Volltext: Der Kleinstaat als Akteur in den Internationalen Beziehungen

Der Europarat als typische zwischenstaatliche Organisation basiert auf dem Prinzip der völkerrechtlichen Souveränität und Gleichheit aller Mit gliedstaaten. Dem Entscheidungsmechanismus im Ministerkomitee liegt deshalb weitgehend das Einstimmigkeitsprinzip zugrunde.23Dieser Grundsatz der formalen Gleichheit aller Mitgliedstaaten wurde auch in bezug auf die Mitgliedschaft der Kleinststaaten angewandt. Trotz dieser formalen Gleichstellung haben sich in der Praxis zwi - schen den grösseren Mitgliedern des Europarates und den Kleinst staa ten einige informelle «Verhaltensregeln» herausgebildet: So wurde den Ver - tre tern Liechtensteins und San Marinos schon anlässlich des Beitritts ih- rer Staaten nahegelegt, in der Meinungsbildung und Entschei dungs fin - dung im Ministerkomitee eine gewisse «freiwillige Zurückhaltung» zu üben, wie man sie schon von Island, Malta (vor der Ära Mintoff) und auch Luxemburg gewohnt war.24Diese Zurückhaltung wurde insbeson - de re dann erwartet, wenn es um ausgabenwirksame Entscheide ging. Die grossen Beitragszahler wollten vor allem verhindern, dass sie zu einem beachtlichen Teil Aufgaben und Projekte finanzieren müssen, die von den «kleinen» Mitgliedstaaten gefordert wurden. Durch den langwierigen (und in bezug auf die erreichten Ergeb - nisse oft unbefriedigenden) Prozess der Entscheidungsfindung, an des - sen Ende zumeist eine Konsenslösung stehen muss, wurde den Interes - sen der Kleinststaaten in der Vergangenheit durchaus Rechnung getra - gen. Deshalb haben diese auch kaum je von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht. Dass die Veto-Möglichkeit den Kleinststaaten indes jederzeit offen steht und diese in besonders gelagerten Fällen auch davon Ge - brauch zu machen bereit sind, haben die Fälle von Liechtenstein und Luxem burg gezeigt:25Die Ablehnung der Bioethik-Vorlage durch das Fürstentum im Jahre 198526wurde von den anderen Mitgliedstaaten 308Markus 
R. Seiler 23In jüngster Zeit sind vermehrt Tendenzen auszumachen, das Einstimmigkeits prin - zip durch das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit im Ministerkomitee zu er - setzen. Vgl. hierzu CM/Dél/Concl (93) 27 vom Mai 1993. 24Diese Erwartung drückte die Parlamentarische Versammlung in ihrer Stellung - nahme zum Beitritt Liechtensteins mit den Worten aus, «que le Liechtenstein ... compte exercer ses droits et ses devoirs d’Etat membre d’une manière compatible avec ses dimensions», AS, Avis No 90 (78). 25Die zahlreichen Drohungen und Ultimaten Maltas gegenüber Strassburg unter der Regierung Mintoff sind als Teil der damaligen, heftigen und grundsätzlichen Aus - ein andersetzungen des Inselstaates mit dem Europarat zu betrachten. Sie eignen sich nicht, den Entscheidungsfindungsprozess im Ministerkomitee zu analysieren. 26Seiler, S. 217 ff.
	        

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