RUPERT TIEFENTHALER
Alarmierende Gerüchte
Liechtenstein und die Revolution 1848
aus der Sicht Vorarlbergs
Die Sicht aus der Distanz ist eine andere als jene der unmittelbar Betroffe-
nen. Wie stellte sich Liechtenstein in den 1840er Jahren aus der Perspektive
jenseits der Grenze dar? Anhand verschiedener exemplarischer Quellen wird
ein Wandel deutlich. Dieser Wandel zeigt sich in Vorarlberg 1840 als eine
Entfremdung zwischen den fürstlichen Untertanen und ihrer Verwaltung.
1848 fordern die Liechtensteiner als ein selbstbewusstes «Wir» die Anerken-
nung als Bürger. Die alten feudalen Strukturen wollen sie abgeschafft wis-
sen. Ein Jahr später, im August 1849, erscheint in der freisinnigen «Vorarl-
berger Zeitung» ein «Sendschreiben» aus Liechtenstein. Die zentrale Aus-
sage darin: ein «Wir» muss sich erst in der Mentalität des Volkes und in der
Gesellschaft ausbilden. Das aber sei nur durch aktive Beteiligung aller an
der Verfassung und am wirtschaftlichen Aufbau des Landes zu erreichen.
Von der Entfremdung über die machtvolle Kundgabe 1848 hin zum reflek-
tierten Hinterfragen der eigenen Identität spannt sich ein Entwicklungs-
bogen, wie er in exemplarischen Quellen Vorarlbergs begegnet.
Delikate Angelegenhei:
Das Recht auf mehr Mitsprache des Landtags forderte Liechtenstein schon
1831. Das Hauptaugenmerk der Forderungen an Fürst Johann I. galt der
wirtschaftlichen Besserstellung. Vor allem die Militärkosten waren der De-
putation von 1831 ein Dorn im Auge. Doch der Erfolg blieb aus.! 1840
sprach deshalb Postmeister Wolfinger aus Balzers mit dem obersten Lan-
desbeamten Vorarlbergs, Kreishauptmann Johann Nepomuk Ebner. Diese
Begegnung hielt Ebner am 1. Oktober 1840 in seinem Tagebuch fest: «Heute