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Im Dorfe Einsiedel» sind für das laufende Jahr wieder
83 Wirtbschastspatente gelöst worden.
Italien. DaS wichtigste Ereigniß in Italien ist die be-
bedenklicheBeränderunq im Befinden des Papstes. Jedoch sind
die Zeitungsberichte so verschieden und oft geradezu wieder-
sprechend, daß man nicht weiß, wem man glauben soll. Nach den
einen ist der Papst sehr bedenklich krank, nach den andern
nur unbedeutend. Der Papst soll auch bereits angeordnet
haben, daß im Falle seines Ablebens die Neuwahl des kom-
Menden Papstes praesente enäavere, d. h. in Anwesenheit sei-
ner Leiche stattzufinden habe, damit auf diese Art der päpstliche
Stuhl möglichst rasch wieder besetzt werde.
Verschiedenes.
Große Linden Nach den Mitteilungen von I. M.
in S. A. und N. W. ist die größte Linde Deutschlands die
in Forst (in der Nähe der Stadt Aachn,). Die gegenwärtige
Höhe beträgt zwar nur mehr etwa 70 Fuß, da elementare
Ereignisse diesem noch immer kräftigen Baume stark zugesetzt
haben; der gegenwärtige Umfang an der schmälsten Stelle
inmitten des Stammes beträgt 27, an der dicksten Stelle etwa
45 Fuß, also einen Durchmesser von 15 Fuß. Sachkundige
Botaniker schätzen das Alter dieses Riesenbaumes auf 800
Jahre. Andere durch ihren Riesenbau berühmte Linden, die
jedoch den Vergleich mit der Forsterlinde nicht aushalten, sind:
die berühmte und berüchtigte Vehmlinde auf dem Bahnhofe zu
Dortmund, die kolossale Korbinianslinde in Freising in Bay-
ern, der bekannte Lindenbaum im Burghofe zu Nürnberg, die
große Linde auf der Insel Reichenau bei Eonstanz :c.
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vi-. Rudolf Schädler.
(Die Redaktion ist für Einsendungen, die unter diesen Strich
gesetzt werden, nicht verantwortlich.)
(Eingesandt.)
Triefen, den 12. April. Obiges Datum führend, fand
sich in Nr. 13 der „Liechtensteinischen Wochenzeitung" eine Ein-
sendung, betreffend den Mangel eines sogenannten heiligen
Grabes in unserer Pfarrkirche.
Prima vista, d. h schon auf den ersten Anblick zeigt nicht
allein die Anonymität (NamenSverschweigung), sondern auch
der ganze Styl derselben, daß eS den Verfassern weniger um
das sogen, hl. Grab zu thun ist, als vielmehr darum, ihren
tadelsüchtigen Herzen wieder einmal Genüge leisten zu können;
denn, wenn ihnen wirklich der Mangel desselben viel Schmer«
zen verursacht hätte, warum sich nicht früher hören lassen,
nachdem dasselbe schon seit a ch t Zahren wegen Erstellung des
neuen HochaltareS nicht mehr aufgerichtet werden konnte?
Abenddämmerung einbrach, schwül und dunstig, deßhalb führte
Meister Martin seinen edeln Gast in die geräumige kühle Prang-
küchen. So hieß zu jener Zeit der Platz in den Häusern der
reichen Bürger, der zwar wie eine Küche eingerichtet, aber nicht
zum Gebrauch, sondern nur zur Schau mit allerlei köstlichen Ge-
räthschaften des Hausbedarfes ausgeschmückt war. Kaum ein-
getreten, rief Meister Martin mit lauter Stimme: „Rosa —
Rosa!" — Alsbald öffnete sich denn auch die Thür und Rosa,
Meister Martin's Tochter, kam hineingegangen. —
Möchtest Du, vielgeliebter Leser, in diesem Augenblicke doch
recht lebhaft Dich der Meisterwerke uusers großen Albrecht Dürer's
erinnern! Möchten Dir doch die herrlichen Iungfrauengestalten
von hoher Anmuth, voll süßer Milde und Frömmigkeit, wie sie
dort zu finden, recht lebendig aufgehen. Denk' an den edlen,
zarten Wuchs, an die schön gewölbte, lilienweiße Stirne, an das
Inkarnat, das wie Rosenhauch die Wangen überfliegt, an die
feinen, kirschroth brennenden Lippen, an das in frommer Sehn-
sucht hinschauende Auge, von dunkler Wimper halb verhängt, wie
Mondstrahl von düsterm Laube — denk' an das seidene Haar
ES scheint aber, daß die Einsender, oder vielmehr der Be-
treffende, dessen Name schon zu bekannt ist, als daß er sich
hinter der viel- und mißbrauchten Unterschrift: „Mehrere Bür-
ger von . . . hätte verschanzen müssen, entweder zur Zeit,
da das genannte hl. Grab aufgerichtet war, sich nie bei oder
vor demselben sehen ließ, oder sollte eS doch der Fall gewesen
sein, gar kein Augenmaß besitzt und besessen hat, da der jetzige
Hochaltar bedeutend höher ist, als der frühere, zu welchem ge-
nanntes Grab gemacht worden war, waS aber der löbliche
Schreiber jener Einsendung leider nicht gesehen haben muß;
oder endlich, was am wahrscheinlichsten ist, daß er jene Zeilen
einfach darum gedrechselt hat, um seinem kritisirsüchtigen, aber
keineswegs krittsirtüchtigen Geiste freien Lauf lassen zu können.
