Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1867)

reich oder Preußen anknüpfen ließe, um dessen alte An 
griffspolitik gegen die Türkei wieder aufzunehmen. 
Nach dem polnischen Blatte „Dziennik Poznanski" 
hätte daS Verhältniß Rußlands zu Preußen ernstliche 
Zerwürfnisse im Schooße der russischen Regentenfamilie 
hervorgerufen. Die russischen Ultras, die sehr ungün 
stig gegen Preußen gestimmt seien, hätten den Großfür 
sten Thronfolger zu einem energischen Schritte, der sich 
zunächst auf eine entschiedene Zurückweisung der zum 
Schutze der Deutschen in den Ostl'eeprovin;en von dem 
preußischen Gesandten unternommenen freundschaftlichen 
Vorstellung bezogen hätte, vermocht, dem sich auch der 
Großfürst Konstantin angeschlossen haben soll. 
Dagegen hätte ber Kaiser persönlich und die Groß 
fürstin Helene ihre Sympathieen zu Preußen und 
Deutschland nicht verhehlt. Man sei auf den Ausgang 
des Streites, der bereits chronisch geworden, in Peters 
burg sehr gespannt, weil man darin einen charakteristi 
schen Fingerzeig für die Zukunft der russischen auswär 
tigen Politik mit Recht erblicke. 
Dem König von Preußen würde eine Civilliste (Jah 
resgehalt) von 4 Millionen Thaler ausgeworfen, auch 
die Prinzen des königl. Hauses werden großstaatllche 
Apanagen beziehen. 
Rothschild, die 6. europaische Großmacht, ist in's 
preußische Herrenhaus eingetreten. Die Beziehungen 
der Großmacht Preußen und der Großmacht Rothschild 
sind indeß nicht so intim, wie bei andern. Die ganze 
preußische Schuld sammt Banknoten ist ungefähr 75V 
Millionen fl., z. B. nur U von der Schuld Oestreichs. 
Es ist aber auch eine Frage, ob Preußen soviel Schul 
den zuweg brächte. 
Garibaldi erkrankte in seiner Haft und wurde auf 
den Rath der Aerzte nach seiner Ziegeninsel gebracht, 
wo er sich frei bewegen darf, nur mit dem Versprechen 
vor Ende März die Insel nicht zu verlassen. — Son 
derbar ist's, daß der König Viktor Etmmuel 50,WO 
Franken zur Heilung der im letzten Kampfe verwunde-. 
ten Garibalriner gegeben hat. 
Kronprinz Humbert von Italien wollte neulich von 
seinem Schlosse Monza nach Mailand zurückkehren, wurde 
aber am Thore mit Steinwürsen und dem Rufe em 
pfangen: Dieser Weg führt nicht nach Rom! — Er 
mußte umkehren. — Sein Vater Victor Emanuel hat 
den verwundeten Garibaldianern und den Hinterbliebe 
nen der Gefallenen 50,000 Franks geschickt. 
Die Königin Victoria ist eine so fromme Frau, 
daß sie eine alte Neuerung auf den Kanzeln riskiren 
konnte. Sie ließ nämlich in ihrer Hofkapelle und in 
den Kirchen ihrer Landgüter Sanduyren anbringen, 
die 18 Minuten laufen. Eine zarte Erinnerung für 
die geistlichen Redner, daß wir annoch in dieser Zeit- 
lichkeit und nicht in der Ewigkeit leben. 
Papst PiuS IX. hat an die Kaiserin Eugenie ei 
nen eigenhändigen Brief gerichtet, worin er der from 
men und schönen Tochter für die wichtigen Dienste 
dankt, die sie V4r Mutter Ktrche geleistet habe, ihr sei 
lten apostolischen Segen spendet und ewigeS Seelenheil 
zusichert. 
Der „AugSb. Allg. Ztg." wird vom Rhein geschrie 
ben: Glaubwürdigen Andeutungen zufolge beabsichtigt 
Kaiser Napoleon allerdings eine Beseitigung der weltli 
chen Macht des Papstes gegen eine reichliche materielle 
Entschädigung. Frankreich hat demgemäß überall ge 
naue Erhebungen über die Größe der katholischen Kir- 
chemonvs und Staatsverwendungen angestellt, um dem 
Papst aus den entsprechenden Beiträgen eine Civillifte 
zu sichern, wogegen die bisherigen Leistungen für DiS- 
pensationen ze wegfallen sollen. Rom würde als Sitz 
des Papstes und der obersten geistlichen Kollegien als 
neutraler Boden und das Personal der letzteren a!S er- 
territoriell behandelt werden. 
Kaiserin Eugenie wird von den Parisern die Spa 
nierin genannt. Es ist dies kein Schmeichelname, eS 
steckt bei den Franzosen immer ein geheimer und gefähr 
licher Groll dahinter, wenn sie ihre Fürstinnen nach 
ihrer fremden Abstammnng benamsen. Die Kaiserin 
kann diesen Namen als eine Verwarnung ansehen Alte 
Welt wirft ihr vor, daß sie eine wahre Sucht habe, 
eine politische Rolle zu spielen, und selbst die Anhänger 
des Kaisers klagen, daß sie einen verderblichen Einflüß 
auf den Kaiser übe und nichts weniger sei a!6 sein gu 
ter Stern 
Gewehre: „Die große Menge von Geschossen, 
welche diese Feuerwaffen in wenigen Minuten über ein 
Schlachtfeld ausstreuen, vermag viele Soldaten kampf 
unfähig zu machen; wegen der außerordentlichen Klein 
heit der Geschosse aber sind die dadurch verursachten 
Wunden selten tödtlich. Die Chaffepotkugel zerschmettert 
nur selten einen Knochen, zieht sich vielmehr in dett 
meisten Fällen um-denseben he um, wie das an vielen 
Verwundeteten von Mentana beobachtet worden ist." 
Man hat berechnet, daß ein Jäger 5000 Morgen 
Waldung nöthig hat, um seinen Unterhalt durch Hagd 
auf Vierfüßler zu beschaffen, ein Hute 500 Morgen, 
ein Bauer alten Schlags 50 Morgen, ein fortgeschritte 
ner, sogen, rationeller Landwirth t0 M. und ein Gärt 
ner 2 Morgen zu seinem und seiner Familie Fortkom 
men. Welch ein Unterschied! Je mehr also die Be 
völkerung eines Landes zunimmt, je dichter sie wird, 
desto besser muß die Landwirthschaft betrieben werden 
und um so mehr w'rd sie sich dem Gartenbau nähern 
wie in China und Japan. 
In Paris sängt die Polizei selber an, unzufrieden 
zu werden; sie will Zulage haben. Es sei ein Hunde 
leben, keine Ruh' bei Tag und Nacht und was Hr 
Maueranschläge müssen sie abreißen und lesen! Z. B> 
neulich drei Nächte hintereinander, einen: „Frankreich 
gehört sich seit 45 Jahren nicht mehr an, es hat aÜ? 
seine Freiheiten verloren. Seine Reichthümer sind ver 
geudet, die Ersparnisse eines halben Jahrhunderts ven 
nichtet worden; es war die Hoffnung der Volker, A 
ist heute ihr Alpdrücken." Der andere Anschlag sW 
an: „Franzosen! Die Regierung Bonapartes wurde auf 
dem Verbrechen errichtet; sie hat Frankreich seit iv 
Jahren mit Schmach bedeckt. Bonäparte will uns zmy 
Werkzeug der Unterdrückung der andern Völker machend 
Und die dritte Proklamation: „Volk von Paris! Vor
	        

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