3.3
3.3.1
Im Geltungsbereich der Normenkontrolle gelten diese Grund-
sätze für die Überprüfung des Landesrechts sowohl auf seine Verfas-
sungs-, als auch auf seine Völkervertragsrechtsmässigkeit?697,
Das Verhältnis zwischen dem Staatsgerichtshof und den Anderen
Gerichten: Vorlagerecht oder Vorlagepflicht?
Ausgangslage
Nach Massgabe des Wortlautes von Art. 28 Abs. 2 StGHG , kann" je-
des Andere Gericht unter der Voraussetzung, dass ,die Verfas-
sungswidrigkeit eines Gesetzes behauptet wird oder wenn ihm eine
Verordnungsbestimmung als verfassungs- oder gesetzwidrig er-
scheint", das bei ihm anhángige Verfahren ,unterbrechen und dem
Staatsgerichtshof die Frage zur Prüfung unterbreiten".
Dass Rechtsklarheit im Innenverhältnis zwischen dem Staatsge-
richtshof und den Anderen Gerichten nicht nur für die Wahrung der je-
weiligen Zuständigkeit(en) und damit für eine Einhaltung des Ge-
waltenteilungsprinzips^608 von zentraler Bedeutung ist, liegt auf der
Hand. Unter jeder anderen Situation würde das Verfassungsgefüge
und mit ihm das Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsbedürfnis der
Einzelnen beeintrüchtigt werden. Wie also stehen die Anderen Ge-
richte und der Staatsgerichtshof im Geltungsbereich der Normen-
kontrolle zueinander?
Das von Art. 28 Abs. 2 StGHG geordnete ,Beziehungsgefüge'
ist in Theorie und Praxis in einer ebenso intensiven wie anspruchs-
vollen Diskussion?999 kontrovers behandelt worden. Das Interesse an
dieser Auseinandersetzung widerspiegelt die Brisanz ihres Gegen-
standes: Die Antwort auf die Frage, welche Kriterien für das Vorlage-
verhalten der Anderen Gerichte bestehen, entscheidet über die Möglich-
keit einer Prozesspartei, dieses zu einem Antrag auf Normenkon-
2607 Siehe hierzu oben Pkt. 3.2.1.
2608 In StGH 1982/37, LES 4/1983 S. 114 unterstreicht der Staatsgerichtshof, dass die „Vollzie-
hung” i.S.d. VII. Hauptstiickes nicht nur von der Gesetzgebung zu unterscheiden, sondern
auch nach Verwaltung (Abschnitt A und C), Rechtspflege (Abschnitt D) und Kontrolle durch
den Staatsgerichtshof (Abschnitt E) „verfassungsmässig getrennt“ sei.
2609 Siehe hierzu die äusserst subtilen Erwägungen, die Wille (Normenkontrolle) S. 187 als
Determinanten von Art. 28 Abs. 2 StGHG unter unterschiedlichen Gesichtspunkten nachvoll-
zieht.
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