Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

nur zum Nachtbeil der letzteren ausfällt. Kurz, man hat seit 
1859 Politik etwaS im Geiste Machiavelli'S gemacht, rechtS 
und links dabei angestoßen, schließlich wohl doch daS Ziel er- 
reicht. Hatte man dabei auch die einem Großstaat unumgäng- 
Uch nörhiqe Kraft gewonnen, so könnte man ruhig den kom- 
Menden Ereignissen entgegensehen, gestützt auf gutes Recht, 
das Schwert und den vollen Geldbeutel. Leider ist eS mit 
Rummer 2 und 3 in Italien nicht zum besten bestellt. Man 
kann in den Schattirungen des UrtheilS differiren, im Allge- 
meinen macht der italienische EinheitSbau auf Niemanden den 
Eindruck, alS fei er besonders fest und solid. 
Wie dem nun immer sei, unläuqbar ist es. daß der Ge- 
danke eines französisch-italienischen Krieges ganz Italien erfüllt, 
wie derselbe nur eine Zeitfrage sei, etwas, daS vielleicht ver- 
schoben, aber nicht aufgehoben werden könne. Darum sagte 
daS Ministerium zur eigenen Partei: zeigen wir keine Furcht, 
indem wir vor der Zeit rüsten, sonst könnten wir den Krieg 
früher haben, als wir denken, jedenfalls früher, als die Nüst- 
ungen beendigt, die Armee organisirt unv die Festungen gebaut 
sind. Es ist charakteristisch, wie fast jeder Krieg in den letzten 
20 Jahren schon lange früher vorausgesehen und als unaus 
weichlich betrachtet worden ist, so daß zu demselben diplomatische 
und militärische Vorbereitungen getroffen werden konnten, wie 
allenfalls zu einem Turnier: so der Krieg 1859 seit dem Pa- 
riser Frieden, der Krieg zwischen Oesterreich und Preußen seit 
1864, der deutsch-französische seit Königgrätz. 
Die Furcht ver Italiener vor einer kriegerischen Verwick- 
hing mit Frankreich entspringt nicht nur dem Gefühl der in- 
neren Schwäche und ihrer politischen und militärischen Jnferiori- 
tat selbst gegenüber vem vielfach gedemüthigten Frankreich, daS 
aber dennoch so deutliche Beweise seiner unverwüstlichen Lebens- 
kraft gegeben, sondern auch dem Umstände, daß sie sich diplo- 
matisch isolirt fühlen. Der Krieg mit Frankreich kann nur 
möglich sein, wenn Deutschland denselben zugibt; wenn die 
Italiener also von einem solchen Krieg reden, so nehmen sie 
schon an, daß Deutschland hiebei neutraler Zuschauer bleiben 
werde. Es wäre zu viel, alle hieher gehörigen „Wenn und 
Aber" zu erörtern, die Italiener fühlen, daß sie nichts für 
Deutschland gethan, als wofür sie sich auch gleich selbst bezahlt, 
daß sie also auch kein Recht haben, von Deutschland Opfer 
zu verlangen; Deutschland könnte aber auch einmal damit ge- 
dient sein, sich Frankreich zu verbinden, selbst auf Kosten Italiens. 
Wie gesagt, wir erörtern nicht die Möglichkeit oder Wahrschein- 
lichkeit einer derartigen Politik; daß aber die deutsche Okku- 
pation so bald aufhört, die Verhandlungen so glatt abgelaufen, 
die deutsche Thronrede so freundliche Worte für Frankreich hatte 
kennen, ob seiner großen Geschicklichkeit und tiefen Erfahrniß in 
der Kunst, den edlen Wein zu hegen und zu pflegen. Sein 
wack'rer Fleiß, sein frommes Leben, trotz alles Reichthums, den 
er erworben, mag Euch Allen zum Vorbilde dienen, So feyd 
denn, mein lieber Meister Martin, tausend Mal gegrüßt als unser 
würdiger Vorsteher!" Mit diesen Worten stand Paumgartner von 
seinem Sitze auf und trat einige Schritte vor mit offnen Armen, 
erwartend, daß Meister Martin ihm entgegen kommen werde. Die- 
ser stemmte denn auch alsbald beide Arme auf die Stuhllehnen 
und erhob sich langsam und schwerfällig, wie es sein wohlge- 
nährter Körper nur zulassen wollte. Dann schritt er eben so lang- 
sam hinein in Panmgartner's herzliche Umarmung, die er kaum 
erwiderte. „Nun," sprach Paumgartner darob etwas befremdet, 
„nun, Meister Martin, ist's Euch etwa nicht recht, daß wir Euch 
zu unserm Kerzenmeister erwählet?" — Meister Martin warf, 
wie es seine Gewohnheit war, den Kopf in den Nacken, fingerte 
mit beiden Händen auf dem dicken Bauche und schaute mit weit 
aufgerissenen Augen, die Unterlippe vorgekniffen, in der Versamm 
lung umher. Dann fing er, zu Paumgartner gewendet, also an: 
„Ei, mein lieber, würdiger Herr, wie sollt' es mir denn nicht 
recht sein, daß ich empfange, was mir gebührt. Wer verschmäht, 
-- dies Alles hat die Italiener besorgt und nachdenklich ge- 
macht. Daß die ursprüngliche Verbitterung zwischen den beiden 
Gegnern einer ruhigeren und freundlicheren Stimmung Platz 
macht, ist ihnen ganz und gar nicht recht. Mit jenem instinktiv 
richtigen politischen Gefühl. daS ihnen nicht abzusprechen, fühlen 
sie, daß eine neue Phase beginnen werde, so bald der letzte 
deutsche Soldat den französischen Boden verlassen hat. 
