Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

Liechtensteinische 
Vaduz, Freitag 
Nr. 8, 
den 14. März 1873. 
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an die Redaction in Vaduz. 
Vaterländisches. 
Rheinkorrektion. 
(Fortsetzung). 
Liechtenstein durfte nicht lange warten, um die Folgen der 
schweizerischen Hochbauten recht schmerzhaft zu fühlen. Wir 
waren selbstverständlich gegen das Vorgehen am schweizerischen 
Ufer nicht gleichgültig. — Was half der energische Protest 
seitens der Hochfürstlichen Regierung! Unsere warmen .und 
eindringlichen Vorstellungen, daß unsere leichten, bis anher 
genügenden Schutzbauten durch die jenseitigen Hochrvuhre weg- 
gefegt, daß wir in kurzer Zeit erliegen und das Land dem 
Verderben Preis geben müssen, unsere Bitten, billige und 
nachbarliche Rücksichten zu tragen: wurden mit dem Bedauern 
abgewiesen: „die Pflicht, ihr eigenes Land zu retten, mache 
auswärtsliegende Rücksichten verschwinden." 
Wir sollten unsere Armuth und Hilflosigkeit noch mehr 
fühlen lernen und zwar noch im Herbste 1872. Das ver 
tragsmäßige Doppelprofil wurde drüben, wie schon erwähnt, 
ohne unsere Zustimmung verlassen und sofort zur einseitigen 
Ausbildung des Hochbaus mit ungeahnter Energie und Hast 
geschritten. Liechtenstein konnte den riesig ansteigenden Hoch- 
wuhren nur schwache Erd- und Kiesdämme entgegenstellen, 
an welchen mit aller Kraft bis Mai 1872 gearbeitet wurde, 
und wozu eine Summe von 50,000 fl. bestimmt war. Die 
ersten Hochwasser, welche letztes Jahr ziemlich frühzeitig ein- 
traten, sind zwar ziemlich günstig verlaufen. Wohl hatten 
die niedern Wuhre stark gelitten, die ungepflasterten Dammbö- 
Feuilleton. 
Spieler-Gluck. 
Eine Erzählung von E. T. A. Hoffmann. 
(Fortsetzung.) 
Während der Priester, der gekommen, den Trost der Kirche 
ihm zu geben, im Dahinscheiden von geistlichen Dingen zu ihm 
sprach, lag er da mit geschlossenen Augen, murmelte zwischen den 
Zähnen — perdu, gagne — machte mit den im Todeskampf 
zitternden Händen die Bewegungen des Taillirens, des Ziehens 
der Karten. Vergebens beugte Angela, der Chevalier sich über 
ihn her, rief ihn mit den zärtlichsten Namen; er schien beide 
nicht mehr zu kennen, nicht mehr zu gewahren. Mit dem inner« 
Seufzer — gagne — gab er den Geist auf. 
In dem tiefsten Schmerz konnte sich Angela eines unheimlichen. 
Grauens über die Art, wie der Alte dahinschied, nicht erwehren. 
Das Bild jener entsetzlichen Nacht, in der sie den Chevalier zum 
ersten Mal als den abgehärtetsten, verruchtesten Spieler erblickte, 
trat wieder lebhaft ihr vor Augen, und der fürchterliche Gedanke 
schungen wurden stark beschädigt, und zeigten sich unzulang- 
lich. Der Druck der schweizerischen Hochwuhre war schon sehr fühl- 
bar und ließ uns erkennen, daß die gewöhnlichen Mittel nicht 
mehr ausreichen werden. AuS diesem Grunde sah sich der 
Landtag veranlaßt, zu einem Anlehen von 125.000 fl. zu 
schreiten, welche auf Erhöhung der Wuhre und Nachbesserung 
der Dämme verwendet werden sollten, und außerdem hätten 
die sieben Rheingemeinden noch 80,000 bis 100,000 fl. in 
nerhalb 3 Jahren zu 'gleichem Zwecke aufzuwenden. Diese 
für uns so bedeutenden Summen scheinen zwar kaum erschwing- 
lich, doch angesichts der Nolhlage mußten alle weitern Beden- 
ken schwinden. 
Allein einige Tage nach dieser wichtigen Beschlußfassung 
mußten wir eine neue große und bittere Ueberraschung erleben. 
Am 6. Oktober erreichte der Rhein eine Höhe von 13—14' 
übeV 0; den Sommer hindurch hatte er 10 —11' nicht über 
stiegen. Auf diese Rheinhöhe in der vorgerückten Jahreszeit 
waren wir nicht gefaßt. Die Dämme in Triefen, Vaduz und 
Schnan waren zum Uebertreten voll. Wäre der Rhein um 
nur y 2 ' höher gestiegen, so wäre heute die Liechtensteinische 
Thalebene von Sand und Geschiebe begraben. 
Wenn 13—14' Rheinhöhe an und für sich gerade nichts 
UeberraschendeS bietet, so ist es vielmehr der Gedanke an die 
Folgen, wenn der Rhein die Höhe von 16—17' erreichen 
sollte — bei einem Gefälle von 1.8 bis 2.5 per mill. und 
einer gesteigerten Wassergeschwindigkeit 14 —16' per Secd. 
Hoffnungslos blickten wir nach der zwar glücklich über- 
standenen Gefahr — Rugqell nicht zu gedenken — auf die 
langen zerstörten Wuhrstrecken; um wie viel trostloser muß 
in ihre Seele, daß der Chevalier die Maske des Engels abwerfen 
und in ursprünglicher Teufelsgestalt sie verhöhnend sein altes Leben 
wieder beginnen könne. 
Nur zu wahr sollte bald Angela's schreckliche Ahnung werden. 
Solche Schauer auch der Chevalier bei dem Dahinscheiden 
des alten Francesco Vertua, der, den Trost der Kirche ver- 
schmähend, in der letzten Todesnoth nicht ablassen konnte von 
dem Gedanken an ein früheres sündhaftes Leben, solche Schauer 
er auch dabei empfand, so war doch dadurch, selbst wußte er 
nicht, wie es geschah, das Spiel lebhafter als jemals wieder ihm 
in den Sinn gekommen, so daß er allnächtlich im Traume an 
der Bank saß und neue Reichthümer aufhäufte 
In dem Grade, als Angela von jenem Andenken, wie der 
Chevalier ihr sonst erschienen, erfaßt, befangener, als es ihr un- 
möglich wurde, jenes liebevolle, zutrauliche Wesen, mit dem sie 
ihm sonst begegnet, beizubehalten, in eben dem Grade kam Miß- 
trauen in des Chevaliers Seele gegen Angela, deren Befangen- 
heit er jenem Geheimniß zuschrieb, das einst Angelas Gemüths- 
ruhe zerstörte und das ihm unenthüllt geblieben. .Dies Mißtrauen 
gebar Mißbehagen und Unmnth, den er ausließ in allerlei Aeußer- 
ungen, die Angela verletzten. In seltsamer psychischer Wechsel-
	        

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