Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

gehenden Nutzen bringen. Es ist zwar nicht zu verkennen, 
daß wegen der erwähnten Neigung das Bett zu erhöhen und 
seinen (geologisch) berechtigten Rinnsaal zu behaupten, welches 
ihm bereits durch Menschenhand größtenteils abwendig gemacht 
ist, der Kampf mit dem Rhein nie ohne schwere Schädigung 
für die Anwohner ruhen darf, aber statt durch die bisher an- 
gewantten Mittel ihm die Möglichkeit der fortwährenden Er- 
höhung zu geben, sollte man vielmehr durch unausgesetzte Ver- 
tiefung (mittelst Bagqer»Maschinen) seines Bettes das Uebel 
in der Wurzel zu fassen und zu verringern trachten. Freilich 
setzt das vorgeschlagene Verfahren ein einmüthiges Vorgehen 
Seitens der betheiligten Länder voraus und müßte, um nicht 
durch dasselbe die Gegenden nächst der Mündung in den Bo- 
densee noch viel schwerer zu schädigen, auch eine Vertiefung 
des Rheinbettes zwischen dem Rheinfall bei Schaffhausen und 
dem Bodensee durch systematische Felssprengungen in Angriff 
genommen werden. Künstliche Beseitigung deS Rheinfalles und 
dadurch Erniedrigung deS Bodenseespiegels, verbunden mit Bag- 
gungen im obern Rheingebiet, das wäre daö preiöwürdige, un« 
serer Kulturepoche würdige Ziel, welches die betheiligten Länder 
zur radikalen Abwehr einer immer wiederkehrenden Calamität 
anstreben sollten. 
Vaduz, 8. April. (Vorarlberger Bahn.) Wir haben in 
der vorigen Nummer gemeldet, daß mit 1. Mai ein Eilzug 
eingeschoben werde, der Mittags von Schaan abgehe. Wir 
berichtigen dieses dadurch, daß wir auS der soeben erschienenen 
Sommerfahrordnung einiges angeben: 
In der Richtung Buchs—Feldkirch. 
1. Zug: Abfahrt in Buchs 10 10 Vormittags, Ank. in Feld- 
kirch 10 50 (Anschluß nach Bludenz). 
2. Zug: 7. 10 Abends, Ank in Feldkirch 7. 45 (Anschluß nach 
Bregenz—Lindau) 
3. Zug: 8. 51 Abends, Ank. in Feldkirch 10. 15 . 
In der Richtung Feldkirch—Buchs. . ; 
1. Zug: 7 45 Vormittags. — 2. Zug: 4 2 g Nachmittags. — 
3. Zug: 8 Ubr Abenvö. (Alle 3 Züge mit Anschluß 
nach Ragaz—Chur.) 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Die bedeutendste Thatsache ist das endliche 
Durchdringen der deutschen Reichöeinbeit. Der Reichstag nahm 
Jeden Morgen versammelte sich die ganze Bevölkerung zum 
Gebet; dann ging jedes an sein Werk, das ihm von den Offi- 
zieren zugetheilt war, man mußte die Zelte reinigen, etwas aus- 
bessern, fischen, jagen, nach dem Wrack sehen 20. Jeden Tag 
wurden die Zelte von dem Sanitätsoffizier untersucht ; die Ueber- 
bleibsel der Fische :c. wurden in ein Boot gesammelt und auf 
der hohen See der Tiefe übergeben. Drei Mal in der Woche 
wurde der Boden der Zelte mit frischem Gras versehen, und 
strenge wurde daraus gehalten, daß die Matrosen ihre Kleider 
wechselten, wenn sie naß geworden, und Dank der Fürsorge für 
Reinlichkeit und Trockenheit zählte das Krankenzelt nie mehr als 
fünf Kranke zugleich. Nur einmal kam ein schwerer Unglücks- 
fall vor. Ende Juli, Nachts 9 Uhr, leuchtete ein blaues Signal- 
licht von der Höhe; bald kam die Nachricht: wir haben einen 
Mann verloren, er muß über die Klippen gesatlen sein. Laternen 
wurden angezündet und Freiwillige gingen nach allen Richtungen, 
ihn zu suchen. Morgens 5 Uhr hieß es: man hat ihn gefunden; 
er lag auf dem äußersten Rand einer Klippe, unter ihm, 600' 
tief, brandete die See, und wunderbarer Weise hatte der Mann 
kein Glied gebrochen; nach einigen Wochen war er wieder voll- 
kommen hergestellt. Jeden Sonntag wurde feierlich Gottesdienst 
gehalten, und als einige Tage nach der Landung der Schiffbruch 
vom Apostel Paulus auf Malta (Apostelg. 24) vorgelesen wurde, 
da wurde jedes Herz von K-n Worten der Schrift ergriffen; die 
Aehnlichkeit war zu groß, in an war ja auch auf St. Pauls Insel, 
einen Antrag LaskerS, die Reichskompetenz auf daS gefammte 
Zivilrecht, Strafrecht und Gerichtsverfahren auszudehnen, mit 
allen gegen die Stimmen des Zentrums an. Der Reichstag 
hatte schon früher auf Lasters Antrag dahin zielende Beschlüsse 
gefaßt. Das deutsche Volk von 40 Millionen erhielt somit 
ein Recht, kann nach dem gleichen, ihm bekannten Rechte vom 
Rhein bis zur Nordsee handeln und wandeln. Unser Nachbar- 
land, die Schweiz, hat sein Recht nichts weniger als in 22 
Kantonsrechte eingezwängt. 
