Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Vorbehalten bleibt die Ermittlung der Art der Anwendbarkeit 
eines völkerrechtlichen Vertrages, der in einem Anlassfall zu vollzie- 
hen ist2682, 
Die Einschränkung in StGH 1993/18 und 1993/19 ist aus den 
folgenden beiden Gründen zu Recht erfolgt: Zum einen deshalb, weil 
es dem Staatsgerichtshof vorbehalten ist, „über seine Entscheidungs- 
und Begutachtungsbefugnisse zu befinden"?983 und sich des Völker- 
vertragsrechts nicht nur als eines weiteren, sondern - neben dem (ge- 
schriebenen oder ungeschrieben) Verfassungsrecht — auch als eines 
gleichwertigen Prüfungsmasstabs zu bedienen. Zum anderen setzt die 
Gleichbehandlung der Verfassungs- und der Vólkervertragsrechts- 
mássigkeit als Prüfungsmasstab voraus, dass es der Staatsgerichtshof 
ist, der (im Rahmen der Normenkontrolle?98^) darüber befindet, wel- 
che vólkerrechtlichen Vertráge im Verfassungs- oder im (formellen) 
Gesetzesrang als Prüfungsmasstab in Frage kommen. 
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass — ste- 
hen Rechtsvorschriften auf der Rechtsquellenstufe formeller Gesetze 
in Frage - die Voraussetzung, dass deren Verfassungs- oder Vólker- 
vertragsrechtswidrigkeit von einer Prozesspartei zu behaupten 
ist?985, in jedem Falle bestehen bleibt und dass es einem Anderen Ge- 
richt auch unter dem Regime des Art. 28 Abs. 2 StGH in jedem Falle 
möglich ist, sich ,mit der Rechtmässigkeit”, d.h. mit der Verfassungs- 
oder Vólkervertragsrechtsmássigkeit einer Bestimmung (des Landes- 
rechts) auseinanderzusetzen und als Ergebnis dieses Vorgangs keinen 
„Anlass“ zu finden, eine „Prüfung der Verfassungs- oder Konventi- 
onsmässigkeit beim Staatsgerichtshof ... zu beantragen"?986, A]lein, 
bleibt nach dieser Analyse ein wie auch immer gearteter Zweifel an 
der Verfassungs- oder Völkervertragsrechtsmässigkeit zurück, muss 
die Frage dem Staatsgerichtshof zur Prüfung unterbreitet werden. 
Unterlásst das Andere Gericht diesen Schritt, begeht es — gegebenen- 
falls — Willkür in Form einer Rechtsverweigerung, gegen die eine Anru- 
fung des Staatsgerichtshofes in Form einer Verfassungsbeschwerde 
(Grundrechtsrüge) zur Verfügung steht?687, 
2682 Siehe hierzu das 15. Kapitel Pkt. 5.1.1 sowie das 16. Kapitel Pkt. 4.2.2. 
2683 Postulatsbeantwortung S. 18. 
2684 Insofern etwas unglücklich die Ausführungen von Wille (Normenkontrolle) S. 270. 
2685 StGH 1981/18, LES 2/1983 S. 41. 
2686 StGH 1989/9, LES 2/1990 S. 63. 
2687 StGH 1993/15, LES 2/1994 S. 53. 
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