Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

dach zum Handelsminister ernannt. Jtzenblitz hat bekanntlich 
in der Verhandlung über die Wagner'sche Eisenbahnaffaire dar- 
gethan, daß er über wenig Kenntnisse und Erfahrungen in 
seinem Fache gebiete. Noch mehr war daS bei einem jetzt ver 
storbenen Minister der Fall, der, als er die Finanzen über- 
nahm, nicht viel mehr wußte, als daß der Thaler 30 Silber- 
grofchen hat. Der neue preußische Handelsminister Achenbach 
ist bürgerlicher Herkunft und so besteht denn das preußische 
Ministerium jetzt zur Hälfte aus Bürgerlichen. Der Unterschied 
zwischen bürgerlich und adelig veraltet immer mehr. Selbst in 
Oesterreich, der Hochburg der festländischen Aristokratie, hat es 
schon ein ganz bürgerliches Ministerium gegeben. Und in Frank- 
reich haben in jüngster Zeit fast ausschließlich Männer bürger- 
licher Herkunft die öffentliche Gewalt in Händen. Die Aristo- 
kratie des Geistes und Charakters erringt dem Fortschritte der 
Zeit gemäß immer mehr die Oberherrschaft und ist in unserer 
Zeit jener des ReichthumS und der Geburt mindestens eben^ 
bürtig. 
Oesterreich. In Wien wird augenblicklich der AuSstel- 
lungS-Jubel von einer plötzlichen Börsenpanik in sehr unsanfter 
Weise unterbrochen. Wie man der „Allg. Ztg." schreibt, hat 
Wien und hat selbst die Welt eine ähnliche Deroute der Bör- 
senwerthe noch nicht gesehen. Man schätzt die Werthe, die in 
den letzten Tagen durch die BörsenkrisiS verloren gingen, bis- 
her über 300 Millionen. Die Politik ist an dieser Katastrophe 
des goldenen KalbeS ganz unschuldig; schuld daran ist lediglich 
die bis an den Wahnsinn getriebene Erwerbsbegier, der Grün- 
Verschwinde! und der maßlose Wucher, welche nicht bloß an 
der Börse selbst zahlreiche Opfer schon gefordert haben und 
noch fordern werden, sondern die weitesten Kreise, welche die 
mühsame tägliche Arbeit aufgegeben, um mühelos über Nacht 
im Börsenspiel reich zu werden, mit einer erschreckenden Heim- 
suchung bedroht, — ein pytenzirteS Königsgrätz mitten in dem 
Stolz und Jubel deS Friedensfestes der zivilisirten Welt. Frei- 
lich haben die großen Bankhäuser und Bankinstitute unter Bei- 
hülfe des Staates 20 Millionen zur Verfügung gestellt, um 
der KrislS Einhalt zu chun, aber Alles das, heißt es, ist nur 
ein Tropfen auf einen heißen Stein. 
Die Regierung ist zur äußersten Maßregel geschritten, in- 
dem fle die Suspension des die unbedeckte Notenmenge fest- 
setzenden Artikels 14 der Bankakte aussprach. 
Der Nationalbank ist also das Recht eingeräumt worden, 
über die in Artikel 14 gesetzlich stipulirte unbedeckte Banknoten 
summe von 200 Millionen nach Maßgabe des Bedarfs Papier- 
geld in Umlauf zu setzen; sie ist an keine Ziffer mehr gebun- 
den, nur der wirkliche Bedarf, der sich in Folge der KrisiS 
zeigen wird, soll den Maßstab bilden für die Produktion des 
papierenen Werthzeichens i 
duldig ein, ich bleibe dabei, daß mein Eidam nun ein für alle- 
mal kein Anderer sein soll, als ein tüchtiger Küper," Paumgart- 
ner wäre beinahe zornig geworden über Märtins Eigensinn, doch 
hielt er an sich, und stand auf, indem er sprach: „es ist spät 
geworden Meister Martin, laßt uns jetzt aushören mit Trinken 
und Reden, beides scheint uns nicht mehr dienlich zu sein." Als 
sie nun hinaustraten auf den Flur, stand ein junges Weib da 
mit fünf Knaben, von denen der älteste kaum acht, der jüngste 
kaum ein halbes Jahr alt sein mochte. Das Weib jammerte 
und schluchzte. Rosa eilte den Eintretenden entgegen nnd sprach: 
„Ach Gott im Himmel, Valentin ist nun doch gestorben, dort 
steht sein Weib mit den Kindern." „Was — Valentin gestor 
ben ?" rief Meister Martin ganz bestürzt — „ei über das Un- 
glück — über das Unglück! — Denkt Euch," wandte er sich 
dann zu Paumgartner, „ denkt Euch mein würdiger Herr! Valentin 
war der geschickteste Geselle den ich in der Arbeit hatte, und 
dabei fleißig und fromm. Vor einiger Zeit verwundete er sich 
bei dem Bau eines großen Fasses gefährlich mit dem Lenkbell,' 
die Wunde wurde schlimmer, er verfiel in ein heftiges Fieber, 
DaS biedurch steigende Agio übt auch auf den Verkehr 
unseres Ländchens einen mehr oder weniger großen Schaden 
aus, besonders muß das die untere Landschaft empfindlich fühlen. 
