Volltext: Gutachten über den Zollanschluss Liechtensteins an die Schweiz

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Ausgaben haben für die oben skizzierten volks 
wirtschaftlichen Bedürfnisse, denen zum Teil ohne 
staatliche Beihülfe nicht Rechnung getragen wer 
den kann, höchst bescheidene Beträge aufzuweisen 
(f. die Posten Landeskultur, Elektrizitätswerk!). 
Die Erträgnisse der neuen Steuern können vor 
sichtig mit höchstens Fr. 160,000.— eingeschätzt 
werden, so daß ohne die gewiß dringliche inten 
sive Förderung der liechtensteinischen Volkswirt 
schaft durch den Staat auch im Jahre 1923 das 
Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben 
kaum erreicht wird. Es ergibt sich daher die für 
uns sehr wichtige Tatsache, daß das Land 
nicht nur in Bezug auf seine Zoll 
politik durch staatliche Notwendig 
keiten nach Maßgabe der bisheri 
gen Zollerträge gebunden ist, son 
dern daß es darauf halten muß, 
diese Einnahmen zu erhöhen. Nach 
der erst erfolgten Einführung eines neuen 
Steuergesetzes ist an eine weitere Belastung der 
Bevölkerung aus anderem Wege nicht zu denken. 
So zeigt sich denn auch für Liechtenstein die heute 
allgemein verbreitete Konstellation, daß die 
Zollpolitik des Landes nicht aus 
schließlich auf die wirtschaftlichen 
Bedürfnisse abstellen kann, son 
dern auch auf die Staatsfinanzen 
Rückfichtzu nehmen hat. Ein unbefrie 
digender Zustand da, wo die volkswirtschaftlichen 
Bedürfnisse die Aufhebung der Zollschranken er 
heischen, ein befriedigender dagegen, wo die Zoll 
auflagen nicht nur die Landeskasfe speisen, son 
dern auch der Volkswirtschaft förderlich sind. 
2. Nachdem wir die volks- und staatswirt- 
schastlichen Bedürfnisse des Landes kurz skizziert 
haben, gehen wir zur Schilderung der bishe 
rigen Entwicklung der zollpoliti 
schen Verhältnisse über. Wir unterschei 
den zwei Perioden: Die Zollunion mit Oester 
reich (a) und die Entwicklung seit der Auflösung 
des Zollvertages mit der zerfallenen Monar 
chie (d). 
n) Liechtenstein konnte in der Vergangenheit, 
wie alle kleinen Staaten in ähnlicher Lage (Mo 
naco. Andorra, San Marino) seine zollpolitische 
Selbständigkeit nicht wahren. Der Umstand, 
daß Liechtenstein dem deutschen Zollverein nicht 
angeschlossen war, führte in den 40er Jahren zu 
einer Bittschrift an den Fürsten (vom 24. März 
1848), worin Klage über den langjährigen kom 
merziellen Ausschluß von Deutschland geführt 
wurde. Im Jahre 1852 kam der erste Zoll 
vertrag mit Oesterreich zustande, der am 23. 
Dezember 1863 durch einen wesentlich günsti 
geren abgelöst wurde. Die Vertragsdauer war 
auf 12 Jahre vorgesehen. 
Das Abkommen von 1876, das nach ziemlich 
mühevollen Verhandlungen zustande kam, 
dauerte bis im Jahre 1919 fort und war für 
Liechtenstein günstig. Es sah, wie übrigens 
schon seine beiden Vorgänger, für Liechtenstein 
und Oesterreich die Gemeinsamkeit der Zölle und 
Verzehrungssteuern vor. Daß Liechtenstein dabei 
gut fuhr, geht aus folgenden Zahlen hervor, die 
einer verdienstvollen Publikation im „Liechten 
steiner Dolksblatt" (IV—V 21. Mai 1919) ent 
nommen sind. Im Durchschnitt der Jahre 
1908/17 p. a. 
bezog Oesterreich 
gab Oesterreich 
von Liechtenstein 
an Liechtenstein 
Kr. 
Kr. 
Zöllen 
19,822.10 
161,813. 94 
Berzehrungs 
steuern 
9,576. 78 
55,251.67 
hievon: 
Branntwein 
abgabe 
2,909. 24 
2,784.35 
Wein- und 
Moststeuer 
3,026. 67 
5,815.57 
Biersteuer 
3,740. 47 
36,108.80 
Fleischsteuer 
1,021.93 
2,638.72 
Schon bisher 
bildeten die 
Zölle das 
Rückgrat der liechtensteinischen 
Staatswirtschaft. Die 
Zolleinnahmen 
deckten von den Staatsausgaben: 
im Zahre % im Zahre % 
im Zahre °/« 
1905 54 
1910 80 
1915 58 
1906 72 
1911 74 
1916 30 
1907 88 
1912 68 
1917 18 
1908 65 
1913 85 
1909 60 
1914 73 
Im Durchschnitt der Normaljahre 1905 bis 
1914 erreichten die Zolleinnahmen 72 Prozent 
der Staatsausgaben und 67 Prozent der 
Staatseinnahmen. Die vollständige Zerrüttung 
der Kronenwährung und der Zusammenbruch 
Oesterreichs führten bekanntlich zur Adoption 
der Frankenwährung in Liechtenstein, zur Auf 
lösung des Zollanschlußvertrages und damit 
zum heutigen Zustand. 
b) Der Ablösung vom österreichischen Zoll 
gebiet folgte, nach einem kurzen Interregnum 
ungeregelter Verhältnisse, die Konstituierung 
Liechtensteins als selbstständiges Zollgebiet. 
Instrument hiezu ist das Gesetz vom 1. Dezem 
ber 1921 betreffend die Neuregelung der Ein-, 
Aus- und Durchfuhr von Waren. -Dieses Gesetz 
stellt einen autonomen Zolltarif dar und ist 
seiner ganzen Anlage nach offensichtlich mehr 
den Bedürfnissen des drängenden Moments
	        

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