Vaduz, 22. August.
Die jüngsten Wochen, nach dem Eintritte der Waffen
ruhe , waren sehr kriegerisch. Es wurden gewaltige
Schlachten geschlagen, aber nicht mit Kanonen, sondern
mit den Federn der Diplomaten. Die französische Na
tion war plötzlich von gewaltiger Eifersucht gestachelt
beim Anblick der glanzenden Siegesthaten der Preußen.
Frankreich muß größer werden, sonst kann es nicht ruhm
voll neben Preußen bestehen, Frankreich allein ist berech
tigt das erste Wort zu führen im Rathe der europäischen
Mächte: so hieß es und schon sahen sich die Franzosen
im Besitze der deutschen Rheinlande. Napoleon kennt
seine Franzosen. Er mußte etwas thun. Da fragt er
in Berlin ganz höflich, ob man ihm nicht zur Beruhigung
seiner Kinder und zur Erhöhung des eigenen Ruhmes
ein ganz kleines Winkelchen' am Rhein abtreten könne.
Bismarck soll geantwortet haben, das sei unmöglich, er
könne einen solchen Handel gegenüber der Stimmung
des preußischen und des deutschen Volkes nicht verant
worten. Seitdem ist wieder alle Kriegsfurcht verschwun
den und Napoleon gibt sich „vorläufig" zufrieden.
Preußen fangt an, die ehemaligen deutschen Bundes
staaten gemach zu vermindern. Hannover, Kurhessen,
Frankfurt gehören hinfür zum Königreich Preußen, Schles
wig-Holstein ist schon preußisch, es braucht nur den Ab
schluß des Friedensvertrages mit Oestreich, um die Sache !
auch formell zu beendigen. Mit Baden und Württem
berg ist der Friede schon bereinigt, mit Baiern wird noch
unterhandelt. Baiern bekommt für seine zweideutige
Stellung die es während des ganzen Krieges einnahm,
den Lohn. Aus seiner Haut schneidet sich Bismarck
Riemen.
Die nordamerikanische Republik fühlt sich, sie
beginnt Einfluß auf die europäischen Händel zu üben.
Als die Preußen Frankfurt mit der berüchtigten Kontri
bution bedrohten, erhob sich dräuend die Hand des ame
rikanischen Gesandten, daß man eine Stadt, die den
Vereinigten Staaten in Geldsachen so große Dienste
durch ihre Bankiers geleistet habe, nicht allzunahe trete.
Marimilian der Kaiser von Meriko und Bruder
des Kaisers Franz Joseph, ist in schlimmer Lage. Sein
Kaiserthum schwebt nur noch in der Luft. Er that ei
nen äußersten Schritt bei Napoleon, indem er seine Ge-
nialin Charlotte nach Paris sandte, um den Kaiser zu
bitten, daß die französischen Truppen doch wenigstens bis
nächsten April in Meriko bleiben dürfen, daß er zu ei
ner neuen Anleihe behülflich sei und daß er den Mar
schall Bazaine von seinem Posten abrufe, da er ihrem
Gemal keine Stütze, sondern ihm überall in seinen besten
Bestrebungen und Einrichtungen hinderlich sei. Könnten
diese drei Wünsche nicht erfüllt wenden, so wolle der
Kaiser dem Thron entsagen und nach Europa zurückkehren.
Nachrichten vom liechtensteinischen Contiugent in
Südtirol.
Wir haben wieder einige kleine Mittheilungen erhalten.
Das Contingent wurde nach seinem Rückmärsche vom
Joche nicht nach Schlanders verlegt, sondern es kam
wieder in die frühere Station Prad. Ein Triesner
Schütze schreibt uns über den Aufmarsch zum Stilfser
Joch und die Begebnisse der nächsten Tage folgender
maßen: „Nach sehr strengen Märschen kamen wir den
5. d. Mts. in Prad an und verweilten da bis den
10. August, wo uns der Befehl ertheilt wurde, nach
St. Maria abzumarschieren. Nach einem Marsche von
7 Stunden zogen wir in die Kasernen von St. Maria
ein, wo der vierte Theil unseres Contingents den Be
fehl erhielt, Morgens früh 3 ^ nach dem Furkala-
Paß abzumarschieren, um den Piemontesen mit einer
Salve entgegenzutreten. Die erste Nacht in St. Maria
hatten wir wohl ein hartes Lager, es war kein Stroh
vorhanden, zum Kopfpolster mußte man sich mit einem
Steine begnügen. Morgens waren wir in aller Frühe
auf benanntem Passe angekommen, wo es so kalt war,
daß wir uns durch Herumlaufen erwärmen mußten.
Kein feindliches Geschöpf ließ sich spüren. Es mußte
den Wälschen wohl zu kalt sein, oder vielleicht erschreckte
sie das Raketenfeuer zu sehr, uns entgegenzukommen.
Nach drei Stunden befahl der Hauptmann, aus einer
elenden Hütte, welche in die Erde gegraben war, her
vortretend, daß unsere Mannschaft nach St. Maria zu
rückziehen solle. Dort mußten wir alle 24- Stunden
Wachdienst übernehmen. In St. Maria war alles sehr
theuer. Ein Schoppen Wein (gefärbtes Wasser und
Weingeist) kostet 14 kr., eine Tasse Kaffee 10 kr. zc.
Den 14. d. Mts. erhielten wir den Befehl Morgens
nach Prad abzumarschieren, worüber wir nicht so sehr
betrübt waren. Den 15. August hatten wir die Ehre,
den Jägerstab zu begleiten. Heute feierte man hier das
Geburtsfest des Kaisers.
Ich beschließe die Erzählung mit der Hoffnung, daß
Sie mir wegen der flüchtigen Schrift verzeihen werden.
Ich werde den Muth und die Geduld nicht verlieren,
so lange ich so gesund bin wie gegenwärtig.
Jetzt haben wir warmes Wetter. Mit dem Wunsche
zc. grüßt Sie freundlich zc."
Auch'von Hrn. Feldwebel Walch haben wir einen
Brief vor uns liegen, in welchem wir ebenfalls Züge
aus der Hochgebirgs-Campagne finden. „In St. Ma
ria angekommen begrüßte uns Hr. Major v. Metz und
sagte unter andern:: „Es ist schade, daß Ihr nicht frü
her hier wäret, Ihr hättet Euch gewiß gut geschlagen.
Vorläufig bleibt Ihr bei mir als meine Garde." Wir
wurden sodann in einem großen Hause (Cantoniere)
untergebracht. Zwei Kaiserjäger-, zwei Schützen- und
eine Standschützen-Compagnie lagen theils daselbst, theils
in Remisen und Gewölben. Ein recht malerisches Bild
gab es in St. Maria besonders dann, wenn die ver
schiedenen Abtheilungen auf Feldwache zur Ablösung
aufgestellt waren. Das Gewehr auf dem Rücken, mit
dem Riemen über die Brust, die Tasche voll mit Brod,
Speck, Käs, auch Kaffee und Zucker zum Kochen auf
dem Paß und in der Flasche Rhum. Wein oder Schnaps
und ein gewichtiges Scheit Holz auf der Schulter: so
marschierten die verschiedenen Abtheilungen unter Jauch
zen und Lärmen auf ihre —2 Stunden entfernten
Posten auf die Höhen. — In St. Maria fortwähren
des Kochen von Kaffee, Lebern, Lungen, Brod, Polen-