Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Identität

Welches Bild liesse sich für dieses Nicht-Verhältnis von Kollektiv und Treuhänderschaft finden? Vielleicht das eines Kolonialkrieges. Das Stammland ernährt sich aus den Einkünften der Kolonie Gesellschaftswesen. In den dortigen Dschun geln garantiert eine Truppe den Geldnachschub Richtung Kern - land. Was sich in den Dschungeln abspielt, wer mit wem und wie kämpft, will das Stammland nicht wissen. Die Dschungeltruppe ist we- der reportpflichtig, noch sind ihre Berichte erwünscht. Sie agiert in ei- nem bewusst gewollten ethischen Niemandsland. Wie anders die Sagen: Das Kollektiv hat seinen Mitgliedern eine Ge - brauchs anweisung für die Lebenslandschaft mitgegeben, vor allem für die Gebiete ausserhalb sozialer Kontrolle. Heute begleitet das Kollektiv den Treuhänder nicht in seinen Be - reich, erwartet aber, dass es von ihm mit Geld versorgt wird. Kommt einer der Dschungeltruppe in mediales Licht, in Angele - gen heiten von schief bis zu mörderisch, verleugnet ihn das Stammland. Zu was dieses kollektive Nicht-Wissen-Wollen führt, ist im Früh jahr 2000 mit erschreckender Deutlichkeit zu spüren. Die Ereignisse seien zur Erinnerung kurz rekapituliert: In der Auslandspresse wird von einem mafiosen Filz aus Regierung, Ämtern, Gerichten, Banken und Treu händern berichtet. Beispielhaft werden Ex-Regierungschef Hans Brunhart und ein Chefbeamter der Verflechtung mit südamerikanischen Drogenkartellen bezichtigt. Es ist ein wahrer nietzscheanischer Mo - ment, die Umkehrung der Werte: das Hohe und Richtige verwandelt sich plötzlich ins Niedrige und Falsche. Die Vorwürfe sind monströs und mindestens auf den zweiten Blick gegenstandlos. Was aber geschieht im Kollektiv? Es wird wie ein Körper ohne Immunsystem vom Gerüchtevirus zur Gänze infiziert. In jenen Wochen ist in Liechtenstein alles denkbar: Der Staat ist in kriminellste Geldwäsche verstrickt; der mafiose Filz ist das wahre Gesicht des Landes; eine zweite, ungemein abgründige Wirklich - keit hat die gewohnte ersetzt. Was bedeutet dieses Sich-Fügen in ein monströses «Spiegel»-Bild? Es ist der Bankrott der Wahrnehmungsfähigkeit, des Realitäts - empfin dens. Das Mass an und für Wirklichkeit ist verloren gegangen. Das Kollektiv ist in jenen Wochen in einer fiktionalen Zerrüttung anzu- treffen, die weder falsch von richtig, noch gut von schlecht zu unter- 156Stefan Sprenger
	        

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