Volltext: Staat und Kirche

Josef Bruhin Erstens geht der pluralistische Staat von der Gleichberechtigung der sozialen Gruppen in der Gesellschaft aus, um sie dann entsprechend ihrer Rolle und ihrem Gewicht für das Gemeinwohl in einer einheit­ lichen Rechts- und Friedensordnung zu integrieren. So darf und soll er in der Förderung des geistig-kulturellen Gemeinwohls auch die religiö­ sen Gemeinschaften berücksichtigen. Für den modernen Sozialststaat wäre es sogar ein Anachronismus und eine Verletzung des Gebotes der Nicht-Identifizierung, wenn er aufgrund seines Gemeinwohlauftrags zwar Familien-, Kultur-, Berufs- und Wirtschaftsförderung usw. be­ treibt, Kirchen, religiöse Gemeinschaften und weitere weltanschauliche Gruppierungen von dieser Förderung aber ausdrücklich ausnehmen würde. Der Staat tritt in Beziehung zur Kirche nicht weil er in religiösen Fragen seinen Einfluss geltend machen will, sondern weil die Kirche eine öffentliche Potenz ist, die sich in den von der Kirche für die Gesellschaft erbrachten Leistungen erweist. Zweitens wahrt aber der Staat bei aller Förderung die Bekenntnis­ freiheit der Menschen und besonders auch der religiösen Minderheiten, er darf keine Religion bevorzugen und sei sie noch so gross und einfluss­ reich. Er lässt sich vom 
Prinzip der Parität, das heisst der Gleichberech­ tigung oder der Gleichbehandlung leiten. Das heisst aber keineswegs alle über den gleichen Leisten schlagen: Der Staat wird einerseits der öffent­ lichen Bedeutung der betreffenden Gemeinschaften Rechnung tragen und andererseits das je andere Selbstverständnis der betreffenden Ge­ meinschaften - soweit ihm dies als Staat möglich ist - berücksichtigen. Deshalb gilt für den Staat auch das 
Prinzip von Leistung und Gegenlei­ stung. Er kann den Gemeinschaften nur jenes Mass an Vorteilen und Unterstützung gewähren, das diese mit Gegenleistungen zu honorieren imstande sind. Die Kooperation darf endlich auch nicht derart sein, dass über staatliche Mitspracherechte und Kontrollfunktionen ein Rückfall in die Staatsunterworfenheit der Kirchen resultiert, wie sie das Staatskir- chentum kannte. Beides miteinander zu verbinden, Nicht-Diskriminie­ rung der Kirchen in der pluralistischen Gesellschaft und Religionsfrei­ heit, wird nicht immer leicht sein und erfordert Klugheit von Staat und Religionsgemeinschaften. Auf Seiten der Kirche gilt neben der Beachtung der Religionsfreiheit, dass sich ihre Kooperation mit dem Staat als Dienst an der Verkündi­ gung und an der Diakonie, als «Sache der Kirche» auszuweisen hat, denn daran hängt ihre Glaubwürdigkeit. Die pastorale Lage soll adaequat be­ 60
	        

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