Verschiedenes. 
Für die Wiener Weltausstellung richten sich die Nlmer 
praktisch ein. Sie richten die Donauschiffe, welche massenhaft 
in Ulm gebaut werden, zu Wohnungen mit je 18 Zimmern 
ein, lassen sie die Donau nach Wien schwimmen und legen sie 
im Donauwasser, welches der wohlfeilste Bauplatz ist, vor 
Anker. Man sagt, die Schwaben werden erst im 40. Jahr 
gefcheidt, aber im 40. Jahre werden sie es. 
Das Amtsgeheimnis in Telegraphen-Aemtern. Ein 
naher Verwandter des gegenwärtigen ungarischen Handels- 
Ministers, Grafen Zichy, gab Herrn von Szlavy zur Zeit, als 
dieser noch dem Handelsressort vorstand, Gelegenheit zu einem 
artigen Witze. Der erwähnte Verwandte Zichy erhielt nämlich 
von seiner Gemahlin ein Telegramm mit derartig verstümmelt- 
tem Text, daß demselben kein Sinn zu entnehmen war. Der 
hierüber erzürnte Herr sendete nun seiner Gemahlin folgende 
Draht-Antwort: „Obwohl diese Esel von Telegrapbisten Dein 
Telegramm bis zur Unverständlichkeit verstümmelten, antworte 
ich doch jc." Mit begreiflichem Unmuthe besorgten die Tele- 
graphisten die Abfendung dieses Telegrammes und nahmen 
dann beim Handelsminister Audienz, um sich über den Affront, 
der ihnen angethan wurde, zu beschweren. Herr v. Szlavy 
gerieth in Verlegenheit; einerseis mochten die Herren Beamten 
eS mit der Genauigkeit im Abtelegraphiren nicht allzu gewissen- 
Haft genommen haben, anderseits war die gräfliche Rüge denn 
doch zu stark und zwar um so mehr, als die Ausrede der 
Telegraphisten, daß die Frau Gräfin eine sehr undeutliche 
Handschrift und eine ganz ungewöhnliche Orthographie produ- 
zirt habe, ziemlich stichhaltig war. Herr v. Szlavy half sich 
mit folgendem geistreichen Impromptu. Er fragte die beschwerde- 
führenden Beamten: „Kennen Sie daS Dienstreglement?" — 
Diese erwidern natürlich mit Ja. — „Nun, was sagt § 1?" — 
„Daß jede Depesche für die Beamten ein Amtsgeheimniß be- 
deute." — „Also, meine Herren, betrachten Sie die Depesche 
des Herrn Grafen als Amtsgeheimniß." 
Amerika. Der amerikanische Luftschiffer Professor Donald- 
son beabsichtigt, in diesem Sommer in einem großen Luftballon 
den Lohn zu nehmen für wack're Arbeit, wer weiset den bösen 
Schuldner von der Schwelle, der endlich kömmt, das Geld zu 
zahlen, das er seit langer Zeit geborgt. Ei, ihr lieben Männer 
(so wandte sich Martin zu den Meistern, die rings umher saßen), 
ei, ihr lieben Männer, ist's Euch denn nun endlich eingefallen, 
daß ich, — ich der Vorsteher unserer ehrbaren Zunft sein muß? 
— Was verlangt Ihr vom Vorsteher? — Soll er der Ge- 
schickteste sein im Handwerk? Geht hin und beschaut mein zwei- 
fudriges Faß ohne Feuer getrieben, mein wack'res Meisterstück an, 
und dann sagt, ob sich einer von Euch rühmen darf, was Stärke 
und Zierlichkeit der Arbeit betrifft, Aehnliches geliefert zu haben. 
Wollt Ihr, daß der Vorsteher Geld'und Gut besitze? Kommt in 
mein Haus, da will ich meine Kisten und Kasten aufschließen 
und Ihr sollt Euch erfreuen an dem Glanz des funkelnden Gol- 
des und Silbers. Soll der Vorsteher geehrt sein von Großen 
und Niedern? Fragt doch nur unsere ehrsamen Herren des 
Raths, fragt Fürsten und Herren rings um unsere Stadt Nürn 
berg her, fragt den hochwürdigen Bischof von Bamberg, frqgt, 
was die Alle von dem Meister Martin halten. Nmt, ich denke, 
Ihr sollt nichts Arges vernehmen!" — 
(Fortsetzung folgt.)
	        

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