Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

erweist sich die Verfassung vom 16. März 2003 ein weiteres Mal als 
ambivalent. Indem sie sich gegen das Vorrangprinzip, d.h. gegen den 
Vorrang des Völkervertrags- vor dem Landesrecht stellt!987, bildet sie auch 
unter diesem Gesichtspunkt das Gegenteil dessen, was als ihr Ziel sugge- 
riert worden ist: Ohne auf die Praxis des Staatsgerichtshofes Rück- 
sicht zu nehmen, führt die Verfassung vom 16. März 2003 staats- und 
verfassungsrechtlich zu einem Rückschritt, der - in Anlehnung an die 
Wortwahl von Batliner/Kley/Wille — als ,,gravierend^1988 zu bezeich- 
nen ist'969 Auch unter Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV wird der 
Rechts- und Verfassungsstaat dem Einfluss einer seinen Konstanten 
entzogen — dem ,konstitutiven, prágenden Stellenwert der Vólker- 
rechtsordnung für die Staatlichkeit Liechtensteins^!970, Die (Rechts-) 
Folgen dieser Zàsur greifen tief!971, 
Epilog 
In einem Beitrag in der NZZ aus dem Jahre 1997 hat Hangartner — 
unter anderem auch im Hinblick auf die im damaligen Zeitpunkt 
noch hàngige Totalrevision der alten BV — aus der These, das Vôlker- 
recht anerkenne den Umstand, dass es „wesentlich Vertragsrecht ist”, 
den Schluss gezogen, dass es (das Völkerrecht) „zwar Vertragsbrüche 
nicht billigt, bestimmte Verletzungen aber unter Auferlegung von 
Schadenersatzansprüchen und anderen Verantwortlichkeiten tole- 
riert“ 1972. Nachdem sich „alle Staaten ... in mehr oder weniger wei- 
tem Umfang die Möglichkeit (vorbehalten), in Ausnahmefällen eine 
völkerrechtliche Verpflichtung nicht einzuhalten“, sei auch „die 
Schweiz ... nicht gut beraten, wenn sie sich als einziger Staat die 
Möglichkeit, ausnahmsweise durch einen qualifizierten Akt diesen 
Weg zu beschreiten, verbauen würde“ 1973, 
Trifft dieser Schluss auch auf Liechtenstein zu? Soll sich auch 
Liechtenstein — explizit oder implizit — die Möglichkeit vorbehalten, 
1967 Im gleichen Sinne in einem argumentum e contrario Winkler (Prüfung) S. 7f. 
1968 Batliner/Kley/Wille (Memorandum) S. 21. 
1969 Siehe auch die Qualifikation der Verfassungsänderungsvorschläge S.D. des Landesfürsten 
vom 2. August 2002 durch die Venice Commission (Opinion) S. 12, wo in diesem Zusam- 
menhang von einem ,serious step backwards" die Rede ist. 
1970 Thürer (Vólkerrechtsordnung) S. 112. 
1971 Siehe hierzu das 25. Kapitel Pkt. 3.2.4. 
1972 Hangartner (NZZ) S. 13. 
1973 Hangartner (NZZ) S. 13. 
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