Volltext: Die Normenkontrolle im liechtensteinischen Recht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes

Gegenstand, Umfang und Massstab der Normenkontrolle Eine andere Frage ist aber und nicht ausgeschlossen werden kann, ob nicht unter Umständen das Fehlen einer bestimmten gesetzlichen Vor­ schrift zur Verfassungswidrigkeit einer anderen Gesetzesvorschrift wer­ den kann.255 Prüfungsgegenstand bliebe dabei ein bereits erlassenes Ge­ setz.256 Die Verfassungswidrigkeit kann auch dadurch entstehen, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, das Gesetz einer von der Verfassung ge­ forderten Regelung zu unterziehen, wie dies Fallbeispiele im Zusammen­ hang mit dem 1992 neu in Art. 31 Abs. 2 der Verfassung verankerten Gleichberechtigungsgrundsatz belegen. Danach ist der Gesetzgeber ver­ pflichtet, das geltende Recht an die "Gleichberechtigung von Mann und Frau" anzupassen. Diese Thematik aktualisiert das Problem der funktio- nell-rechtlichen Abgrenzung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung.257 Auf dem Hintergrund der Gestaltungsfreiheit258 des Ge­ setzgebers erweist sich jedenfalls die Frage als klärungsbedürftig, wo die Grenzen der Rechtsprechungstätigkeit des Staatsgerichtshofs verlaufen. II. Mangelnde oder unvollständige Gesetzesregelung 1. Gesetzgeberisches Unterlassen Der Staatsgerichtshof weist in StGH 1981/5 darauf hin, dass die Be­ schwerdeführerin in Wirklichkeit eine Untätigkeit des Gesetzgebers bemängle. Der Gesetzgeber habe es unterlassen, eine Ausnahme- be­ ziehungsweise Ubergangsbestimmung festzusetzen, damit Personen, die die Treuhänderbewilligung für natürliche Personen nach altem Recht ohne Prüfung erhalten haben, auch nach neuem Recht die Be­ 255 Vgl. Heinz Mayer, Das österreichische.Bundes-Verfassungsrecht, S. 396 f., zu Art. 140 B-VG mit Hinweisen auf die Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes; Klecatsky/Ohlinger, "Bundesverfassungsrecht". Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, S. 114/E. 5, zu Art. 140 B-VG mit Hinweisen auf die Judikatur des öster­ reichischen Verfassungsgerichtshofes. 256 Peter Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funk­ tionen, S. 196. 257 Vgl. Giovanni Biaggini, Verfassung und Richterrecht, S. 452 ff. Vgl. auch vorne S. 153. 258 Vgl. etwa StGH 1980/5, Entscheidung vom 27. August 1980, LES 1981, S. 188 (189); StGH 1991/15, Urteil vom 2. Mai 1991, LES 3/1991, S. 77 (80), und StGH 1993/3, Urteil vom 23. November 1993 als Verwaltungsgerichtshof, LES 2/1994, S. 37 (38), so­ wie aus dem Schrifttum: Jörg Berkemann, Realitätsfremde Steuergesetzgebung und ge­ setzgeberisches Unterlassen, in: EuGRZ 1985, S. 137; Christoph Moench, Verfas­ sungswidriges Gesetz und Normenkontrolle, S. 63 f. 272
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.