Hatte er eine gründliche Rüge über meine Handlungsweise
anbringen wollen, warum dann, statt mit Beweisen für seine
Ansicht, mit Worten und Phrasen um sich schlagen, die nur
sein geringes Wissen in der kirchlichen Liturgie offenbaren.
Wäre der Einsender besser bewandert in derselben, würde er
nicht mit wahrer Emphase (Kraft, Nachdruck) einen Ruf des
Schmerzens wegen der Plünderung des Altares ertönen lassen;
denn bekanntlich ist es Kirchenvorschrift, daß die sog. 6enu6atio
altarium (Entblößung, oder mit dem Einsender zu reden, „Aus-
Plünderung" der Altäre) gleich nach der Messe am Gründon-
nerstag vorgenommen werde und verbleibe bis zur Aufer-
stehungsfeier.
Letztlich diene ihm als punewm satis für seine Liebe zu den
sogen, heiligen Gräbern, daß die Errichtung derselben von der
Kirche nur geduldet, nicht aber eingeführt, noch viel weniger
vorgeschrieben ist.
Tiefer noch als seine Kenntniß in der Liturgie stehen seine
Ansichten in der Kunst und Psychologie, sonst könnte es nicht
geschehen, daß der Schreiber der schon oft genannten Einsen-
dun£ von wahren Karrikaturen (Zerrbildern) von Engeln,
Menschen :c. eine Erhebung zur Andacht erwartet s denn nur
das Schöne zieht die menschliche Seele zum Schönen, oder hat
er (der Einsender) vielleicht in dieser Hinsicht solch' edle Geistes-
anlagen und eine so tief fühlende Seele, daß er schon durch
das bloße Bewußtsein, dieses oder jenes Zerrbild möchte einen
Engel vorstellen, eine Regung des Herzens empfindet, die ihn
auffordert, mit den Engeln im Lobe des Herrn zu wetteifern?
Ferner ist eS fast unglaublich, daß Einer, der einmal die
Stätten der Künste betreten hat, von dem ehemaligen hl. Grabe,
wie es war (ich rede nur von den Gemälden), die Meinung
haben kann, es habe die Gläubigen zur Andacht stimmen können.
Immerhin läßt sich seine Meinung durch die Annahme noch
entschulden, daß der Betreffende nicht seine eigene, sondern
die Anderer, deren blindes Werkzeug er zu'sein scheint, ver-
treten habe.
in zierlichen Flechten aufgenestelt - denk' an alle Himmelsschön
heit jener Zungsrauen, und Du schaust die holde Rosa. Wie
vermöchte auch sonst der Erzähler dieser Geschichte Dir das liebe
Himmelskiud zu schildern? — Doch sei es erlaubt, hier noch
eines wackern jungen Künstlers zu gedenken, in dessen Brust ein
leuchtender Strahl aus jener schönen, alten Zeit gedrungen. Es
ist der deutsche Maler Cornelius in Rom gemeint. — „Bin
weder Fräulein, noch schön!" — So wie in Cornelius Zeich-
nungen zu Göthe's gewaltigem Faust Margaretha anzuschauen
ist, als sie diese Worte spricht, so mochte wohl auch Rosa an-
zusehen sein, wenn sie in frommer, züchtiger Scheu übermüthigen
Bewerbungen auszuweichen sich gedrungen fühlte.
Rosa verneigte sich in kindlicher Demuth vor Paumgartner,
ergriff seine Hand und drückte sie an ihre Lippen. Die blassen
Wangen des alten Herrn färbten sich hochroth, und wie der
Abendschein, im Versinken noch einmal aufflackernd, das schwarze
Laub plötzlich vergoldet, so blitzte das Feuer längst vergangener
Jugend ans in seinen Augen.
(Fortsetzung folgt.)