Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

ihres föderalistischen Schwindels zu stürzen. Wie immer sind 
die eifrigsten Helfer der Reaktion, die erfolgreichsten Arbeiter 
für Don Carlos und den Despotismus die rothen Sozialisten, 
die Internationalen. 
Einer Karlisten-Depesche zufolge haben Prinz Alphons 
und Saballs Pupcerda genommen. 
Tristany hat mit der ganzen Macht den Ebro überschritten 
und ist in Aragon eingerückt. 
Depeschen aus Spanien bestätigen die Ankunft des Don 
Carlos in Spanien. 
Don Carlos hat bedingungslos 60 gefangene spanische 
Militärs freigegeben, die nach Frankreich gegangen sind. 
„Daily News" enthalten eine Depesche aus Madrid vom 
19., nach welcher die Karlisten bei Ngualada (Prov. Leon) 
eine große Niederlage erlitten haben. Der Kampf dauerte 18 
Stunden. Mehrere Male nahmen sie die Stadt, aber schließ- 
lich wurden sie zurückgeworfen. Dabei gab es so viele Todte 
und Verwundete, daß alle Fuhrwerke der Stadt requirirt wer- 
den mußten. Ebenso wurden die Karltsten von Estella (Prov. 
Novarra) zurückgeschlagen. 
England. Die Auswanderung scheint in diesem Jahre 
großartige Dimensionen annehmen zu wollen. Eine starke 
Strömung hat sich schon jetzt fühlbar gemacht, und eine große 
Anzahl von Auswandererschiffen hat sich bereits auf den Weg 
nach den verschiedenen Kolonien und fremden Landern begeben. 
In einer einzigen Woche verließen 10,000 Auswanderer, die 
sich nach Canada und den Ver. Staaten begaben, allein den 
Hasen von Liverpool. Heber 2000 Personen, die nach Austra- 
lien und Neuseeland sich begaben, sind im vorigen Monat von 
Blackwell abgesegelt. Nach Queensland sollen von dem Verein 
landwirthschastlicher Tagelöhner 10,000 Arbeiter befördert wer» 
den, und die dortige Regierung hat zu Ueberfahrtszwecken 
150,000 Pfund Sterling bewilligt. 
Schweiz. L u z e r n. Durch Privatmittheilung, sowie durch 
Berichte von Blättern bestätigt es sich, daß der Bischof Lachat 
von Solothurn in der jüngsten Zeit auf dem von Flüelen nach 
Luzern fahrenden Dampfboot von mehreren Sangern auf die 
gröblichste Art insultirt worden sei. Die gesammte Presse ver- 
urtheilt einstimmig das rohe Benehmen der am Skandal be- 
theiligten Sänger. 
Thurgau. Auf Arenenberg weilt gegenwärtig auch der 
ehemalige kaiserliche Minister Rouher, Mitglied der National- 
Versammlung. Die Kaiserin Eugenie und ihre Gaste werden 
indeß nächstens wieder abreisen. Das Schloßgut selbst ist an 
den Prinzen Napoleon übergegangen. 
Die Dufourkarte, die bekanntlich den Stolz der Schweiz 
auf kartographischem Gebiete bildet, aber deren Anschaffung 
sehr hoch zu stehen kommt, ist durch Herrn Nicola-Karlen in 
Reinhold war mit der Messung des großen Fasses, das für den 
Bischof von Bamberg gebaut werden sollte, fertig geworden, und 
hatte es mit Friedrich und Konrad so geschickt ausgesetzt, daß 
dem Meister Martin das Herz im Leibe lachte, und er einmal 
um das andere rief: „Das nenn' ich mir ein Stück Arbeit, das 
wird ein Fäßlein, wie ich noch keines gefertigt, mein Meisterstück 
ausgenommen." — Da standen nun die drei Gesellen, und trieben 
die Bände aus die gefügten Dauben, daß Alles vom lauten Ge 
töse der Schlägel wiederhallte. Der alte Valentin schabte emsig mit dem 
Krummmesser, und Frau Martha, die beiden kleinsten Kinder aus 
dem Schöße saß dicht hinter Konrad, während die beiden andern 
muntern Buben schreiend und lärmend sich mit den Reifen her- 
umtummelten und jagten. Das gab eine lustige Wirtschaft, so, 
baß man kaum den alten Herrn Johannes Holzschuer bemerkte, 
der zur Werkstatt hereintrat. Meister Martin schritt ihm ent- 
gegen und fragte höflich nach seinem Begehren. „Ei" erwiederte 
Holzschuer, „ich wollt einmal meinen lieben Friedrich wieder schauen, 
der dort so wacker arbeitet. Aber dann, lieber Meister Martin, 
thut in meinem Weinkeller ein tüchtiges Faß Roth um dessen 
i — 
photographischer Nachbildung auf einen verhaltnißmäßig sehr 
kleinen Raum reduzirt worden. Die Schärfe und Plastizität 
der Darstellung soll sehr gelungen sein. Sie ist jetzt durch den 
Buchhandel zum Preis von 10 Franken zu beziehen. 
