Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Identität

Kurzum: Das Dasein als Gast-Sein schärft den Blick und das Ur - teils vermögen. Es macht frei von den Beklommenheiten eingeengter Welt sicht und bestärkt die Bereitschaft, Bilder von seiner Umwelt ein- zufangen, in denen sich der Mitmensch zum Trotz all seiner Unzu läng - lich keiten als ein Mensch mit freundlichem Antlitz widerspiegelt. Wer sich beizeiten in die Haltung eines Gastes eingeübt hat, dem bildet sich das Umfeld, das er sich zum Ort der Weile gewählt hat, in warmen Farben ab. Aus solcher Sicht betrachte ich mein Gastland Liechtenstein. Der - artige Sichtweisen gepaart mit spezifischen Erfahrungen liessen in mir schon früh die Einsicht reifen, dass jeder Mensch letztlich das ist, was er erlebt hat und was er von der Welt weiss. Damit beantwortet sich weit- gehend die Frage nach der Identität. Diese Erkenntnis vertieften die aus- gedehnten Reisen, die ich bereits als Heranwachsender unternommen habe. Seit meinem 14. Lebensjahr nutzte ich die Freiräume der Schul- und Studienzeit, um per Anhalter die Kontinente zu durchqueren. Solches Er-Fahren formte mich und tauchte in helles Licht, was ich bereits als Kind ahnte: Die Frage nach der Identität ist ein Scheinproblem, das häu- fig genug unheilvolle Konflikte produziert! Identitäten sind künstliche Konstrukte, die nur ein Ziel kennen: sich selbst einzugrenzen und an - dere auszugrenzen. Welch fataler Unfug! Glücklich der Mensch, der sich frei entwickelt und der sich nicht in die Schublade einer konstruierten Identität ablegen lässt! Das Er-Fahren von Welt bildet unseren Charakter und lehrt uns im- mer wieder das eine: Allerorts erblicken die Menschenkinder auf die gleiche Weise das Licht der Welt. Allen Menschen tun Ohren- oder Zahn schmerzen gleich weh  – egal ob sie weiss oder schwarz, dick oder dünn sind. Auch die Tränen des Liebeskummers schmecken seit Men - schen gedenken gleich bitter, und zeitlos ist die Qual von Hunger und Durst. Je bewusster wir die Augen auf das Leid in dieser Welt richten, desto schärfer eräugen wir die Konstanten des Humanen und erkennen die Identitätskonstrukte als Barrieren, die uns den Zugang zur Mit- und Umwelt verstellen. 126Manfred Schlapp
	        

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