Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit und der Verfassungsentwurf von Dr. Wilhelm Beck37 aus derselben Zeit sahen lediglich einen Staatsgerichtshof "zum Schutz der verfassungs- gemässen Rechte der Bürger" vor. Die Verwirklichung des Rechtsstaates war eines der vordringlichen Ziele der Verfassungsreform.38 Dieser zeichnet sich durch einen wirksamen Rechtsschutz aus, der nach den Worten von Dr. Wilhelm Beck in den monarchischen Verfassungen "kümmerlich" ausgestaltet sei und in der geltenden liechtensteinischen Verfassung "fast vollständig" fehle.39 Aus dieser Sicht wird es verständlich, wenn die Reformkräfte die Ver­ besserung des Rechtsschutzes in den Vordergrund rückten, um dem Bürger die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungs­ mässig garantierter Rechte an den Staatsgerichtshof zu ermöglichen. Dieser Umstand erklärt unter anderem auch, dass der Verfassungsgeber erst in einer späten Phase der Verfassungsberatungen sich mit der Aus­ gestaltung, namentlich mit dem Umfang und der Wirkung der Verfas­ sungsgerichtsbarkeit, näher befasste. Als Reformpostulat stand sie vorerst nicht zur Diskussion, da die christlich-soziale Volkspartei, die als die treibende Kraft in der Verfas­ sungsangelegenheit anzusehen ist, in dieser Frage anfänglich in eine andere Richtung tendierte. Das Verfassungswerk lag in ihren Händen. Von ihr ging die Initiative aus. Es war nicht damit zu rechnen, dass ein solcher Vorstoss von anderer Seite kommen konnte. In den Kreisen der konservativen uqd monarchistischen Verfassungskräfte konnte ein sol­ ches Vorhaben nicht zum vornherein auf Unterstützung zählen, standen sie doch weitgehend ohne politisches Konzept da, das eine Antwort auf die Forderungen der Zeit, einen möglichen staatsrechtlichen Wandel, hätte geben können. Diese bisher politisch tonangebende Schicht war noch zu sehr der "Vergangenheit" verpflichtet und mit ihr beschäftigt. Sie verharrte in Passivität. Sie geriet von allem Anfang an in eine eigen­ artige Rolle. Während immer vernehmlicher der Ruf nach politischer Erneuerung und Reform erscholl, hielt sie am Überkommenen fest. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit hätte von ihr ein neues staatsrechtliches Denken verlangt, das sich schlecht mit der von ihr betriebenen Real­ 37 Publiziert in den Oberrheinischen Nachrichten Nr. 47 vom 12. Juni 1920 bis Nr. 52 vom 30. Juni 1920. 38 Diesen Aspekt hebt auch Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staats­ organe in Liechtenstein, S. 79, hervor. 39 So Wilhelm Beck, Das Recht des Fürstentums Liechtenstein, S. 25. 38
	        

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