Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

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Die ‚Verfügung über Hoheitsrechte‘ unter dem EWRA und unter 
dem ZV 
In Art. 8 Abs. 2 LV wird unter anderem angeordnet, dass völker- 
rechtliche Verträge immer dann einer Genehmigung bedürfen, wenn 
in ihnen ,über Staatshoheitsrechte ... verfügt ... werden soll". 
Darüber, dass diese Bestimmung auch auf jene Beschlüsse des 
Gemeinsamen EWR-Ausschusses gemáss Art. 102 Abs. 1 EWRA An- 
wendung findet, mit denen EWR-Rechtsakte übernommen werden, 
besteht ebenso Übereinstimmung/9? wie darüber, dass die Beschluss- 
fassung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss eine ,Verfügung über 
Staatshoheitsrechte' durch Liechtenstein (und durch die anderen 
EFTA-EWR-Mitgliedstaaten) nicht zur Voraussetzung hat: Unter dem 
EWRA wird die Ausübung der Gesetzgebungshoheit der EFTA- 
EWR-Mitgliedstaaten weder dem Gemeinsamen EWR-Ausschuss 
noch einem anderen Organ übertragen/09, Nicht ohne weiteres zu 
beantworten ist jedoch die Frage, ob Beschlüsse des Gemeinsamen 
EWR-Ausschusses gemáss Art. 102 Abs. 1 EWRA eine , Verfügung 
über Staatshoheitsrechte' zur Folge haben kónnen/?7. 
Auf diese Frage ist deshalb einzugehen, weil das Kriterium 
der , Verfügung über Staatshoheitsrechte' in Art. 8 Abs. 2 LV nicht 
nur absolut (námlich im Sinne einer Auf- bzw. Preisgabe der Gesetz- 
gebungshoheit Liechtensteins), sondern auch relativ verstanden wer- 
den kann (nämlich im Sinne einer mehr oder weniger qualifizierten 
Einschränkung dieses ‚Staatshoheitsrechts‘). Eine Antwort auf diese 
Frage, d.h. auf die Frage, ob und wenn ja, in welchen Fällen Be- 
schlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses gemäss Art. 102 Abs. 1 
EWRA eine solche Einschränkung zur Folge haben, setzt voraus, dass 
über die Bedeutung des Kriteriums der ‚Verfügung über Staatsho- 
heitsrechte‘ Rechtsklarheit herrscht. Diese Rechtsklarheit kann durch 
einen Vergleich zwischen der Rechtslage unter dem ZV und jener unter 
dem EWRA hergestellt werden. 
Dabei ist von einer grammatikalischen Auslegung des Begriffes 
der ‚Verfügung‘ auszugehen, wie er in Art. 8 Abs. 2 LV im Zusam- 
menhang sowohl mit den ‚Staatshoheitsrechten‘ als auch mit den 
Bruha/Gey-Ritter (Kleinstaat) S. 168: Diese Beschlüsse bilden ,vólkerrechtliche Instrumente, 
die sich am ehesten als vólkerrechtliche ,Mini-Vertráge' bezeichnen lassen". 
Anderslautend Wille (Staatliche Ordnung) S. 87 in einem Zeitpunkt vor dem Abschluss der 
Vertragsverhandlungen: ,Es geht bei einem EWR-Vertrag ... darum, dass Hoheitsrechte 
übertragen werden". 
Es liegt auf der Hand, dass eine Bejahung dieser Frage zur Folge hat, dass solche Beschlüs- 
se einer Genehmigung gemáss Art. 8 Abs. 2 LV bedürfen. 
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