Uebrig>enS kann dieser großartige „Börsenkrach" auf die 
sozialen Verhältnisse nur von heilsamer Rückwirkung bleiben, 
da daS seit Jahren so unsittliche und doch glänzende Börsen- 
bild mit den über Nacht zu Millionären gewordenen Spielern 
jetzt seine gräßliche Kehrseite zeigt und die ehrliche, redliche 
Arbeit wieder zu einiger Geltung kommt. 
Ueber die Ausdehnung dieses UebelS giebt ein Korrespon- 
dent der „Felvk Ztg." ein sehr anschauliches Beispiel. Er 
schreibt: " WaS die Börse und den „großen Krach" betrifft, 
kommen immer haarsträubendere Dinge zum Vorschein über 
den Antheil, welchen die wiener Gewerbewelt an dem wilden 
Treiben der Spekulation genommen. Wie man weiß, hatten 
hiesige sogenannte Börsen-ComptoirS gewisse Spiel-Consortien 
mit je 500 Theilnehmern gegründet, und ein Blatt, die jetzt 
regenerirte Morgenpost, veröffentlicht recht anmuthige Details 
über die Zusammensetzung einer solchen Spielgesellschaft. Un- 
ter den Theilnehmern befanden sich zunächst 27 Damen, und 
zwar zwei Gräfinnen, eine Baronin, vier Hausbesitzerinnen, 
eine Beamtengattin, sieben Dienstmädchen und zwölf Jnhabe- 
rinnen von Geschäften Die Herrenwelt ist durch 238 Ge- 
werbetrelbende vertreten, und zwar durch 23 Schneidermeister, 
7 Schlosser, 13 Schuhmacher, 3 Anstreicher, 14 Hutmacher, 
26 Greißler, 2 Bürstenbinder, 18 Fuhrwerksbesitzer, 3 Kamm 
macher, 6 Destillateure, 9 Bäcker, 17 Fleischer, Wurstmacher, 
4 Golvarbeiter, 3 Posamentirer, 4 Sattler, 9 Färber, 11 
Klempner, 19 Tischler, 2 Friseure, 1 Strumpfwirker, 9 Gla 
ser, 2 Wichs-Fabrikanten, 16 Buchbinder, 1 Chocoladenmacher. 
und 39 Kurzwaarenhändler. Die übrigen 235 Personen des 
Spiel-Consortiumö sind Beamte, doch befinden sich auch ein 
Major, zwei Lieutenants, ein Geistlicher u. s. w. unter dieser 
Zahl. Dergleichen Ziffern geben besser als bogenlange Rai- 
sonnementS von der Ausdehnung und Macht deS sozialen 
Uebels Kunde. 
(Weltausstellung.) In der Woche vom 26. April bis 4. Mai 
betrug die Zufuhr an Ausstellungsobjekten 63,435 Ztr., wofür 
907 Wagen erforderlich waren. Es wurden zugeführt aus den 
österreichischen Kronländern 18,863 Ztr., aus Ungarn 8323 
Ztr., aus Deutschland 10,138 Ztr., Frankreich 5497 Ztr., 
England 5401 Ztr., Rußland 694 Ztr., Italien 4981 Ztr., 
' Belgien 6748 Ztr., Schweden 384 Ztr., Dänen rk 147 Ztr., 
Schweiz 399 Ztr., Türkei 31 Ztr., Spanien 32 Ztr., Amerika 
471 Ztr., Marokko 150 Ztr., China 333 Ztr., Japan 583 
Ztr., Aegypten 260 Ztr. Von den im AuSstellunqsrayon be- 
findlichen Telegraphenstationen wurden in der Woche vom 
28. April bis 4 Mai 2224 Depeschen befördert, und zwar 
und hat nun gar sterben müssen, in seinen blühendsten Iahren." 
Darauf schritt Meister Martin zu auf das trostlose Weib, die, 
in Thränen gebadet, klagte, daß sie nun verderben werde in 
Noch und Elend. „Was," sprach Martin, „was denkt Ihr 
denn von mir, in meiner Arbeit brachte sich Euer Mann die ge- 
fährliche Wunde bei, und ich sollte Euch verlassen in Eurer Noth? — 
Nein, Ihr alle gehört fortan zu meinem Hause. Morgen, oder 
wenn Ihr wollt, begraben wir Euern armen Mann, und dann 
zieht Ihr mit Euern Knaben auf meinen Meyerhof vor dem 
Frauenthor, wo ich meine schöne offene Werkstatt habe, und tag- 
lich mit meinen Gesellen arbeite. Da könnt Ihr dann meiner 
Hauswirthschast vorstehen, und Eure tüchtigen Knaben will ich 
erziehen, als wären es meine eigenen Söhne. Und daß Ihr's 
nun wißt, Euern alten Vater nehme ich auch in mein Haus. Das 
war sonst ein tüchtiger Küpergeselle, als er noch Kraft in den 
Armen hatte. Nun! — wenn er auch nicht mehr Schlägel, 
Kimmkeule oder Bandhacke regieren, oder auf der Fügbank ar- 
beiten kann, so ist er doch wohl noch des Dechsels mächtig, oder 
schabt mir mit dem Krummmesser die Bände aus. Genug er
	        

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