Belgien. In Belgien ist endlich auch die vlämische Sprache 
als Gerichtssprache erklärt. Bisher konnte man prozessirt wer- 
den, ohne ein Wort von der Verhandlung zu verstehen. Bei- 
spielsweise' fragte ein solcher Angeklagter noch vorigen Jahrs, 
als er zur Thüre hinausgeführt wurde, wozu er verurtheilt sei. 
Nun sagte man es ihm: zum Tode. 
Rußland. Der russische Fürst N. I. Trubetzkoi hatte mit 
den Bauern seines Gutes, das der Familie Trubetzkoi von 
alten Zeiten her gehört, im Jahre 1862 eine eigenthümliche 
Abmachung getroffen. Er verkaufte ihnen das Gut mit allem 
Lande, dem Walde und allen Appertinentien für 300,000 Rubel. 
Den fünften Theil, also 60,000 Rubel, schenkte er ihnen, die 
übrigen 240.000 Rubel sollten sie in zehn Jahren in Raten 
abtragen. Sie haben die Termine pünktlich eingehalten und 
jetzt ihre ganze Schuld bezahlt. Aus den armen Leibeigenen 
sind in zehn Jahren reiche Landbesitzer geworden. Der Fürst 
hält sich krankheitshalber in Fontainebleau bei Paris auf, wohin 
ihm seine früheren Bauern unlängst ein Dankschreiben gesandt 
haben. 
Frankreich. In Paris ist heute (18.) der Schah von 
Persien noch der Löwe des Tages. Seine Lernbegier ist so heiß, 
daß fortwährend Geistesblitze aus ihm sprühen. Am 18. d. 
hat er die Nationaldruckerei besucht. Er will auch so ein Ding 
haben in Teheran. In den großen Magazinen hat er sich die 
Teppiche zeigen lassen, eine Waare, worin er sehr sachkundig 
sein soll 
Der Schah-Cultus ist in Paris so hoch gestiegen, daß man 
sich bemüht, persisch mit ihm zu reden, worauf er eine kleinere 
Cbolenne bekommen haben soll. Sogar die Taschendiebe neh- 
men Theil am Cultus. Ein solcher wurde vou Polizeimännern 
im Augenblicke ergriffen, als er ein Bündel Seidenwaare aus 
einem Magazin trug. Er war als einer vom Gefolge des 
Schah gekleidet und wollte anfänglich kein Französisch verstehen. 
Er mochte glauben, der Anstand werde es der Pariser Polizei 
verbieten, sich an einem Perser zu vergreifen. ES ist einer, 
der schon oft die Bekanntschaft der Polizei gemacht hat. 
Amerika. Bei der Grundsteinlegung zu einem Hospital 
in St. Louis wurde von einem Neger eine deutsche Rede ge- 
halten, die von den zahlreich Anwesenden mit stürmischem Bei- 
fall aufgenommen wurde. Der Farbige ist von einer deutschen 
Familie erzogen und heraugebildet worden und spricht ebenso 
gut deutsch als englisch; ja der Umgang mit Deutschen hat 
ihn mit den verschiedenen Dialekten der deutschen Sprache so 
Fertigung ich Euch bitten wollte. — Seht nur, dort wird ja 
eben solch ein Faß errichtet, wie ich es brauche, das könnt Ihr 
mir ja überlassen, Ihr dürft mir nur den Preis sagen." Rein- 
hold, der ermüdet einige Minuten in der Werkstatt geruhwhatte, 
und nun wieder zum Gerüst hinaufsteigen wollte hörte Holzschuer's 
Worte, und sprach, den Kopf nach ihm wendend: „Ei, lieber 
Herr Holzschuer, die Lust nach unserm Fäßlein laßt Euch nur 
vergehen, das arbeiten wir für den hochwürdigen Herrn Bischof 
von Bamberg." Meister Martin, die Arme über den Nücke» 
zusammen geschlagen, den linken Fuß vorgesetzt, den Kopf in den 
Nacken geworfen, blinzelte nach dem Faß hin und sprach dann 
mit stolzem Tone: „Mein lieber Meister, schon an dem ausge- 
suchten Holz an der Sauberkeit der Arbeit hättet Ihr bemerken 
' können daß solch ein Meisterstück nur dem fürstlichen Keller ziemt. 
Mein Geselle Reinhold hat richtig gesprochen, nach solchem Werk 
laßt Euch die Lust vergehn; wenn die Weinlese vorüber, werd' 
ich Euch ein tüchtiges, schlichtes Fäßlein fertigen lassen, wie es< 
sich für Evern' Keller schickt." 
(Fortsetzung folgt.)
	        

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