überhaupt alle angrenzenden Länder, waren bereits unterwor-
fen, Rätien allein noch zwischen den römischen Provinzen als
eingeschobener Keil übrig. Die Rätier, kriegs- und beutelustig,
wie sie waren, fielen in die benachbarten Provinzen ein, be
sonders auch in daS Gebiet der Helvetier. Das waren für die
Römer mehr als hinreichende Gründe, die Eroberung RätienS
zu beschließen. Schon im Jahre 37 v. Chr. hatten sie im un-
tern Etschthak die Rätier geschlagen und Trient befestigt. Von
dort aus wurde der Hauptangriff planmäßig vorbereitet. Im
Jahre 15 v. Chr. sollte derselbe von den Stiefsöhnen des Kai
sers Augustus, von Drusus und TiberiuS, ausgeführt werden.
Drusus drang mit seinem Heere von Trient her in die räti-
schen Thäler ein. Er selbst mit der Hauptabtheilung soll die
Räticonkette überschritten und über dieselbe von Prättigau in's
Jllthal gekommen sein. Ist diese Annahme richtig, so wäre er,
weil vom Etschthale ausgehend, wohl über Martinsbruck nach
dem Engadin gekommen und von diesem über den Julier in's
Oberhalbstein und Prättigau. An Drusus erinnert der Name
Drususthal, welches später daS Wallgau hieß. In dieses Thal
gelangt man von SchierS im Prättigau aus über die Druser-
alpe und durch den Paß deS DrusuSthoreS, alles Namen, die
an den römischen Feldherrn erinnern. Auch Triefen soll von
ihm seinen Namen haben.
Während Drusus aus dem Süden eindrang, rückte Tiberius
vom Westen, von Helvetien aus vor. . Er schuf auf dem Bo-
densee eine Flotille, lieferte ein Seetreffen und setzte sich in
Lindau fest. Dann zog er das Rheinthal hinauf und lieferte
mit seinem Bruder vereinigt eine entscheidende Schlacht, in der
die Rätier vollständig besiegt wurden. Ungewiß ist eS, wo der
Schauplatz dieser Schlacht war. Am wahrscheinlichsten ist es,
daß sie in der Nähe des Einflusses der Jll in den Rhein statt-
fand. Durch sie verlor das letzte Alpenvolk nach heldenmütiger
Gegenwehr seine Freiheit und Unabhängigkeit. Die Weiber,
als sie Alles verloren sahen, sollen dem Feinde ihre Säuglinge
in'S Gesicht geschleudert und sich selbst in den Tod' gestürzt
haben.
Das unterworfene Land bildete nun mit Vindelizien die
Provinz Rätia. Die kräftigste Mannschaft wurde weggeführt
und daS Land mit römischen Legionen besetzt. Damit war jedem
Ausstände vorgebeugt. Nun begann der Bau der Straßen und
Castelle. Die Anlage einer neuen Straße war für die Provin-
zialen allerdings eine ziemliche Last, da sie durch Frohndienste
dieselbe erstellen mußten, allein war die Arbeit vollendet, so
hatten auch sie ihren Nutzen davon. Die Römer bewährten,
wie überall, so auch bei der Anlage der Straßen ihren prak-
tischen Sinn. Zwei Vorzüge zeichnen die römischen Gebirgs-
straßen besonders aus. Einmal wußten sie den Eigentümlich-
keiten der betreffenden Pässe sehr gut Rechnung au tragen, um
Zeigt mir mein Grab!
Das ist mein Hoffnungshafen,
Werd' unten ruhig schlafen.
Wie es sich denu wohl begibt, daß die tiefste Traurigkeit,
findet sie nur Thränen und Worte, sich auflöst in mildes, schmerz
liches Weh, ja, daß dann wohl ein linder Hoffnungsschimmer durch
die Seele leuchtet, so fühlte sich Friedrich, als er das Lied
gesungen, wunderbar gestärkt und aufgerichtet. Die Abendwinde,
die dunklen Bäume, die er im Liede angerufen, rauschten und
lispelten wie mit tröstenden Stimmen und wie süße Träume von
ferner Herrlichkeit, von fernem Glück, zogen goldene Streifen herauf
am düftern Himmel. Friedrich erhob sich und stieg den Hügel
herab dem Dorfe zu. Da war es, als schritte Reinhold, wie
damals, als er ihn zuerst getroffen, neben ihm her. Alle Worte,
die Reinhold gesprochen kamen, ihm wieder in den Sinn. Als
er nun aber der Erzählung von dem.Wettkampf der beiden be-
freundeten Maler gedachte, da fiel es ihm wie Schuppen von den
Augen. Es war ja ganz gewiß, daß Reinhold Rosa schon
früher gesehen und geliebt haben mußte Nur diese Liebe trieb ihn
die Straßen gegen Ströme, Lawinen und periodische Rüfen
sicherzustellen. Darum werden noch jetzt in Graubünden die
Reste römischer Straßen von den Anwohnern im Winter lieber
benützt als die neuen. Dann waren die römischen Straßen
sehr fest und dauerhaft, da sie gepflastert wurden. Darum kön>
nen sie z. B. in Graubünden jetzt noch theilweife stundenweit
verfolgt werden In unserer Gegend wurden folgende Haupt-
beerstraßen erbaut: Von Augsburg über Memmingen, Kemp-
ten, Wangen nach Bregenz. Von Bregenz führte eine Straße
nach Arbon (Arbor felix), Pfyn (Ad fines), im Thurgau, nach
Vindonissa (Windisch) und Basel-Angst (Augusta Rauracorum),
eine andere über Clunia (bei Göfis) und Magia Durch unser
Land und sodann über Luziensteig nach Chur. Von Chur führ/-
ten Straßen über den Julier, Septimer, Splügen und St Bern-
hardin nach Italien. Die Straße, welche durch unser Land
ging, vermittelte den Hauptverkehr zwischen Italien und Ger-
manien.
