung übernahm 
und andererseits auf seine Verdienste, namentlich auf die Befreiung 
Gießkünstler, das merk' ich an der Art zu modelliren, oder Ihr 
arbeitet in Gold und Silber?" Friedrich sah ganz traurig vor 
sich nieder und fing dann kleinmüthig an: „Ach lieber Herr, Ihr 
haltet mich für etwas viel Besseres und Höheres, als ich wirklich 
bin. Ich will eS Euch nur geradehin sagen, daß ich die Küper- 
Profession erlernt habe, und nach Nürnberg zu einem bekannten 
Meister in Arbeit gehen will. Ihr werdet mich nun wohl ver- 
achten, da ich nicht herrliche Bilder modelliren und zu gießen ver- 
mag, sondern nur Reife um Fässer und Kufe schlage." Neinhold 
lachte laut auf und rief: „9hm das ist in der That lustig. Ich 
soll Euch verachten, weil Ihr ein Küper seid, und ich — ich 
bin ja selbst gar nichts anderes als das." Friedrich blickte ihn 
starr an, und wußte nicht was er glauben sollte, denn Reinhold's 
Anzug paßte freilich zu--nichts weniger, als zu einem reisenden 
Küpergesellen. Das Wamms von seinem schwarzen Tuch, mit ge> 
rissenem Sammt besetzt, die zierliche Halskrause, das kurze, breite 
Schwert, das Baret mit einer langen herabhängenden Feder ließ 
eher auf einen wohlbegüterten Handelsmann schließen, und doch 
lag wieder in dem Antlitz, in der ganzen Gestalt des Jünglings 
deS Gebietes hinwies. Eine monarchische Regierung erachte er 
für praktisch unmöglich; eS gebe nur einen Thron und drei 
Prätendenten, die ihn einnehmen möchten. 
Diese Rede scheint nun den Monarchisten nicht gefallen zu 
haben. Die Bemerkung von Thiers, daß er sein Amt nicht 
gesucht und nur mit Verdruß und Bitterkeit trage, hatte keinen 
Eindruck mehr auf sie gemacht. Ereoul beantragte in ihrem 
Namen eine motivirte Tagesordnung über die Interpellation 
Büffet und Genossen, dahin gehend, daß das neue Ministerium 
den confervativen Interessen nicht die berechtigte Genugtuung 
leiste. Minister Dusaure erklärte darauf die Regierung nehme 
nur einfache Tagesordnung über die Interpellation Büffet an. 
Diese wurde in der Abstimmung mit 362 gegen 348, also 
14 Stimmen Mehrheit, verworfen 
Nun war die Regierung geschlagen und die KrisiS da. 
In der Abendsttzung zeigte Dufaure an, daß am Nach- 
mittag die Minister ihre Demission eingereicht haben. ThierS 
habe dieselbe angenommen und gleichzeitig folgende Botschaft 
an die Versammlung gerichtet: „Herr Präsident! Ich habe die 
Ehre, der Nationalversammlung meine Demission als Präsident 
der Republik zu übermitteln, wobei es selbstverständlich ist, daß die 
Regierung allen ihren Pflichten nachkommen wird, biS sie re- 
gelrecht ersetzt ist. ThierS, Mitglied der Nationalversammlung." 
Büffet verlieSt einen von zahlreichen Abgeordneten der Linken 
unterzeichneten Antrag, dahingehend, daß die Versammlung die 
Demission ThierS nicht annehme. Der Antrag wurde mit 368 
gegen 339 Stimmen verworfen. Büffet versucht zu sprechen, 
wird aber mehrere Male unterbrochen. Heftiger Tumult. 
Büffet setzt sich wieder. 
Nachdem der Tumult sich etwas gelegt hat. schreitet man 
zur Abstimmung. Mac Mahon wird zum Präsidenten der 
Republik proklamirt mit 390 Stimmen gegen Grevy Büffet 
und das Bureau der Versammlung begeben sich zu Mac Mahon, 
um ihn vom Resultat der Wahl zu benachrichtigen. 
Abendö ii% Uhr zeigte Büffet an, daß Mac'Mahon, 
allerdings nur ungerne, die Präsidentschaft übernehme Die 
gegenwärtigen Minister führen bis auf Weiteres die Geschäfte 
sort. 
Italien. Nach den neuesten Berichten ist daS Befinden 
deS Papstes wieder ohne Gefahr. 
Oesterreich. Wir entnehmen einem Leitartikel der „All- 
gemeinen Zettung" folgende Bemerkungen über den großen 
Börsenkrach: 
Die auSgebrochene BörfenkrifiS ist nicht bloS unerwünscht 
und unerwartet, nicht erfreulich und beschämend, sie ist eine 
wahre LandeSkalamität und schädigt daS Ansehen des Reiches, 
weil daS wenig solide innere Getriebe bloß gelegt wird. Das 
Unglück Oesterreichs besteht, diese Sache betreffend, wohl nur 
ein wunderbares Etwas, das dem Gedanken an den Handelsmann 
nicht Raum gab, Neinhold merkte Friedrichs Zweifel, er riß sein 
Neisebündel auf, und holte sei» Küperschnrzsell, sein Messerbesteck 
hervor und rief: „Schau doch nur her, mein Freund, schau doch 
nur hm:! — zweifelst du noch daran daß ich Dein Kamerad bin? 
— Ich weiß, Dir ist mein Anzug befremdlich, aber ich komme 
von Straßburg, da gehen die Küper stattlich einher wie Edellente. 
Freilich hatte ich sonst, gleich Dir, auch wohl Lust zu etwas An- 
derm, aber nun geht mir das Knperhanowerk über Alles, und ich 
habe manch' schöne Lebenshoffnung darauf gestellt. Geht's Dir 
nicht auch so, Kamerad! — Aber beinahe scheint es mir, als 
habe sich mwersehens ein düstrer Wolkenschatten in Dein heiteres 
Iugendleben hineingehängt, vor dem Du nicht fröhlich um Dich 
zu blicken vermagst. Das Lied das du vorhin sangst, war voll 
Liebessehnsucht und Schmerz, aber es kamen Klänge darin vor, 
die wie aus meiner eigenen Brust hervorleuchteten, und es ist mir, als 
wiHe ich schon Alles, was in Dir verschlossen. Um so mehr 
magst Du mir Alles vertrauen, werden wir denn nicht ohnedies 
in Nürnberg wackere Kumpane sein und bleiben?" Reinhold schlang
	        

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