Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

Liechtensteinische 
Vaduz, Freitag 
Xr. 36. 
den 26. September 1873. 
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werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Vaterländisches. 
(m) Bilder aus der vaterländischen Geschichte. 
6 Die Bischöfe Koustantius und RemediuS. 
Die Regierung dieser zwei Bischöfe bildet den Uebergang 
von der Herrschaft der Viktoriden zu den politischen Einricht- 
ungen, welche Kaiser Karl d. Gr. in Churrätien schuf. Mit 
Bischof Tello, der die kirchliche und staatliche Gewalt in seiner 
Hand vereinigt hatte, starb das Geschlecht der Viktoriden, we- 
nigstetiS dem MannSstamme nach aus (784). Obwohl Tello 
nur deßhalb die politische Gewalt erhalten hatte, weil er dem 
Viktoridengeschlechte angehörte, so gieng dieselbe doch auch aus seine 
Nachfolger KonstantiuS und RemediuS über. Karl d. Große 
war jetzt noch anderwärts zu sehr beschäftigt, als daß er eine 
neue Regelung der politischen Verhältnisse in RätieN hätte vor- 
nehmen können. 
Die Franken ließen die Rätier bei ihren alten Gesetzen, 
Sitten und Gewohnheiten, auch nahm der Präses von Rätien 
faktisch eine von den Herzogen von Alemannien unabhängige 
Stellung ein. Beides wurde nun von Karl d Gr. dem Bi- 
schofe Constantius ausdrücklich durch eine Urkunde zugesichert. 
Bischof RemediuS, der sein Amt um daS I. 800 antrat, 
erließ unter dem Namen „Capitula" Gesetze für seinen Sprengel. 
Sie waren kirchliche Vorschriften, zugleich aber auch politische 
Strafgesetze Es findet sich aus der damaligen Zeit für das 
ganze abendländische Gebiet keine Rechtscsuelle von solchem 
Werths, wie diese Kapitularien. Wir theilen einige Punkte 
aus denselben mit, da sie zeigen, welches Rechtsverfahren da- 
mals gehandhabt wurde. 
Das erste Kapitel enthält spezielle Vorschriften über die 
Feier ver Sonn- und Festtage. Dann folgen Bestimmungen 
Feuilleton. 
Durch die Feldpost. 
Humoreske von Max Ring. 
(Fortsetzung) 
Während der ehrliche Hans die Tintenflasche und Feder suchte, 
den Tisch näher rückte und sich in die gehörige Positur setzte, 
ging der Offizier, über eine Antwort sinnend, mit verschränkten 
Armen in dem kleinen Zimmer auf und ab. Die Aufforderung 
des Burschen machte ihm Spaß und bot ihm eine willkommene 
Unterhaltung. Nach und nach kam er in den rechten Zug und 
da es ihm weder an Geist noch an Humor fehlte, so brachte er 
einen interessanten Brief zu Stande, auf den der Bursche nicht 
weniger eitel war, als wenn er ihn selbst verfaßt hätte. 
„Prächtig! ausgezeichnet!" rief er voll Bewunderung. „Die 
Louise wird Augen machen und vor mir und meiner Bildung 
Respekt bekommen. Das muß man Ihnen lassen, der Herr Lieute- 
nant verstehen den Rummel." 
über Zauberei. Einem Zauberer sollen daS erstemal die Haare 
abgeschnitten, der Kopf mit Pech Übergossen werden und man 
soll ihn unter Schlägen auf einem Esel durch die Straßen 
sühren. DaS zweitemal sollen ihm Nase und Zunge abge- 
schnitten werden, das drittemal aber kann man ihn zum Tode 
verurcheilen. Es ist das immerhin noch ein milderes Verfahren, 
als man in spätem Jahrhunderten mit den „Hexen" einschlug! 
Für Mord und Todschlag waren, ganz wich den Bestim 
mungen des altdeutschen Rechtes, vorherrschend nur Geldbußen 
festgesetzt, deren Höhe sich nach dem Stande und Range deS 
Ermordeten, sowie nach dem Orte richtete, wo der Mord ver- 
übt wurde. Wiederholter, überlegter Mord sollte mit Blend- 
ung oder auch mit dem Tode bestraft werden. 
Ein Meineidiger soll daS erstemal gezüchtigt und kahl ge- 
schoren. daS zweitemal gebrandmarkt und mit Gefängniß be- 
straft werden, daS drittemal dem Tode anheimfallen. 
Diebstahl wMde. nach altrömischen Gesetzen, Unzucht mit 
körperlicher Züchtigung, zu der eine Geldbuße kam, bestraft. 
Ehrverletzende Aussagen wurden durch Züchtigung oder 
Geldbuße bestraft und mußten durch eidliche Ehrenerklärung 
zurückgenommen werden. 
Kein Beamter darf in seinem Bezirke die Armen bedrücken 
odei> beunruhigen. Wer in seinem Bezirke nicht Recht und 
Orvnung hält, wird abgesetzt. 
Die Kapitularien soll jever Geistliche stetö bei sich führen 
und dieselben monatlich zweimal dem Volke vorlesen. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Ein HauptzeitungSgespräch bilden gegen- 
wärtig die Enthüllungen deS alten italienischen Generals La- 
marmora über die tieferen Gründe des österreichisch-preußischen 
„Ich komme da zu einer Liebeskorrespondenz, von der ich nicht 
das Geringste habe." 
„Na! der liebe Gott wird es Ihnen lohnen, was sie an 
einem armen Burschen thun." 
„Jetzt aber wollen wir schließen. Mein ganzer Vorrath an 
zärtlichen Redensarten ist erschöpft und beim besten Willen kann 
ich nicht weiter." 
„Nur noch die Unterschrift: Dein Dich ewig liebender Hans 
Grützner von der dritten leichten Feldbatterie. — Dann Punk- 
tum und Streusand drauf!" 
In der Freude über den gelungenen Brief und in der Eile 
hätte der glückliche Bursche bei einem Haar statt des Sandes 
das Tintenfaß über den Bogen geschüttet, wenn ihn nicht sein 
Herr zurückgehalten hätte. Noch an demselben Abend, obgleich 
draußen ein eisiger Wind stürmte, trug er das Schreiben auf die 
Post, stolz auf ein solches Meisterwerk, mit dem er seiner Geliebten 
nicht wenig zu imponiren hoffte. 
Eine Woche verging, bevor die Antwort kam, was bei der 
weiten Entfernung und der unsichern Verbindung gar nicht zu
	        

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