— 74 -
eS Sammelplätze von Männern, welche durch freien Austausch
von Meinungen die Volköwohlsahrt zu heben suchen. Wir
wollen keine Ausnahme machen , der Leseverein in Vaduz soll
ein solcher Sammelplatz sein. Besonders richten wir diese Worte
an den einsichtigeren Theil der Vaduzer Bürgerschaft, denn die
örtliche Entfernung verhindert eine Betheiligung anderer Ge-
meinden.
Wenn, wie Anfangs bemerkt wurde, diese Andeutungen
nur Gedankenspähne sind und als solche das Recht besitzen,
nicht zusammenhängend zu sein, so kann doch Zeder daS Wahre
und Ernste herauslesen und beherzigen.
Politische Rundschau.
Deutschland. Die vom Ministerpräsidenten verlesene Thron-
rede betont die werthvollen Resultate der letzten Session. Leb-
hafte Kämpfe fanden wegen der Gesetze betreffs der Beziehungen
deS Staates zur Kirche statt, aber die Regierung habe festes
Vertrauen, daß dieselben den wahren Frieden der verschiedenen
Konfessionsangehörigen fördern und die Kirche dahinführen
werde, dem lautern Dienste deS Wortes GotteS allein ibre
Kräfte zu weihen Die Thronrede erwähnt ferner der glücklichen
Finanzlage deS Staates und der Steuerreform und hebt dm
erfreulichen Aufschwung im Verkehrsleben und die Vertheidi-
gungsfädigkdt hervor, welche die zur Erweiterung deS Eisen-
bahnnetzeS ertheilte Ermächtigung herbeiführen Werve.
Die Thronrede schreibt die segensreichen Resultate vorzugS-
weise dem vertrauensvollen Zusammenwirken zwischen StaatS-
regierung und Landeövertretung zu und hofft, daß daS preußische
Volk bei den bevorstehenden Wahlen von demselben patriotischen
Geiste und vom Sinne fester und vertrauensvoller Gemeinschaft
mit der Regierung geleitet werde zur Förderung des wahren
Wohls und Gedeihens des Vaterlandes.
Frankreich. In Frankreich rumort eS wieder sehr be-
dentlich. In Versailles ist die Bombe wirklich zum Platzen
gekommen und dte junge Republik geht unruhigen Tagen ent-
gegen. ThierS hat nämlich mittelst Botschaft seine Entlassung
als Präsident der Republik eingereicht. Auf einen Antrag der
Rechten wurde darauf Mac Mahon mit 390 Stimmen zum
Präsidenten der Republik proklamirt. Mae Mahon nahm die
kjahl an. Die monarchistische Rechte hat also ihren längst ge-
Planten parlamentarischen Staatsstreich endlich durchgeführt und
ist zur Gewalt gelangt.
Tie Entwicklung dieser politischen KrisiS ist folgende: Am
24. Mai hielt Thiers in der Nationalversammlung die von
ihm angekündete sehr konservative Rede, worin er die ganze
Verantwortlichkeit für die Politik der Regierung übernahm
und andererseits auf seine Verdienste, namentlich auf die Befreiung
Gießkünstler, das merk' ich an der Art zu modelliren, oder Ihr
arbeitet in Gold und Silber?" Friedrich sah ganz traurig vor
sich nieder und fing dann kleinmüthig an: „Ach lieber Herr, Ihr
haltet mich für etwas viel Besseres und Höheres, als ich wirklich
bin. Ich will eS Euch nur geradehin sagen, daß ich die Küper-
Profession erlernt habe, und nach Nürnberg zu einem bekannten
Meister in Arbeit gehen will. Ihr werdet mich nun wohl ver-
achten, da ich nicht herrliche Bilder modelliren und zu gießen ver-
mag, sondern nur Reife um Fässer und Kufe schlage." Neinhold
lachte laut auf und rief: „9hm das ist in der That lustig. Ich
soll Euch verachten, weil Ihr ein Küper seid, und ich — ich
bin ja selbst gar nichts anderes als das." Friedrich blickte ihn
starr an, und wußte nicht was er glauben sollte, denn Reinhold's
Anzug paßte freilich zu--nichts weniger, als zu einem reisenden
Küpergesellen. Das Wamms von seinem schwarzen Tuch, mit ge>
rissenem Sammt besetzt, die zierliche Halskrause, das kurze, breite
Schwert, das Baret mit einer langen herabhängenden Feder ließ
eher auf einen wohlbegüterten Handelsmann schließen, und doch
lag wieder in dem Antlitz, in der ganzen Gestalt des Jünglings
deS Gebietes hinwies. Eine monarchische Regierung erachte er
für praktisch unmöglich; eS gebe nur einen Thron und drei
Prätendenten, die ihn einnehmen möchten.
