Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

staatliche Angelegenheit"!313, Sie ist also nicht nur Vertrags-, son- 
dern auch Verfassungserfüllung. Dies ist die eine Seite. 
Die andere Seite ist der Umstand, dass die Forderung nach 
dem ,Dazwischenschalten' eines formellen Gesetzes der Redundanz 
(zweifache identische bzw. ,inhaltsgeliche' Regelung ein- und des- 
selben Sachbereiches in einem vólkerrechtlichen Vertrag und in ei- 
nem formellen Gesetz) Vorschub leisten würde. 
Diese Forderung, die in der Lehre vor allem von Hoop aufge- 
stellt wird!3!4, würde die Rechtsklarheit beeinträchtigen 1315, das Ver- 
hältnis zwischen dem Völkervertrags- und dem Landesrecht in ei- 
nem technischen Sinne'916 in Frage stellen und sich damit als system- 
widrig erweisen (und zwar — nachdem das auf der Lehre des Monis- 
mus' beruhende System der automatischen Adoption einen Verfassungs- 
grundsatz!3 bildet — von Verfassungs wegen). Durch das durch ihn ge- 
schaffene Konflikt- und Komplikationspotential!318 belastet ein sol- 
cher Ansatz das vor allem von Schurti hervorgehobene Gebot einer 
yEinhaltung der vôlkervertragsrechtlichen Vertrage”1319, d.h. die 
Vertrags- und damit die Verfassungstreue. 
Die Forderung nach dem ,Dazwischenschalten' eines formel- 
len Gesetzes zur Durchführung vólkerrechtlicher Vertráge käme aber 
auch einem Auslegungsvorbehalt und damit einem Auslegungsmonopol 
des Landtages gleich. Dieser Eindruck sollte jedoch deshalb vermieden 
werden, weil er einen Mangel an Vertrauen sowohl dem Landesfiir- 
sten als auch der Regierung gegenüber offenbaren würde, die, als In- 
haber der Auswártigen Gewalt!9?0, für die Durchführung eines von 
ihnen abgeschlossenen vólkerrechtlichen Vertrages verantwortlich 
1313 Schurti (Verordnungsrecht) S. 302 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
1314 Hoop S. 202f. 
1315In diesem Falle kônnte sich die Frage stellen, welchen Charakter die ,Zwischenschaltung 
eines Gesetzes’ hätte, ob sie z.B. eine Art ‚authentische Interpretation’ des betreffenden völ- 
kerrechtlichen Vertrages wäre, wie sie anderswo (z.B. in Frankreich) an der Tagesordnung 
ist. Oder es könnte sich die Ungewissheit einstellen, ob das zur Durchführung eines völker- 
rechtlichen Vertrages erlassene formelle Gesetz, das im Gesetzgebungsprozess einer Reihe 
von parlamentarischen und ausserparlamentarischen Beeinflussungen gewesen ist, dem be- 
treffenden völkerrechtlichen Vertrag entspricht. 
1316 Siehe hierzu das 6. Kapitel Pkt. 4.1. 
1317 Siehe hierzu das 6. Kapitel Pkt. 4.2. 
1318 Gegen das zur Durchführung eines nach Art. 8 Abs. 2 LV zustimmungsbedürftigen und damit 
nach Art. 66bis Abs. 1 LV referendumspflichtigen vólkerrechtlichen Vertrages erlassene for- 
melle Gesetz steht das Gesetzesreterendum offen. Damit wird das Vertragsabschlussverfah- 
ren mit einer Ungewissheit über den Zeitpunkt belastet, zu dem Liechtenstein — wenn über- 
haupt — zur Durchführung des in Frage stehenden vólkerrechtlichen Vertrages, d.h. zur 
Vertragserfüllung in der Lage ist. 
1319 Schurti (Verordnungsrecht) S. 302. 
1320 Siehe hierzu das 7. Kapitel Pkt. 2.1. 
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