Volltext: Der Kleinstaat als Akteur in den Internationalen Beziehungen

selection»), während in späteren Phasen einige wenige Grossprodu zen - ten («K-selection») das Feld beherrschen.5 Man mag aus diesen Überlegungen beispielsweise ableiten, dass die neueste Proliferation von Kleinstaaten in der postsozialistischen Welt eine durchaus funktionale Erscheinung darstellt. Denn, weil das Über - wechseln vom Staatssozialismus zur Marktwirtschaft eine singuläre his- torische Entwicklung darstellt, für die es bislang keine bewährten Er - folgs rezepte gibt, erscheint es am ratsamsten, dass viele Staaten unab hän - gig voneinander ihre je eigenen Wege beschreiten: so dass wenigstens ei- ner von ihnen vielleicht «zufällig» jenen chancenreichsten Weg findet, der sich dann als modellhaft für andere erweist. Diese Innovationschance droht heute allerdings durch die forcierte Integration in die EU verloren zu gehen, weil den Ländern damit zuge- mutet wird, ohne Rücksicht auf ihre partikulären Gegebenheiten und Präferenzen eine einheitliche, als alternativenlos vorgeführte Wirt - schafts- und Sozialordnung zu übernehmen. Meistens sind Kleinstaaten keineswegs aus purer Kreativität und Lust an Neuerungen zu innovativen Pionierstaaten geworden, sondern aus schierer Not: weil sie als erste mit gewissen neuartigen Problemen konfrontiert werden, die bei grösseren Ländern – wenn überhaupt je- mals – erst in späteren historischen Epochen bedeutsam worden sind: 1) Lange vor dem heute üblichen globalen Reiseverkehr waren die Bewohner der kleinen Handelsstaaten die ersten, die mit Angehörigen fremder Kulturen und Religionen alltäglichen Umgang hatten. Dadurch wurden sie zur Herausbildung jener universalistischen Normen der Toleranz und Verständigung gezwungen, die heute zum allgemeinen Instru mentarium der «Weltzivilisation» gehören.6 2) Lange vor der Entfaltung des modernen weltweiten Han dels - verkehrs haben die Kleinstaaten als erste erfahren, was es bedeutet, un - ent behrlichste Güter des täglichen Gebrauchs aus fremden Staaten impor tieren zu müssen, weil man sie nicht innerhalb eigener Grenzen 137 
Über die historische Entwicklung und Stellung kleiner Staaten 5Brittain/Freeman, Organizational Proliferation and Density dependent Selection. In: Kimberley/Miles, The Organizational Life Cycle, 1980, S. 291–338, 311 ff. 6Bezeichnenderweise ist z.B. auch das Fremdarbeiterproblem in der Schweiz bereits sehr frühzeitig (Anfang der 70er Jahre) politisch akut geworden, während es in den grösseren Ländern Westeuropas (z.B. BRD, Frankreich und Grossbritannien) erst jetzt an Bedeutung gewinnt.
	        

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