Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Auswir kun - gen das EWR-Abkommen auf die liechtensteinische Verfassungs- und Ver waltungsrechtsordnung zeitigt. Dabei können nur Teilaspekte zur Sprache gebracht und vertieft werden. Eine erschöpfende Behandlung aller relevanten Bereiche ist im Rahmen dieser Studie von Vornherein nicht
möglich.12 2. EWR-Abkommen und EWR-Recht 2.1 Ziel des EWR-Abkommens Das EWR-Abkommen, das für Liechtenstein am 1. Mai 1995 in Kraft ge treten ist, bildet die rechtliche Grundlage für einen möglichst homo - ge nen europäischen Wirtschaftsraum mit binnenmarktähnlichen Verhältnissen. Es hat zum Ziel, die vier Grundfreiheiten des EWG-Ver - tra ges auf die EFTA-Staaten auszudehnen sowie die Zusammenarbeit in den horizontalen und flankierenden Politiken auf der Grundlage des pri - mären und sekundären Gemeinschaftsrechts zu stärken. Es ist von einer «Assoziationslösung», die keine volle Einordnung in die Unionsgrundordnung beinhaltet13oder von einer «(verbesserten) Freihandelszone»14die Rede. Der EFTA-Gerichtshof steht auf dem Standpunkt, dass das EWR- Abkommen ein internationaler Vertrag sui generis ist, der eine von den nationalen Rechtsordnungen zu unterscheidende eigene Rechtsordnung geschaffen habe. Das EWR-Abkommen begründe keine Zollunion, wohl aber eine gehobene Freihandelszone. Die Integration gehe weniger weit als nach dem EG-Vertrag. Tragweite und Zielsetzung des EWR- 111
Das EWR-Abkommen und das Verfassungs- und Verwaltungsrecht 12Sie sind z.T. auch im Bericht und Antrag der Regierung vom 15. Juni 1992 an den Land tag betreffend das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992, Nr. 46/92, erwähnt. 13Rainer J. Schweizer, Auswirkungen einer Mitgliedschaft in der europäischen Union auf das schweizerische Verfassungsrecht, in: Thomas Cottier/Alwin R. Kopse (Hrsg.), Der Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union, Zürich 1998, S. 541; vgl. auch Daniel Thürer, Strukturen und Verfahren des EWR-Rechts, in: SJZ 1992, S. 409. 14Waldemar Hummer, Der EWR und seine Auswirkungen auf Österreich, in: EuZW 1992, S. 361 (366).