Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

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Rüg gell. Vorsteher: Sebastian Heeb. Kassier: Rudolf 
Oehri. Stellvertreter: Andreas Hoop. 
Schellenberg. Vorsteher: Josef Kaiser. KassierWende 
lin Hasler. Stellvertreter: MathäuS Wohlwend. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Das preußische Herrenhaus ist am 
11. März nach fast sechsstündiger Debatte zum Beschlüsse über 
die Revision der fonfefftoneüen Verfassungsartikel gelangt. Das 
vom Grafen Krassow gestellte Amendement (Selbständigkeit der 
evangelischen und römisch katholischen Kirche namentlich in Be- 
zug auf Lehre und Kultus unter Garantirung ihrer Anstalten 
und Stiftungen, jedoch unter Oberaufsicht des Staates) wurde 
abgelehnt und die neuen Verfassungöartikel angenommen. 
Dieselben bedürfen nur noch der formellen Sanktion des 
Königs. 
Der Kaiser Wilhelm eröffnete am 12. dS. den deutschen 
Reichstag mit einer rein geschäftlichen Anrede. Mit Frank- 
reich hofft der Kaiser die baldige Gebiet^räumung verabreden 
zu können, da seine Hoffnung auf dessen innere Konsolidirung 
sich nicht getäuscht habe. Der europäische Friede sei nament- 
llch durch die Dreikaiserharmonie gesichert. 
Oesterreich. Wir brachten in der letzten Nummer die 
Nachricht, daß die Wahlreform mit 120 gegen 2 Stimmen im 
Abgeordnetenhause angenommen wurde Wir möchten dieser 
Mittheilung beifügen, daß diese scheinbar gewaltige Mehrheit 
nicht gar so groß ist. Der österreichische Reichsrath besteht 
nämlich aus 203 Mitgliedern, von diesen fehlten seit lange 75 
Abgeordnete, 5 waren krank und abwesend gemeldet, der Prä- 
fident stimmt nicht mit. Aus diesen Zahlenverhältnissen ergibt 
sich, daß das neue Gesetz von einem großen Theile der öfter- 
reichischen Bevölkerung als Verfassungsverletzung, als Bruch 
des Grundgesetzes vom Oktober 1860 angesehen wird. Ein 
solcher Zustand muß den Keim von neuen Zerwürfnissen in 
sich bergen. Wäre die Opposition im Reichstage vertreten ge- 
wesen, so wäre der Sieg der VerfassungSparlei ein hoffnungs- 
reicherer. Wo aber die parlamentarischen StrikeS an der TageS- 
ordnung sind, hat ein solches Gesetz, wenn auch seine Rechts- 
kraft durchaus nicht zu bestreiten ist, für den gedeihlichen 
Staatshaushalt viel verloren. Unter dem Ministerium Hohen- 
wart machte die verfassungstreue Partei Strike und jetzt um- 
gekehrt. ES liegt in der Natur der Sache, daß solche parla- 
mentarische Strikes einen tiefgreifenden und zerstörenden Em* 
fluß auf einen konstitutionellen Staat haben müssen. Was 
würde man vergleichnißhalber von einem Gemeinderathe sagen, 
tisch und nicht bemerkend, daß die Spieler immer mehr Vortheil 
ersiegten über den Bankier. 
Der Obrist spielte ruhig weiter. 
„Ihr habt ja aber ein schönes Weib," sprach der Obrist leise, 
ohne den Chevalier anzusehen, die Karten melirmd zur folgenden 
Taille. 
„Was wollt Ihr damit sagen?" fuhr der Chevalier zornig 
heraus. Der Obrist zog ab, ohne dem Chevalier zu antworten. 
„Zehntausend Dukaten oder — Angela," sprach der Obrist 
halb umgewendet, indem er die Karten croupiren ließ. 
„Ihr seid rasend," rief der Chevalier, der nun aber, mehr 
zu sich selbst gekommen, zu gewahren begann, daß der Obrist 
fortwährend verlor und verlor. 
Zwanzigtausend Dukaten gegen Angela," sprach der Obrist 
leise, indem er mit dem Meliren her Karten einen Augenblick 
inne hielt. 
Der Chevalier schwieg, der Obrist spielte weiter und beinahe 
alle Karten schlugen den Spielern zu. 
„Es gilt," sprach der Chevalier dem Obnsten in's Ohr, als 
die neue Taille begann und schob die Dame auf den Spieltisch. — 
Im nächsten Abzug hatte eine Dame verloren. 
wo mehr als ein Drittel der Mitglieder aus reiner Gegner- 
schaft gegen die Zdeen der übrigen Gemeinderathsmitglieder gar 
nicht in den Sitzungen erscheinen würden, obwohl sie von ihren 
Wählern mit dieser Pflicht betraut wurden? 
