Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1867)


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Vaduz, Samstag 
Rro. SO 
7. September 18K7. 
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Dieses Blatt erscheint in der Regel monatlich 3mal und kostet ganzjährig l, fl. 50 kr. -EinrWags^eMMM^die.sesval- 
^ -«.^... z-j der Redaktion — in Feldkirch bei M löbl. WWDschixn Buch- 
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Handlung oder bei der k. k. Post. Die Redaktion besorgt auch Bestellungen auf das liechtenst. Landesgesetzblatt. 
Vaduz, 6. September. 
-In der letzten Woche wurden die Wahlen zum nord 
deutschen Reichstag vollzogen und zwar unter einer 
auffallenden Theilnahmslosigkeit des Publikums. Das 
ist kein gutes Zeichen. Es beweist eben, wie klein die 
Hoffnungen sind, die man für die freiheitliche Entwick^ 
lung aus die Organisation der Bundesverfassung setzt. 
Doch gilt diese Lauheit des Publikums nicht blos gegen 
über den Reichsrathswahlen. Es ist in einer thüringi 
schen Stadt von 13,009 Seelen vorgekommen, daß sich 
zur Wahl der Gemeinde-Vertreter nur 26 Wähler ein 
fanden. ES scheint eben, der Glaube an die Nützlichkeit 
und Zweckmäßigkeit der Vertretungen in ihrer jetzigen 
Einrichtung ist erschüttert, man möchte fast sagen der 
Constitutionalismus in seiner jetzigen Gestalt hat sich 
überlebt. Und was ist denn in der That mit constitu- 
tionellen Einrichtungen gewonnen, kbenn ihnen im ent 
scheidenden Falle die Gewalt gegenüber tritt, wie wir 
das in leider allzu zahlreichen Beispielen gesehen haben? 
Was frommt es dem Volke, wenn in der abstracten 
Spitze dem Constitutionalismus einiges Gebiet einge 
räumt wird, während sich nach unten und besonders im 
Gemeindeleben eine allgegenwärtige Bevormundung breit 
macht? — Man sollte den Ursachen der oben erwähnten 
Theilnahmslosigkeit an den Wahlen und andern politi 
schen Handlungen etwas mehr nachforschen. 
Die Salzburger Zusammenkunft Napoleons 
mit dem Kaiser von Oestreich schien hauptsächlich gegen 
Preußen gerichtet zu sein. Wie verlautet, sollte die Bil 
dung eines süddeutschen Bundes mit östreichischer Spitze 
projecnrt werden. Die Absicht, Oestreich in dieses Pro- 
jGt hineinzuziehen, soll nicht erreicht worden sein. Man 
schließt das aus der verdrießlichen Stimmung Napoleons 
und aus seinen friedlichen Reden, die er bei seiner Rück 
kunft in Frankreich gehalten hat. 
Aus Spanien gibt es wieder eine Revolution zu 
berichten, die jedoch nicht gelungen scheint. Die vieljäh- 
rige Mißregierung der von gehässigen Leidenschaften be- 
hetrfchten Königin hat das Land völlig an den Ruin 
gebracht und es wäre nicht zu viel, wenn in Spanien 
über kurz ein allgemeiner Umsturz sich vollzöge. 
Italien ist von den Schrecken der Cholera entsetz 
lich heimgesucht. Offenbar hängt dies zusammen mit der 
grenzenlosen Unredlichkeit, die bei den untern Volks 
klassen herrscht. — Die Geldnoth des Landes ist im 
Zunehmen begriffen. — Inzwischen bereitet sich Gari- 
baldi mit seinen Schwären vor, ÜW dem Papst sein Ge 
bier völlig zu entreißen.,. Die italienische RegierMg gibt 
sich zwar den Anschein, gis suche ße Hefts Beginnen 
hintertreiben, allein die freundschaftlichen GefinnMgM/ 
die sie gegen den hl. Stuhl begt, sind nicht so tief' 
man ihrem Vorgeben glauben möchte. 

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Prinzliche Gedanke». 
Erzherzog Max, der in Meriko eines so furchtbaren 
Todes starbt galt als der talentvollste der östreichischen 
^Prinzen. In seinem 20st'en Jahre schon machte er große 
Reisen zu Wasser und zu Land, schärfte sein Äuge für 
den Gehalt der Dinge und Menschen und legte seine 
Eindrücke und Gedanken in Tagebüchern nieder, die spä 
ter gedruckt wurden. Es kommen in diesen zahlreiche 
gute Gedanken und prachtige, tiefempfundene Schilde 
rungen vor, die ein warmes Herz und großes Talent 
verrathen. AuS dem Tagebuche des 20jährigen Prinzen 
theilen wir Einiges mit. die Gedanken sind hübsch und 
zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie einem Prin 
zen angehören. Der Leser wird sofort errathen, was 
wir damit meinen. 
„Es ist nicht gut, große Manner von gar nahe zu 
betrachten, je näher man dem Lichte kommt, desto grel 
lern Schatten wirft es' und gewöhnt man sich daran, 
so blendet es nicht mehr." — „Warum nennt man die 
Hunde treu? Weil sie kriechen und sich prügeln lassen, 
und der Mensch gar so gern kriechen sieht und gar so 
gern prügelt." — „Das Leben ist ein ewiges Ver 
gessen. — Der Mensch muß durch Zufall erzogen wer 
den." — „Viele glauben: Prinzen brauchten nicht 
ihre Pflicht wie jeder andere zu thun; das kommt da 
her, weil die meisten sie wirklich nicht thun und so durch 
die Jahrhunde! te ein Gewohnheitsrecht daraus entstand, 
das die Dynastien untergraben hat. Jetzt staunt man, 
wenn so ein prinzliches Amphibium Pflichtregungen hat." 
— „Furcht und Ehrgeiz treiben das Weltrad." — 
„Wer sich nicht Respekt zu schaffen weiß, verdient ihn 
nicht." — „Schön ist es als Anfänger in eine große 
Zukunft zu blicken; schöner mit einer großen Vergan 
genheit, stark in der Gegenwart, noch einer glänzenderen 
Zukunft entgegenzugehen; furchtbar hingegen ist, sich ei 
ner großen Vergangenheit bewußt zu sein, aber keine 
Zukunft zu haben." „Die Eisenbahnen sind das 
Gleichheitszeichen, der nicht zu beseitigende Hebel deS im- 

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