Im deutschen Reichstage gelangten am 24. März zwei 
Schreiben Bismarks zur Verlesung, betreffend die neueste Eon- 
vention mit Frankreich. Unter großem Beifall deS HauseS be 
antragte Laster, dle Anerkennung des Hauses über die aus- 
gezeichnete Leitung und geschickte Lösung aller Fragen der 
auswärtigen Politik Deutschlands durch den Reichskanzler, aus- 
zusprechen. Dieses Vertrauens- und Dankes-Votum wurve 
einstimmig gegeben. 
Während Thiers und die Franzosen über ihr bestes Gewehr 
und bestes Pulver jubeln, hat Kaiser Wilhelm am 28. v. M. 
in PotSvam vier Kompagnien mspicirt, was nichts Besonderes 
ist; aber diese vier Kompagnien schössen mit dem neuen M a u- 
se r g e weh r. Sie gaben 7 Salven in 30 Sekunden und das 
soll bloß die Hälfte des im Roth fall zu Leistenden sein. Die 
Erfolge seien überraschend und die zwei anwesenden französt- 
schen Militärbevollmächtigten ganz perplex gewesen. 
Auch in Woolwich wird ein neues Mordwerkzeug pro- 
birt, ein unterseeisches Geschütz, welches 8 englische Meilen in 
der Stunde Geschwindigkeit hat. Man verfolgt seine Wirkung 
durch aufsteigende Blasen auf ziemliche Entfernung. 
Oesterreich. Die Wahireformgefetze haben die kaiserliche 
Sanktion erhalten. — Nach Berichten der „Feldk. Ztg." über 
den Stand der Arlbergfrage scheint wenig oder gar keine AuS- 
ficht vorhanden zu sein, daß diese Angelegenheit noch in dieser 
Session im Abgeordnetenhause zur Berathung käme. 
Wie man in maßgebenden Kreisen glaubt, würde die Arl- 
bergsrage erst dem im Herbste zusammentretenden, direkt ge- 
wählten, verstärkten ReichSrathe zur Entscheidung vorgelegt, 
also abermals verschoben werden 
Die in der Nähe von Karlsbad gelegene Stadt Joachims- 
thal (sächsische Grenze) wurde am 31. März binnen 12 Stun- 
den größtenteils in Asche gelegt, und man schätzt die Zahl 
der abgebrannten Gebäude auf 480 bis 500 (Gesammtzahl 
daS Schiff war auch in der Mitte gebrochen, und derselbe gütige 
Gott hatte auch über sie treulich gewacht, „daß sie alle erhalten 
an's Land kamen". War das Tagesgeschäft vollbracht, so suchte 
man sich zu vergnügen, so gut man konnte ; Mannschaft und 
Offiziere boten allem auf, um den Muth aufrecht zu erhalten; 
die Disziplin wurde strenge gehandhabt und der Geist unter den 
Matrosen und Seesoldaten war so gut, daß bei der Ausladung 
des Schiffes nicht das geringste wegkam uud nur ein einziges 
Mal eine Widersetzlichkeit zu bestrafen war. Bewohner hatte die 
Insel schon vorher gehabt, zwei Franzosen aus Neunion; gegen 
die Belohnung von 40 Fr. im Monat hatten sie das Geschäft 
übernommen, in dieser Einöde die Boote und Vorräthe, welche 
wegen der Walfischfahrer aus der Insel gehalten wurden, zu be- 
wachen; der ältere gab sich den stolzen Namen Statthalter. So 
lange die Engländer dort hausten, hatten sie Theil an deren 
Mahlzeiten und leisteten ihnen dafür manchfache Dienste. Eine 
dunkle Sage über die Beiden ging bald von Mund zu Mund: 
früher sei noch ein Neger der Dritte im Bunde gewesen, aber 
die zwei Andern haben ihn ermordet, und eine kleine Hütte, die 
immer sorgfältig verschlossen gehalten wurde, sei der Schauplatz 
der grausigen That gewesen Indessen ist es der Geschichtschrei- 
bung der Zukunft überlassen, die Wahrheit an's Tageslicht ;u 
bringen. Auch Gäste bekamen die Schiffbrüchigen — nicht leicht- 
beschwingte, aber leichtschwimmende — Pinguine. Eines Tages 
landeten sechs dieser eigenthümlichen Vögel und marschirten einer
	        

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