Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

wissermassen das Abgleiten des Rechtsstaates in den Unrechtsstaat» ab- gewendet habe. Dass nun das Willkürverbot als eigenständiger Grundrechtstat - bestand und besonderer, eigenständiger «Fokus» des Gerechtigkeits ge - dan kens in der liechtensteinischen Grundrechtsordnung sichtbar wird, fördert die  Verfassungsklarheit und ist, in meinen Augen, als ein dog- matischer Durchbruch und Fortschritt 
anzusehen. Der Richter als Hüter von Recht und Gerechtigkeit Auf die Frage «Was ist Gerechtigkeit?» gibt es letztlich keine verbind - liche Antwort. Es ist eine alte Einsicht der Rechtspraxis und der Rechts wis senschaft, dass der Gerechtigkeitsgedanke offenbar erst im Fall seiner konkreten und krassen Verletzung für den Juristen greifbar wird. Ge richten, deren Recht sprechung sich – wie eingangs aufgezeigt – letztlich am Gerechtig keits ge danken zu orientieren hat, wird denn auch in allen Rechts kul tu ren ein hoher Symbolwert zugemessen. Sie erscheinen als Tempel26 (in denen Opfer gebracht werden), als Kampf - stätten, in denen Dramen aus dem menschlichen Leben sich abspielen und behandelt und entschieden werden.27Eine grosse Errungenschaft, die von der Magna Charta über den amerikanischen Supreme Court in die moderne Rechts kul tur eindrang, ist – als institutionelle Garantie zum Schutz von Recht und Gerechtigkeit28– die Unabhängigkeit der 104Daniel 
Thürer 26Paul Johann Anselm von Feuerbach beginnt seine Antrittsrede als erster Präsident des Appellationsgerichts mit dem Satz: «Indem ich in dieser mir feierlichen Stunde zum er- sten Mal in Ihre Mitte trete, fühle ich das Innerste meines Gemüts von der Grösse des Berufs durchdrungen, für welchen wir in diesem Tempel der Gerechtigkeit vereinigt sind.» In: Paul Johann Anselm von Feuerbach, Die hohe Würde des Richteramts, in: Ders., Naturrecht und positives Recht: von Gerhard Haney, Freiburg i.Br. 1993, S. 226 ff., 231. 27Anschaulich Hans Peter Walter, Psychologie und Recht aus der Sicht eines Richters, in: Jörg Schmid/Pierre Tercier (Hrsg./Ed.), Psychologie und Recht – Psychologie et Droit – Symposium zum 60. Geburtstag von Peter Gauch – Symposium pour le 60e anniver- saire de Peter Gauch, Zürich 2000. Zu Recht schreibt Walter (S. 33 ff.): «Konflikte be- dürfen jedoch vorerst nicht der Entscheidung, sondern der Behandlung, und das Verfahrensrecht wäre mit Vorteil als umfassende Streitbehandlungslehre zu begreifen.» 28Zum Ganzen etwa René Rhinow, Die Bundesverfassung 2000 – Eine Einführung, Basel/Genf/München 2000, S. 191 ff.; Stefan Trechsel, Gericht und Richter nach der EMRK, in: Robert Hauser/Jörg Rehberg/Günther Stratenwerth (Hrsg.), Gedächtnis - schrift für Peter Noll, Zürich 1984, S. 385 ff.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.