Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

Grundrecht selbst Ausgangspunkt der Prüfung. Es gilt somit der Primat des Grundrechtsdenkens über das Schrankendenken. Dabei ist zunächst der Schutzbereich des jeweils in Frage kommenden Grundrechts zu be- stimmen. Wird in diesen Schutzbereich eingegriffen, so ist der Eingriff rechtfertigungsbedürftig. Gelingt diese Rechtfertigung nicht, liegt ein un zulässiger Eingriff und somit eine Grundrechts ver letzung vor. Nach diesem modernen Grundrechtsverständnis sind folg lich Grundrechte auch dem Gesetzgeber nicht mehr zur Disposition gestellt. Vielmehr sind den vom Gesetzgeber aufgestellten gesetzlichen Grund rechts - schran ken im Lichte des zu schützenden Grundrechtes ihrer seits Schranken gesetzt, und zwar in Form der erwähnten Eingriffs kri terien. Man bezeichnet diese Begrenzungskriterien für Grundrechts schran ken deshalb auch als sogenannte Schranken-Schranken.35,36Durch die Anerken nung solcher Schranken-Schranken haben Österreich und Liechtenstein, wenn auch relativ spät, den Anschluss an die moderne deutsche und schweizerische Grundrechtsdoktrin hergestellt. Mit eini - gem Recht konnte deshalb Wolfram Höfling in einem Aufsatz aus dem Jahre 1993 davon sprechen, dass nunmehr die Grundlage für eine ge - mein same Grundrechtsdogmatik des deutschsprachigen Raumes ge - schaf fen sei.37 Die neue, differenzierte Prüfung der Zulässigkeit von Grundrechts - ein griffen nach den Kriterien des öffentlichen Interesses, der Verhältnis - mäs sig keit und der Kerngehaltsgarantie macht heute eine wesentlich de- tailliertere Begründung von Entscheidungen des Staatsgerichtshofes not- wendig, als dies früher der Fall war. Dies hat zur Folge, «dass sich der Betroffene nicht mehr mit blossen Floskeln zufrieden geben muss, son- dern mit einer nachvollziehbaren Begründung rechnen kann. Ein ratio- naler Begründungsstil ist gerade für die Akzeptanz ablehnender Entscheidungen von Bedeutung»38. Tatsächlich zwingt diese mehrstufi- ge Prüfung zu einer umsichtigen Abwägung der sich bei einem Grund - rechts eingriff gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Inter - 73 
Schwerpunkte in der Entwicklung der Grundrechtssprechung 35Siehe Höfling, S. 97 mit zahlreichen Nachweisen; vgl. auch Berka, S. 150 f. Rz. 258. 36Umgekehrt darf unter Beachtung dieser Begrenzungskriterien grundsätzlich auch dann in ein Grundrecht eingegriffen werden, wenn kein formeller Gesetzesvorbehalt besteht; siehe StGH 1997/19, LES 1998, 269 (273 f. Erw. 3.2 f.). 37Höfling, Bauelemente, passim, insbesondere S. 362 f.; vgl. auch derselbe, Bestand, S. 108 f. 38Frick, S. 222.
	        

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