Daher versucht
Erhardteine eigene Definition des Mikrostaates zu entwickeln, die zunächst nur für die internationalen Beziehungen, d.h. nach seiner Diktion, dem «Vorhof des Völkerrechts», Bedeutung haben soll.301Er geht dabei von der Arbeitshypothese aus, dass der
«Mikrostaat eine unabhängige, effektive politische Einheit auf zugehörigem Gebiet mit weniger als 300’000 zugehörigen Einwohnern ist, die völker recht - liche Rechte und Pflichten von Staaten nicht hinreichend wahrnehmen kann».302Was das
Mindest-Gebietbetrifft, so fixiert
Erhardtbewusst kein (unteres) Limit, da selbst das Territorium Monacos mit nur 149 ha flächenmässig noch untertroffen werden könnte. Im übrigen versuchte Monaco, durch Aufschüttungen im Mittelmeer sein Gebiet um nahezu ein Drittel des bisherigen Bestandes zu vergrössern.303Was die Grösse des
Staatsvolksbetrifft, so entscheidet sich der Autor deswegen, mit 300’000 eine Höchstbevölkerungsanzahl definitorisch zu statuieren, da sich dadurch zum einen eine grössere Klarheit der Rechtsverhältnisse herbeiführen lässt und sich zum anderen diese Zahl seit der erstmaligen Erwähnung durch die Studie
Patricia Blairs«The Ministate Dilemma»304 offensichtlich durchzusetzen begonnen hat. Was die Mindestbevölke - rungs zahl betrifft, so zeige das Beispiel
Pitcairns, dass selbst eine Zahl von nur 96 Personen in der Lage ist, sich so zu organisieren, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser Einheit Mikrostaatsqualität zu - erkannt werden kann. Was die
Staatsgewaltbetrifft, so ist sie bereits in dem Definitionsmerkmal «unabhängige effektive politische Einheit» ent halten und muss nicht eigens betont
werden. 6.3 Leugnung einer eigenen völkerrechtlichen Kategorie des «Kleinststaates» Erhardtgeht in seiner begriffsrealistischen Interpretation von der – un - zu lässigen – Ansicht aus, dass alleine schon die Existenz von differenzie - ren den Begriffen wie «Mikro»-, «Mini»- oder «Zwergstaat» die Subsum - tion derselben unter den Begriff «Staat» verhindern: Wenn nämlich auch 115
Kleinstaaten im Völkerrecht 301Erhardt(Fn. 7), S. 85. 302Erhardt(Fn. 7), S. 87; vgl. dazu auch S. 102. 303FAZ vom 4. April 1968. 304Vgl. dazu Blair(Fn. 59).