Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

scheinung getreten: So hat der OGH die Rechtsfolge der Un- 
anwendbarkeit in einem Beschluss aus dem Jahre 1990 mit dem 
Begriff der „Nichtanwendbarkeit“2513 bezeichnet, die — der 
derogierten Bestimmung gegenüber — „für die Dauer“2514 ;p- 
rer Geltung oder der Geltung der derogierenden Bestimmung 
bestehe2515, 
Auf die beiden Bestandteile der Rechtskraft einer Rechtsvor- 
schrift bezogen, wie sie in der Verbindlichkeit gemäss Art. 14 
KmG und in den Wirkungen für den Einzelnen gemäss Art. 15 
KmG zum Ausdruck kommen?*16, bedeutet die Rechtsfolge 
der Unanwendbarkeit in einem zweiten Schritt, dass in den 
Fällen eines echten Konfliktes zwischen dem Völkervertrags- 
und dem Landesrecht nur die Anwendbarkeit (Wirkungen für 
den Einzelnen; Art. 15 KmG), nicht aber auch die Geltung 
(Verbindlichkeit; Art. 14 KmG) der in Frage stehenden Be- 
stimmung (des dem Völkervertragsrecht widersprechenden 
Landesrechts) ausgesetzt wird. Bei der Unanwendbarkeit 
handelt es sich, mutatis mutandis, um einen Zustand, zu dem es 
(auch) unter den Bedingungen einer Aufhebbarkeit gemäss SEGH 
1993/4 kommen kann??!7 — mit dem Unterschied, dass von 
diesen beiden Fällen in der Regel unterschiedlich viele 
Rechtsvorschriften betroffen sind: In den Fällen einer Unan- 
wendbarkeit bleibt ,der fragliche Rechtsatz ... in Kraft" und 
kann in anderen Anlassfállen ohne weiteres „angewendet 
werden“2518; in den Fällen einer Aufhebbarkeit gemäss StGH 
1993/4 besteht das Wesen dieser Wirksamkeitsform in einer de 
facto-Ausserkraftsetzung eines ganzen Rechtsbestandes®519, 
In einem dritten Schritt ist es schliesslich unerheblich, ob die 
Rechtsfolge der Unanwendbarkeit das Ergebnis eines Anwen- 
dungsverbots (dem Landesrecht gegenüber) oder eines An- 
2513 Beschluss des OGH vom 11. Juni 1990, E 637/89-14, LES 4/1990 S. 157. 
2514 Beschluss des OGH vom 11. Juni 1990, E 637/89-14, LES 4/1990 S. 157. 
2515 Einen (zumindest sprachlich) anderslautenden Standpunkt scheint der Staatsgerichtshof in 
StGH 1979/5, LES 1981 S. 114 eingenommen zu haben, wo es im Zusammenhang mit einer 
Anwendung der „normale(n) Derogationsregel“ der /ex posterior heisst, dass „die ausdrückli- 
che Aufhebung widersprechender Rechtsvorschriften ein gesetzgeberisches Ideal (wäre). In- 
dessen ist auch die inhaltliche, implizite Aufhebung früherer, widersprechender Vorschriften 
weiterhin zulässig“. 
2516 Siehe hierzu das 11. Kapitel Pkte. 2.4 und 2.5. 
2517 Siehe hierzu das 11. Kapitel Pkt. 3.2. 
2518 Bundesamt für Justiz und Generaldirektion für Völkerrecht (Gemeinsames Gutachten) S. 434. 
2519 Siehe hierzu das 11. Kapitel Pkte. 3.2 und 4 sowie das 24. Kapitel Pkt. 3. 
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