Im Uebrigen wurden vorzüglich militärische Bauten längs
diesen Straßen aufgeführt; nämlich die eigentlichen militärischen
Haltpunkte, die Castelle und in Verbindung mit denselben die
Mansionen oder Herbergen für die durchmarschirenden Truppen,
dann Mutationen oder Posthäuser zum Pferdewechsel und
Speculae oder Wartthürme auf den Höhen. Daneben legten
die Römer auch landwirthschaftliche Ansiedlungen (Villen) an.
Die Hauptniederlassung in unserer Gegend war in Chur, wo
auch der Sitz der Justiz und Verwaltung sich befand. Mili
tärisch war Chur von großer Wichtigkeit und insbesondere im
3 und 4. Jahrhundert die wichtigste Sperre gegen die an-
dringenden Germanen. Das Castell nahm wahrscheinlich die
ganze erhöhte Terrasse des jetzigen „Hofes" ein. Noch jetzt ist
ein Rest desselben, nämlich der Thurm Marsöl, erhalten, in
dem sich die bischöfliche Hauskapelle befindet. Auch Bregenz
war ein sehr wichtiger Punkt und man bat dort besonders in
den letzten Jahren viele römische Baureste und andere Alter-
tyüwer aufgefunden. "
Für die von Rom eroberten Lander hörte bald alles Na-
tionale auf; Religion, Sitte, Sprache und Lebensweise wurden
römisch ES fand römische Kultur und Bildung, aber auch
römische Verkommenheit und Unsitte Eingang. Durch die blu-
tigen Schlachten und die Wegführung der kräftigsten Mann-
schast war das Land entvölkert worden. Dafür kamen römische
Besatzungen in die Castelle und römische Ansiedler in's Land
überhaupt Reiche Römer kauften Grundbesitz und legten Land-
guter an. Römische und italienische Kausleute, Handwerker,
Krämer und Marketender suchten Gewinn in dem eroberten
Lande. Der gemeine Provinziale mußte 16 Jahre unter den
römischen Legionen dienen und wurde dadurch an römisches
Wesen gewöhnt. Die vornehme Jugend wurde nach Rom ein-
nach Nürnberg in Meister Martins Haus, und mit dem Wettkampf
der beiden Maler meinte er nichts anders, als beider, Reiuhold's
und Friedrichs Bewerbung um die schöne Rosa. — Friedrich
hörte aufs Neue die Worte, die Reinhold damals sprach: wacker,
und ohne allen tückischen Hinterhalt um gleichen Preis ringen,
muß wahre Freunde recht aus der Tiefe des Herzens einigen,
statt sie zu entzweien; in edeln Gemüthern kann niemals klein-
licher Neid, hämischer Haß statt finden. — Ja, rief Friedrich
laut, ja, Du Herzensfreund, an Dich selbst will ich mich wenden
ohne allen Rückhalt, Du selbst sollst es mir sagen, ob jede Hoff-
nnng für mich verschwunden ist. — Es war schon hoher Morgen
als Friedrich an Reinholds Kammer klopfte. Da Alles still da-
rinnen blieb, drückte er die Thüre, die nicht, wie sonst verschlossen
war, auf, und trat hinein. Aber in demselben Augenblick er-
starrte er zur Bildsäule. Rosa, in vollem Glanz aller Anmuth,
alles Leibreizes, ein herrliches Bild stand vor ihm aufgerichtet
auf der Staffelei, wunderbar beleuchtet von den Strahlen der
Morgensonne. Der auf den Tisch geworfene Malerstock, die
nassen Farben anf der Palette zeigen, daß eben an dem Bilde