Diese Rede scheint nun den Monarchisten nicht gefallen zu
haben. Die Bemerkung von Thiers, daß er sein Amt nicht
gesucht und nur mit Verdruß und Bitterkeit trage, hatte keinen
Eindruck mehr auf sie gemacht. Ereoul beantragte in ihrem
Namen eine motivirte Tagesordnung über die Interpellation
Büffet und Genossen, dahin gehend, daß das neue Ministerium
den confervativen Interessen nicht die berechtigte Genugtuung
leiste. Minister Dusaure erklärte darauf die Regierung nehme
nur einfache Tagesordnung über die Interpellation Büffet an.
Diese wurde in der Abstimmung mit 362 gegen 348, also
14 Stimmen Mehrheit, verworfen
Nun war die Regierung geschlagen und die KrisiS da.
In der Abendsttzung zeigte Dufaure an, daß am Nach-
mittag die Minister ihre Demission eingereicht haben. ThierS
habe dieselbe angenommen und gleichzeitig folgende Botschaft
an die Versammlung gerichtet: „Herr Präsident! Ich habe die
Ehre, der Nationalversammlung meine Demission als Präsident
der Republik zu übermitteln, wobei es selbstverständlich ist, daß die
Regierung allen ihren Pflichten nachkommen wird, biS sie re-
gelrecht ersetzt ist. ThierS, Mitglied der Nationalversammlung."
Büffet verlieSt einen von zahlreichen Abgeordneten der Linken
unterzeichneten Antrag, dahingehend, daß die Versammlung die
Demission ThierS nicht annehme. Der Antrag wurde mit 368
gegen 339 Stimmen verworfen. Büffet versucht zu sprechen,
wird aber mehrere Male unterbrochen. Heftiger Tumult.
Büffet setzt sich wieder.
Nachdem der Tumult sich etwas gelegt hat. schreitet man
zur Abstimmung. Mac Mahon wird zum Präsidenten der
Republik proklamirt mit 390 Stimmen gegen Grevy Büffet
und das Bureau der Versammlung begeben sich zu Mac Mahon,
um ihn vom Resultat der Wahl zu benachrichtigen.
Abendö ii% Uhr zeigte Büffet an, daß Mac'Mahon,
allerdings nur ungerne, die Präsidentschaft übernehme Die
gegenwärtigen Minister führen bis auf Weiteres die Geschäfte
sort.
Italien. Nach den neuesten Berichten ist daS Befinden
deS Papstes wieder ohne Gefahr.
Oesterreich. Wir entnehmen einem Leitartikel der „All-
gemeinen Zettung" folgende Bemerkungen über den großen
Börsenkrach:
Die auSgebrochene BörfenkrifiS ist nicht bloS unerwünscht
und unerwartet, nicht erfreulich und beschämend, sie ist eine
wahre LandeSkalamität und schädigt daS Ansehen des Reiches,
weil daS wenig solide innere Getriebe bloß gelegt wird. Das
Unglück Oesterreichs besteht, diese Sache betreffend, wohl nur
ein wunderbares Etwas, das dem Gedanken an den Handelsmann
nicht Raum gab, Neinhold merkte Friedrichs Zweifel, er riß sein
Neisebündel auf, und holte sei» Küperschnrzsell, sein Messerbesteck
hervor und rief: „Schau doch nur her, mein Freund, schau doch
nur hm:! — zweifelst du noch daran daß ich Dein Kamerad bin?
— Ich weiß, Dir ist mein Anzug befremdlich, aber ich komme
von Straßburg, da gehen die Küper stattlich einher wie Edellente.
Freilich hatte ich sonst, gleich Dir, auch wohl Lust zu etwas An-
derm, aber nun geht mir das Knperhanowerk über Alles, und ich
habe manch' schöne Lebenshoffnung darauf gestellt. Geht's Dir
nicht auch so, Kamerad! — Aber beinahe scheint es mir, als
habe sich mwersehens ein düstrer Wolkenschatten in Dein heiteres
Iugendleben hineingehängt, vor dem Du nicht fröhlich um Dich
zu blicken vermagst. Das Lied das du vorhin sangst, war voll
Liebessehnsucht und Schmerz, aber es kamen Klänge darin vor,
die wie aus meiner eigenen Brust hervorleuchteten, und es ist mir, als
wiHe ich schon Alles, was in Dir verschlossen. Um so mehr
magst Du mir Alles vertrauen, werden wir denn nicht ohnedies
in Nürnberg wackere Kumpane sein und bleiben?" Reinhold schlang