Unser Nachbarland Vorarlberg ist gegenwärtig gar nicht 
im Reichsrathe vertreten und finden auch deßhalb die Noth- 
wählen statt. Wenn die Neugewählten wie ihre Vorgänger 
wieder Strike machen sollten, dann dürften die Vorarlberger 
füglich sich die Mühe, Wahlen vorzunehmen, ersparen. In 
dem jetzigen Zeitpunkte, wo die Arlbergfrage in Wien behan- 
delt wird, wäre es gewiß doppelt am Platze, wenn die Ge- 
wählten ihrer Pflicht, im Abgeordnetenhause zu erscheinen, nach- 
kommen würden. Im Arlbergbahn-Auoschuß des Abgeordneten- 
Hauses ist kein einziger Vorarlberger, weil eben keiner erschien 
und also auch nicht gewählt werden konnte. 
Nach den Berichten der „N. Fr. Presse" liegen folgende 
Berechnungen der Arlbergbahnkosten vor. Der Ärlbergtunnel 
soll auf 18 Millionen Gulden, die an den Algentunnel an- 
schließenden Bahnstrecken vom Arlberg bis Bludenz einerseits, 
über Landeck nach Innsbruck andererseits in höchster Ziffer auf 
28 Millionen zu stehen kommen. 
Frankreich. Während Frankreichs republikanische Parteien, 
wie Thiers jüngst hervorhob, die Republik für die einzig mög- 
liche Regierungsform ihres Landes halte, behaupten die An- 
Hänger des Königthums dasselbe von der Monarchie, und wie 
sehr auch der jetzige Präsident der französischen Republik in 
seiner letzten Botschaft jene Ansicht begünstigt, so hat er doch 
wieder in seiner jüngsten Rede versucht, es bei keiner Partei 
zu verderben, um die leidenschaftlichere Erregung der Parteien 
in der Nationalversammlung, wie im Lande, wenigstens bis 
zum Abzüge der deutschen Truppen vom französischen Boden, 
. zu beschwichtigen. 
Das „Bien public," Organ von Thiers, versichert, die 
vierte Milliarde werde in 2 Monaten bezahlt sein und bann 
spätestens im Juni die Departements der Vogesen und Arden> 
nen geräumt werden. In 3 Monaten werde definitiv über die 
Zahlung der fünften Milliarde in Wechseln verhandelt werden. 
Ende September werde die Räumung deö Gebietes vollendete 
Thatsache sein. DaS Organ von Thiers bringt es über sich, 
die loyale, rechtliche und gemäßigte Haltung der deutschen Re-- 
giernng anzuerkennen. 
Eben jetzt werden an Deutschland 558 Millionen Kapital 
und Zinsen gezahlt, womit 3% Milliarden entrichtet sind. 
Die Mutter der Exkaiserin Eugenie ist vollständig erblindet. 
Vor einigen Jahren war sie von einem Augenübel geheilt wor- 
den; jetzt verlor sie plötzlich das Gesicht. Die Gräfin Montijo 
Zähneknirschend zog sich der Chevalier zurück und lehnte, Ver 
zweiflung und Tod im bleichen Antlitz, sich in's Fenster. 
Das Spiel war geendet; mit eiuem höhuischen: „Nun, wie 
wird's weiter?" trat der Obrist hin vor den Chevalier. 
„Ha," rief der Chevalier ganz außer sich, „Ihr habt mich 
zum Bettler gemacht, aber wahnsinnig müßt Ihr sein, Euch 
einzubilden, daß Ihr mein Weib gewinnen konntet. Sind wir 
aus den Inseln, ist mein Weib eine Sklavin, schnöder Will- 
kür des vernichten Mannes Preis gegeben, daß er sie zu ver- 
handeln, zu verspielen vermag? Aber es ist wahr, zwanzigtausend 
Dukaten mußtet Ihr bezahlen, wenn die Dame gewann, und so 
habe ich das Recht jedes Einspruchs verspielt, wenn mein Weib 
mich verlassen und Euch folgen will. — Kommt mit mir und 
verzweifelt, wenn mein Weib mit Abscheu den zurückstößt, dem sie 
folgen soll als ehrlose Maitresse!" 
„Verzweifelt selbst," erwiederte der Obrist hohnlachend, „ver- 
zweifelt selbst, Chevalier, wenn Angela Euch — Euch, den ver- 
rnchten Sünder, der sie elend machte, verabscheuen und mit Wonne 
und Entzücken mir in die Arme stürzen wird; — verzweifelt selbst, 
wenn Ihr erfahrt, daß der Segen der Kirche uns verbunden, daß 
das Glück unsere schönsten Wünsche krönt! — Ihr nennt mich
	        

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