Volltext: Staat und Kirche

Albert Gasser Schleudersitz. Die italienische Einigungsbewegung zeigte sich im allge­ meinen wenig zimperlich, aber der Papst war seinerseits auf die Vorstel­ lung fixiert, ohne die Basis als politischer Souverän Hesse sich auch die petrinische Funktion in der Kirche nicht behaupten, obwohl es an wohl­ meinenden Stimmen nicht fehlte, die der Meinung waren, der Abschied von weltlicher Macht würde die geistig-moralische Autorität des Papstes stärken, was denn auch der Fall war. Mit dem strikten «Non possumus» (Wir können nicht) verbaute sich die Kurie jeden Ausweg zu einem Friedensschluss mit dem neuen Ita­ lien. Leo XIII. fühlte sich trotz des Garantiegesetzes, mit dem die italie­ nische Regierung dem Papst als Bischof von Rom und Oberhaupt der katholischen Kirche Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit zugestand, in Rom als «Gefangener des Vatikan» nicht sicher und sondierte 1881 allen Ernstes bei Kaiser Franz Joseph in Wien um ein allfälliges Asyl in Osterreich. Gedacht wurde an Trient oder Salzburg. Der Kaiser antwor­ tete diplomatisch ausweichend, aber es war deutlich, dass er sich mit die­ sem Ansinnen nicht anfreunden konnte.8 Mitten im Ersten Weltkrieg kam neue Bewegung in die verfahrene Situation.9 Die Ausgangslage für die nachfolgenden Überlegungen und Aktivitäten war diese: Der laufende Krieg musste mit einer Friedenskon­ ferenz zu Ende gebracht werden. Italien hatte scheinbar bereits erreicht, dass der Heilige Stuhl von den künftigen Friedensverhandlungen ausge­ schlossen werde. Damit stünde zum vorneherein eine angemessene Auf­ arbeitung der «Römischen Frage» nicht auf der Tagesordnung. Anscheinend war es der deutsche Zentrumspolitiker und Mitglied des Reichstags, der 1921 ermordete Matthias Erzberger, der auf die Idee kam, dem Heiligen Stuhl durch Abtreten des Fürstentums Liechtenstein zu der für den Papst offensichtlich unverzichtbaren politischen Souverä­ nität zu verhelfen. Benedikt XV. freundete sich sofort mit dem Ge­ danken an. Nur müsse alles streng geheim eingefädelt werden. Zudem solle das Ganze so arrangiert werden, dass der Fürst von Liechtenstein den Papst schriftlich bitte, sein Fürstentum als «Geschenk für die Hl. 8 Josef Schmidlin: Papstgeschichte der neuesten Zeit, Bd. II, München 1934, S. 414. 9 Maximilian Liebmann: Der Papst - Fürst von Liechtenstein. Ein Vorschlag zur Lösung der Römischen Frage aus dem Jahre 1916, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1985), S. 230-250. 188
	        

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